Sendungen im Fernsehen kommen und gehen, aber die allerwenigsten bleiben so lange, dass man gemeinsam mit ihnen reifen kann – sagen wir: wie ein guter Blauschimmelkäse in einer der größten Käsereien Europas. Oder wie's in der beliebten "Galileo"-Rubrik "Beachtliche Leistungen" gerade regelmäßig heißt, bevor sechsjährige Astronomen aus São Paulo, 80-jährige Grundschülerinnen aus Mumbai, elfjährige Opernsängerinnen aus Pennsylvania und 70-jährige Rettungsschwimmerinnen aus Philadelphia vorgestellt werden: "Alter ist nur eine Zahl."

Aber halt eine, die man auch entgegen der sonstigen Beteuerungen auch mal angemessen zelebrieren kann, zumindest wenn's um den eigenen Geburtstag geht: Am Donnerstag vor 25 Jahren flimmerte die allererste Ausgabe von "Galileo" über die Fernsehschirme in deutschen Wohnzimmern, damals noch kompakte 17 Minuten lang.

Und weil "das am längsten laufende tägliche Wissensmagazin im deutschen TV" immer noch da ist, schenkt ihm sein Heimatsender ProSieben Ende der Woche 25 mit Sonder- und Jubiläumsausgaben vollgestopfte Stunden: das "Galiläum".

Weniger abitur- als quizshowrelevant

In der Online abrufbaren Selbstgratulation, die bereits zum 15. Geburtstag 2013 gedreht wurde, freut sich Aiman Abdallah, "Galileo"-Mann der allerersten Stunde, gemeinsam mit seinem 2009 dazu gekommenen Co-Moderator Stefan Gödde über "Bilder, wie man sie um diese Uhrzeit noch nie gesehen hat", lässt Beiträge Revue passieren, in denen Protagonisten ihre erste SMS schreiben oder erklären, wie man Songs als mp3 aus dem Internet runterladen und sofort anhören kann und bilanzierte (damals noch ohne die dritte Galilistin im Bunde, Funda Vanroy): "Wissen versteckt sich wirklich überall."

Das gilt ein Jahrzehnt später natürlich noch genauso. Es kommt allenfalls ein bisschen darauf an, wie man Wissen definiert.

Als regelmäßige:r "Galileo"-Zuschauer:in erfährt man zweifellos einiges über die Welt, auch wenn das allermeiste davon weniger abitur- als potenziell quizshowteilnahmerelevant sein dürfte. Außer dem Anspruch, das Publikum ein kleines bisschen schlauer zu machen, ist die ProSieben-Vorabendinstanz mit ihrer Mischung aus Kuriositätenkabinett, Chemiebaukasten und Abenteuerurlaub schließlich in allererster Linie auch ein Versprechen, sich 50 Minuten nicht zu langweilen.

Wobei bei übermäßigem Genuss durchaus Gefahr besteht, das eigene Hirn in den dauerhaften Trivial-Pursuit-Modus zu schicken.

Die Gameshow, die Abendausgabe, das Gruselmagazin

In seinen Aufsagern zu den darauffolgenden Beiträgen wirkt "Galileo"-Stammhalter Abdallah seit jeher gleich gehetzt, als ob er noch ganz dringend zum Bus müsste, aber gleichzeitig den unbändigen Drang verspürte, den Zuschauer:innen eine Pocket-Variante des anschließenden Films zu liefern: ein Fakt, ein Vorteil, eine Frage – per Anmoderation durch die Galaxis!

"Es ist Lebkuchenzeit. 90.000 Tonnen Lebkuchen produzieren deutsche Hersteller jährlich. Schmeckt man den Unterschied?" Oder: "Über 34 Millionen Deutsche haben Schlafprobleme. Eine der Ursachen: das falsche Kissen. Aber wie soll man im Laden das richtige aussuchen?" Oder: "Hier: die beliebteste Nudelsorte der Deutschen, Spaghetti! Wissen Sie dass es einen Qualitätsunterschied zwischen hellen und gelben Nudeln gibt?" Gleich schon.

Im Laufe der Jahre hat das Format zahlreiche Abspaltungen und Reinkarnationen durchlaufen und überdauert: als Spielshow ("Galileo The Game"), Samstagabendunterhaltung ("Galileo Big Pictures"), Geschichts- und Gruselmagazin ("Galileo History" und "Galileo Mystery") sowie – jetzt zum 25. Jubiläum – Interaktivgewinnspiel ("Galileo Top Brain").

Seinen Wurzeln im Vorabendprogramm ist das bewegtbildgewordene "Yps"-Heft dabei aber immer treu geblieben – vermutlich weil "Galileo" die Quadratur des Kreises schafft, seinem Publikum verlässlich Alltägliches und Besonderes zugleich zu versprechen.

Über deutsche Produktionsstraßen

Nirgendwo sonst im deutschen Fernsehen herrscht auch nur annähernd eine vergleichbar hohe Förderband- und Haarnetzdichte, wenn Produktions- oder Betriebsleiter:innen deutscher und internationaler Betriebe dem Kamerateam demonstrieren, wie die von ihnen hergestellte Ware im heimischen Werk über gut geschmierte Produktionsstraßen läuft, damit das Publikum nachher weiß, wo sein Mittagessen herkommt. Kritische Nachfragen muss in diesen filmgewordenen Einladungen zur Unternehmensselbstdarstellung niemand befürchten, aber inzwischen legt die "Galileo"-Redaktion Wert darauf, sich nicht nur staunend durch die heiligen Hallen des Lebkuchen-Weltmarktführers und dem italienischen Pasta-Imperium führen zu lassen, sondern parallel dazu zu zeigen, wie dasselbe Lebensmittel in der kleinen, familiengeführten Manufaktur hergestellt wird (und schmeckt).

Automatisierung: ist toll, Handwerk: auch toll! Hier sorgen "genau abstimmte Rezepte und Abläufe" für das perfekte Lebensmittel, dort wird noch "mit Augenmaß und ohne Waage" produziert. Am Ende aber ist klar: "alle arbeiten mit Herzblut daran, den Kunden den besten Käse zu bieten", und "egal ob Masse oder Klasse – in jeder Spaghetto steckt viel italienische Leidenschaft".

Danke für den aufschlussreichen Besuch, können wir noch mal kurz die 80 Meter lange Backstraße sehen?

Alles voller Geheimnisse hier

Genauso tief wie "Galileo" seine Nase in wechselnde Produktionsabläufe hält, schnuppert die Sendung später in die weite Welt hinein, die "Galileo"-Reporter:innen stellvertretend für ihre Zuschauer:innen bereisen, etwa um geheimnisvolle Orte zu ergründen. "Welche ziemlich unchristlichen Geheimnisse hütet der heilige Kölner Dom? Warum muss das Wetter in Köln gut sein, damit in Florida ein Spaceshuttle starten kann? Und welches Geheimnis hütet dieses ganz besondere Gewölbe unter der Kölner Innenstadt? Vier Geheimnisse der Rheinmetropole" – aber zack, zack!

Gleich geht's ja noch nach Lomas del Mirador, "das mexikanische Tschernobyl", das sich dann aber dann doch als gänzlich radioaktivitätsfreie Geisterstadt mit 1000 leerstehenden Wohnungen entpuppt, die leider auf Sumpfgebiet gebaut wurden.

Regelmäßig ist "Galileo" den Wundern Asiens auf der Spur, feiert beim Riesenlaternenfest im japanischen Aomori mit, lässt sich von Einheimischen "ihr Hong Kong" zeigen: von der Schuhkartonwohnung über die Drachenfenster in den Hochhäusern bis zur mit 135 Höhenmetern höchsten Rolltreppe der Welt, und im weltweit größte Erdbeben-Simulationscenter in Kobe kräftig durchschütteln, während Abdallah ("Wie Japan seine Hochhäuser sicher macht und was der Rest der Welt dabei lernen kann: hier") längst im Bus sitzt.

"Galileo" ist zu allen freundlich

Mit ähnlich großer Begeisterung wandelt die Redaktion allenfalls auf den Spuren irrer Amerikaner:innen, über die es ja immer irgendwas zu berichten gibt: zum Beispiel aus Cassadega, der "Welthauptstadt der Wahrsager", in der "die meisten Hellseher [leben] – so viele wir nirgendwo sonst" (50); oder zu Besuch in New Jersey bei den Schrecks, der "echten Addams Family", mit Halloween-Deko im ganzen Haus, Kakerlaken-Terrarium und Gruseltattoostudio; oder im Residential Airpark in Arizona, wo jeder in der Nachbarschaft einen eigenen Flugzeughangar am Haus hat, 100 Dollar Spritkosten in Kauf nimmt, um sich einen Hamburger zu besorgen oder aus dem 7-Millionen-Dollar-Privatjet grüßt: "Wir fliegen nach L.A., unser Sohn hat einen Arzttermin."

Die "Galileo"-Königsdisziplin besteht in der Verschmelzung der zuvor genannten Hauptkategorien in einem einzigen Beitrag – also zum Beispiel, wenn ein Kamerateam nach Südafrika fliegt, um dort einer Familie bei der Zubereitung eines ortsüblichen Riesensandwichs mit Pommes, Mayo und frittierter Wurst – dem "Gatsby" – verwundert über die Schulter zu sehen. (Abdallah: "Jetzt müssen alle Fans von gesundem Essen ganz stark sein.")

Bei "Galileo" aufzutauchen, tut niemandem weh, denn "Galileo" ist zu allen freundlich und lässt sie am Ende – schon aus Dankbarkeit – auch gut aussehen.

Wenigstens ein bisschen giftig

Sobald die Phänomene dieser Welt ausreichen erkundet sind, bastelt sich "Galileo" selber welche und schickt Reporter:innen in Selbstexperimente, die ordentlich zischen oder krachen ("In jeder Getränkedose steckt ein Geheimnis, das kann man weder sehen noch schmecken"), oder lässt sie ihren eigenen Epoxyharzboden per Video-Tutorial machen, weil das wenigstens ein bisschen giftig ist.

Dir übrige Sendezeit ist noch klarer durchrubriziert: In "G-CHECKT" werden von Hobbyküchen zubereitete und eingeschweißt per Paket durch die Republik verschickte Lieferessen getestet – egal, ob dann einen ganzen Beitrag lang schamlos Werbung für die dahinter steckende App gemacht wird. In "G-KLÄRT" schildert die Redaktion aus aktuellem Anlass (und aus dem Effeff), warum in Europa jetzt wieder die Vulkane "brodeln"; Archivmaterial gibt's schließlich zur Genüge, außerdem ist eine "Galileo"-Reporterin ja schon mal in der Silfra-Spalte zwischen zwei Kontinentalplatten geschwommen – außerdem: "Wie Island den Vulkanismus für sich nutzt!"

Sollte "Joko und Klaas gegen ProSieben" oder "Germany's Next Topmodel" dann immer noch nicht losgehen, gibt's noch schnell ein "Snack Fact", aber anmoderiert im Abdallah-Style – soviel Zeit muss sein: "Sie sieht manchmal aus wie ein Gehirn und ihr wird nachgesagt, sie wäre besonders gut für unser Denkorgan – die Walnuss. Aber stimmt das auch?" Oder: "Das Frühstücksei gehört für viele zu einem gelungenen Start in den Tag. Aber zu viele Eier sollte man lieber nicht essen – hört man zumindest. Was ist da wirklich dran?"

Mit Bodycam und Schutzanzug

Dass im Laufe der vergangenen 25 Jahre ähnliche Fragestellungen aus unzähligen Perspektiven immer wieder aufs Neue beantwortet und schon lange sämtliche zur Verfügung stehenden Wasserrutschen dieser Erde durchgetestet wurden – geschenkt. "Galileo" ist und bleibt schließlich auch wegen seiner Erzählrituale eine Besonderheit: Reporter:innen, die sich mitten ins Geschehen begeben, tragen entweder Bodycam zur späteren Perspektivanreicherung, gleich Schutzweste – oder beides.

Vor allem aber wird selten im Fernsehen, auch nicht im öffentlich-rechtlichen, werktäglich ein neues Thema mit einer solchen Ausgeruhtheit erzählt wie vorabends bei ProSieben. Viele "Galileo"-Beiträge sind mehrere Minuten, teilweise gleich eine Viertelstunde lang; sie lassen mehrere Protagonist:innen zu Wort kommen und erlauben es so tatsächlich, sich als Zuschauer:in ein umfassendes Bild zu machen – manchmal aber halt auch mit der Erkenntnis, nach der Hälfte der Zeit schon alles gehört zu haben, was man zu dem Thema wissen wollte.

In diesem Sinne – auf die nächsten 25 Jahre "Galileo", in denen sich weiter alles um die drei wichtigsten Fragen auf diesem Planeten dreht: Was ist da los? Welches Geheimnis steckt dahinter? Und: Schmeckt man den Unterschied?

Und damit: zurück nach Köln.

ProSieben feiert das "Galiläum" am Freitag ab 19.05 Uhr u.a. mit "Galileo", "25 Pictures – Die größten Bilder aus 25 Jahren Galileo", "Galileo True Crime", "Galileo Classics”, "Galileo Kids”, "Galileo Mission Wissen Weltweit" sowie "Galileo Top Brain”, das dann abschließend am Samstag ab 19.05 Uhr läuft.