Spoiler-Hinweis: Der folgende Text enthält Verweise auf Ereignisse, die in der dritten Staffel von "Ted Lasso" und im Serienfinale passieren.

Bei ihrem vorerst letzten Einsatz haben die "Diamond Dogs" aus der Londoner Nelson Road nicht nur ihren bislang größten Skeptiker noch an Bord geholt, sondern nebenbei auch geklärt, dass das menschliche Streben nach Perfektion quasi sinnlos ist ("Das einzige, was wir tun können, ist um Hilfe zu bitten und sie anzunehmen, wenn wir können. Wenn du das tust, wirst du immer auf dem Weg zum Besseren sein", erklärte Top Dog Leslie dem neu aufgenommenen Hound Roy).

Abgesehen davon aber, da war man sich einig, ist die Perfektion "überall, wo wir hinsehen": "Zurück in die Zukunft" – ein perfekter Film, Trents Haare und Grace Kellys Augen – perfekt, Billy Joels "The Stranger"-Album, Spaghetti Bolognese, der mächtige Redwood-Baum: perfekt, perfekt, perfekt.

Und, naja, vielleicht gehört in diese Aufzählung künftig auch ein Comedy-Drama namens "Ted Lasso".

Warmherzig, verständnisvoll und grundoptimistisch

Vor anderthalb Wochen ist das erst 2020 mitten in der Pandemie gestartete Apple TV+ Original nach nur drei Staffeln zu Ende gegangen – und hat es immerhin geschafft, dabei soviel Perfektion zu wahren, dass es nicht mal sein Finale vermasselt hat. (Was angesichts zahlreicher historischer Beispiele alles andere als selbstverständlich ist.)

Das Ende ist trotzdem bedauerlich, schließlich war "Ted Lasso" selbst im schier unerschöpflichen Serienkosmos unserer Zeit eine echte Besonderheit. Und zwar, weil der Serie genau das gelungen ist, was auch ihren Namensgeber reüssieren lässt: Sie hat ihre Zuschauer:innen gelehrt, dass die Welt nicht zwangsläufig zynisch, stumpf und kalt zu sein braucht. Sondern auch warmherzig, verständnisvoll und grundoptimistisch begangen werden kann. Sogar wenn zwischendrin ständig Fußball gespielt wird.

Mit Ted Lasso hat Serienschöpfer und Ex-"Saturday Night Live"-Autor Jason Sudeikis eine Figur mit schier unerschöpflichem Glauben an das Gute im Menschen geschaffen, und die, um diesen Glauben zu stützen, selbst größte Verfehlungen zu verzeihen bereit ist (während Ted selbst von der eigenen familiären Situation nach einer ungewollten Scheidung zerrissen wird).

Die scheußliche Realität klopft an die Tür

Als gänzlich Fußball-unerfahrener Trainer eines zweitklassigen American-Football-Teams wird Lasso nach Großbritannien geholt, um dort den Premier-League-Club AFC Richmond zu trainieren – und ihn in Grund und Boden zu rammen, wie es sich Neu-Eigentümerin Rebecca Welton (großartig gespielt von Hannah Waddingham) zunächst erhofft, um sich an ihrem Ex-Mann Rupert zu rächen, der den Club einst über alles liebte.

Doch mit der Zeit stellt sich heraus, dass Lassos Herangehensweise und seine vermeintliche Ahnungslosigkeit von dem Sport, der auf der Insel so ernsthaft betrieben wird, ein Glücksfall sind: Gemeinsam mit seinem Freund Coach Beard hilft Ted der Mannschaft, neu zueinander zu finden, entwickelt mit ihr Strategien, um Fehler und Niederlagen wegzustecken, vor allem aber lehrt er sie, was es braucht, um gemeinsam zu siegen: Teamgeist und der Glaube an sich selbst!

Im Grunde genommen ist "Ted Lasso" die Erzählung vom Underdog, der sich gegen alle geltenden Konventionen auflehnt, um seinen eigenen Weg und dadurch Platz in der Welt für sich zu finden – ein klassisches Märchen. Eines aber, das immer wieder die scheußliche Realität an seine Tür klopfen lässt.

In Staffel zwei war es Teds Kampf mit der eigenen psychischen Gesundheit, die wie ein unerwartetes Gewitter über die heitere Atmosphäre von Nelson Road hereinbrach und in der Panikattacke kulminierte, die ihn während eines laufenden Spiels aus dem vollbesetzten Stadion stürmen lässt.

Super League? Nee, danke!

Staffel drei erlaubte sich den Realitätsabgleich nun auch in Nebensträngen: Als Ted-Schüler Sam sich auf Twitter gegen die Herzlosigkeit positioniert, mit der die britische Regierung Flüchtlinge davon abhalten will, ins Land zu kommen, muss er sich nicht nur von der tweetenden Innenministerin beleidigen lassen, dass er sich als zweitklassiger Fußball aus politischen Debatten gefälligst rauszuhalten hat – sondern kriegt vom wütenden Social-Media-Mob auch noch das als Reminiszenz an die Küche seiner Heimat Nigeria aufgebaute Restaurant demoliert.

Währenddessen scheitert Ted bis zum Schluss daran, den britischen Profi-Fußball zu verstehen: Wer aus der Premier League absteigt, rutscht in die EFL Championship, die aber nichts mit der Champions League zu tun hat, für die man die Premier League mindestens als vierter abschließen muss? "Das ergibt keinen Sinn!", protestiert Ted. Doch, erklärt Roy: "Moneten."

Vorher schon lässt Rebecca erfolgreich den Plan eines milliardenschweren Investors scheitern, die besten Clubs zu einer Super League zusammenzuführen, um die Beteiligten noch mehr Geld verdienen zu lassen – auf Kosten der Fans und kleinerer, weniger gut ausgestatteten Vereine.

So ist "Ted Lasso" zu einer Comedy geworden, die im Laufe der Zeit den Anspruch entwickelt hat, zumindest nebenbei ein Stück weit Porträt unserer Gegenswartskultur mit all ihren Stolpersteinen zu sein und Auswüchse des Profi-Fußballs kritisch zu begleiten. Ihre Einzigartigkeit aber erhält die Serie durch die Tonalität ihrer Erzählung, die ohne jeden Zynismus propagiert, dass sich mit Anstand und Zuversicht viel mehr erreichen lässt als mit Verbissenheit und Unfairness.

Scheitern und Wiederaufstehen

Der "Guardian" bescheinigte "Ted Lasso" gerade, "a case study of kindness and decency triumphing in a cynical modern world" zu sein. Gleichwohl haben Kritiker:innen der dritten Staffel vorgeworfen, nicht mehr so fokussiert zu sein wie zuvor, und das Fehlen relevanter Entwicklungen moniert.

Und: ja, eine Erzählrevolution kann die Schlussrunde eher nicht für sich in Anspruch nehmen. Aber das passt nur allzu gut zu "Ted Lasso", das sich in den finalen zwölf Episoden – abgesehen von einigen hervorragend inszenierten Rivalitäten auf dem Spielfeld – noch intensiver dem gewidmet hat, was auch vorher schon zu den größten Stärken zählte: ihre Charaktere und deren Entwicklung so zu erzählen, dass man als Zuschauer:in wirklich eine Beziehung dazu aufbaut. Niemand in Richmond scheitert endgültig, allenfalls vorübergehend. Und alle stehen, wenn sie bereit sind, Hilfe anzunehmen, wieder auf – so wie Keeley, die sich nach der Trennung von Roy, dem Debakel mit ihrer eigenen PR-Firma und einer vorübergehenden Liebschaft in Selbstzweifel vergraben könnte und stattdessen dafür entscheidet, nochmal von vorn anzufangen.

Auch der für die Staffel konstruierte Erzählrahmen hatte durchaus seinen Reiz: Vieles in der ersten Hälfte ist auf die sechste Episode "Sonnenblumen" hingeschrieben, in der Richmond für ein Freundschaftsspiel nach Amsterdam reist – um dort wieder gnadenlos zu scheitern.

Ein denkwürdiger Abend in Amsterdam

Der darauffolgende Abend in der fremden, aber doch so heimelig wirkenden Metropole allerdings führt vieles und viele zueinander: Jamie und Roy freunden sich an, der eine lernt Fahrradfahren, und der andere erlaubt einen kurzen Einblick in die von der Trennung seiner Eltern geprägten Jugend; Rebecca streift ziellos durch die Straßen, landet pitschnass im Kanal und anschließend auf dem Hausboot eines freundlichen Fremden (Matthijs!), der ihr Leben verändern wird; Trent offenbart Colin, dass er aus seinem Schwulsein für ihn kein Geheimnis mehr zu machen braucht.

Währenddessen halluziniert Ted nach dem Besuch im Van-Gogh-Museum in einer US-Burger-Bar zwischen Freedom Fries und Zwiebelring-Pyramdie eine neue Strategie ins Sonnenblumennotizbuch, die sich später als Klassiker des niederländischen Fußballs entpuppt – und den AFC Richmond einigen Startschwierigkeiten zum Trotz fast ganz nach oben in der Tabelle katapultieren wird.

Alles daran ist so abwegig und so wunderbar, dass man "Sonnenblumen" eigentlich eins zu eins zur Interpretation in den Englischunterricht weiterreichen könnte.

Ende in Versöhnlichkeit

Zugegeben: Große Teile der Staffel sind erst mit der Ausführung (und anschließenden Dekonstruktion) des zuvor sorgsam vorbereiteten Cliffhangers beschäftigt: Nates von Arroganz getriebener Aufstieg zum "Wonder Kid" und neuem Manager des Liga-Favoriten West Ham, der öffentlich Witze über seinen ehemaligen Förderer reißt, sich letztlich aber doch selbstläutert: indem er seiner neuen Freundin Jade die Loyalität erweist, die er anderen zuvor versagt hat. Aber das ist so hübsch und voller Selbstzweifel erzählt, dass man Nate nachher problemlos wieder in die Arme zu schließen bereit ist.

Und Rebeccas Ex Rupert stürmt das Finale als universeller Bösewicht im wehenden schwarzen Mantel so großartig, dass es Darth Vader beim Zusehen unweigerlich den Atem verschlagen müsste.

Zum Schluss, als Ted seine Ankündigung wahr macht, zurück nachhause zu kehren, um dort bei seinem Sohn zu sein, den er über alles vermisst, endet für die Greyhounds alles in Versöhnlichkeit – natürlich.

In einem "Six Feet Under"-haften (aber selbstverständlich vor Zuversicht strotzenden) episodischen Zusammenschnitt zu Cat Stevens "Father & Son" übernimmt Roy Nelson Road als neuer Chef-Trainer; Nate ist zurück an Bord und hat endgültig sein privates Glück gefunden, genau wie Rebecca, die 49 Prozent ihrer Club-Anteile an die Fans des AFC abgegeben hat; Sam wird doch noch in die nigerianische Nationalmannschaft aufgenommen, ein gereifter Jamie verzeiht seinem im Heim gelandeten Vater und Keeley hat einen höchst Spin-off-geeigneten Vorschlag: ein AFC Richmond Women's Team! – während Ted daheim in Kansas die neue Fußballmannschaft seines Sohns coacht und diesem vor einem abschließenden Dankesblick in die Kamera einen gut bekannten Rat mitgibt: "Be a goldfish."

Noch ein letztes "Ussie" am Flughafen

Zuvor hatten die Autor:innen bereits großen Spaß daran, die letzte Episode mit Referenzen an die erste zu spicken: Ted tanzt mit seinem Team wieder den "Running Man", macht am Flughafen ein "Ussie" mit einem Fan, der ihn erkennt, und fragt Beard im Flugzeug zum zweiten mal in seiner Karriere: "Are we nuts for doing this?" – bevor er sich von der Stewardess ironischerweise als "Arschloch" betiteln lassen muss, weil er seinem Freund, der sich mit einem inszenierten Blinddarmdurchbruch in letzter Sekunde zum Bleiben entscheidet, nicht ins Krankenhaus folgen will.

"I give him three weeks", orakelte Richmonds Football-Director Higgins vor drei Jahren, als Rebecca den Neuen der britischen Presse zum Fraß vorwarf. Es sind dann aber glücklicherweise doch drei sehr, sehr großartige Staffeln geworden. Oder um’s mit den Worten des Heimkehrers zu sagen: „Es war mir eine Ehre, euer Coach zu sein. Ihr werdet mir fehlen.“ Dito, Ted, dito.

Und damit: zurück nach Köln.

Alle Staffeln von "Ted Lasso" sind bei Apple TV+ abrufbar.