Raider, Horten, Twitter, Tele 5 – in regelmäßigen Abständen verschwinden selbst bekannte Marken aus unserer Welt, weil sie nicht mehr zeitgemäß sind, vom neuen Besitzer nicht gemocht, ersetzt oder direkt eingemottet werden. Das ist der Lauf der Dinge, und … Moment, ich erhalte gerade einen Hinweis aus der Redaktion: Tele 5 gibt es noch. Sicher? Okay, dann sind wir halt pingelig. Aber wie lange kann das bitteschön noch dauern?

Sie verstehen schon, was ich meine: Nichts ist für die Ewigkeit, weder in der Konsumgesellschaft noch in der TV-Branche. Aber manchmal stellt sich so ein Marken-Aus im Nachhinein als großer Irrtum heraus.

Zum Beispiel – Überraschung: in Sachen GEZ.

Sorgsam gepflegtes Negativ-Image

Vor fast exakt elf Jahren wurde die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland vom damaligen Gebühren- auf das neue Beitragsmodell umgestellt (verkürzt zusammengefasst: Jeder Haushalt muss unabhängig von der Nutzung eines Endgeräts zahlen). Und bei den Rundfunkanstalten konnte man sich der ungeliebten Gebühreneinzugszentrale – GEZ – entledigen, um aus ihr den neuen "ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice" hervorgehen zu lassen.

Das sei eine Chance, um "weg von der Kontrolle hin zu mehr Transparenz und Service für die Bürgerinnen und Bürger" zu kommen, hieß es damals aus den Gremien.

Zumal die GEZ sich über Jahrzehnte ein wenig angenehmes Image als Schnüffelorganisation aufgebaut hatte, die unsympathische Kontrolleur:innen ausschwärmen ließ, um sogenannte Schwarzseher:innen zu enttarnen und zur monetären Rechenschaft zu ziehen.

Jahrelang beförderte die GEZ dieses Image höchstselbst, selbst als man es in TV-Spots ironisch zu brechen versuchte: Einmal lachte ein lädierter Gebühreneintreiber höhnisch: "Am Schluss haben sie alle gezahlt"; ein andermal drohte es siegessicher aus dem Off: "Wir finden alle schwarzen Schafe." Oder: "Irgendwann kommt jeder nachhause." Die Botschaft war: Wir finden dich.

An der breiten Öffentlichkeit vorbeigegangen

Der zwischenzeitliche Versuch, mit einer Klugscheißer-Uschi ans Gewissen der Zahlungsverpflichteten zu appellieren ("Wenn ich morgens Brötchen hole, dann bezahl ich die auch"), war absurd. Die anfängliche künstliche Verknappung der Anmeldemöglichkeit nicht minder ("Formulare gibt's nur bei Banken und Sparkassen" – ja, wieso denn bloß?). Trotzdem war die Umbenennung im Nachhinein betrachtet nicht nur ein Irrtum, sondern ein riesengroßer Fehler. Und zwar aus mehreren Gründen.

Zum einen haben die gemeinsam agierenden Rundfunkanstalten schlicht und einfach versäumt, den GEZ-Nachfolger zeitgemäß zu rebranden. Über ein Jahrzehnt nach seinem Start versprüht der Beitragsservice immer noch das biedere Behördenambiente, das dem Vorgänger nachgesagt wurde: Die Website ist scheiße und leistet sich nichtmal ein Navigationsmenü; die Ansprache der Nutzer:innen liest sich wie aus dem vorletzten Jahrhundert; und als Ziel für die nähere Zukunft hat man sich in Köln gesetzt, "Online-Services und -Angebote unter strikter Beachtung des Datenschutzes aus[zu]bauen". Herrje!

Und damit sind wir auch schon beim zweiten Punkt: Die Umbenennung von einer gefürchtet-gehassten in eine etwas freundlicher auftretende Geldeinzugsinstitution ist an der breiten Öffentlichkeit quasi spurlos vorbeigegangen. Halten Sie auf dem Nachhauseweg mal jemanden auf der Straße an und fragen Sie, ob sie bzw. er weiß, wie der GEZ-Nachfolger jetzt heißt. Jede Wette, die allermeisten werden sagen: "Wieso Nachfolger?"

Von Gegner:innen gekaperter Kampfbegriff

Niemand kennt den Beitragsservice – aber alle wissen (noch), was die GEZ ist. So wie Menschen weiterhin darauf bestehen, mit "EC-Karte" zu zahlen, obwohl die Banken ihnen schon seit Jahren einzubimsen versuchen, dass es eigentlich "Girocard" heißt.

Dieses Markenpositionierungsversagen hat drastische Folgen: Und zwar, weil die erklärten Gegner:innen des öffentlich-rechtlichen Systems die Gunst der Stunde genutzt haben, die GEZ endgültig für sich und ihre Zwecke zu kapern – wie ein freigewordenes X-Handle, unter dem nachher nur noch Spam rausgeschmissen wird. So fordern Vertreter:innen der AfD regelmäßig: "GEZ muss weg!" Sie haben die Abkürzung zum Kampfbegriff gemacht, der nicht nur zur "Abrechnung" mit dem vermeintlichen "Staatsfunk", der den Leuten das Geld aus der Tasche zieht, gebraucht wird. Sie verwenden ihn auch synonym für das ganze, in ihren Augen fehlgeleitete System, in dem angebliche "GEZ-Journalisten" meinungsgeleitet berichten.

Alles daran ist falsch, aber das hindert selbst etablierte Parteien nicht daran, auf diesen Zug aufzuspringen.

In der stets aktuellen Debatte darüber, ob die Rundfunkbeiträge demnächst erhöht werden müssen, haben zuletzt mehrere ostdeutsche Bundesländer erklärt, eine möglichen Entscheidung der KEF nicht zustimmen zu wollen. (Was rechtswidrig wäre.) Im Dezember schloss sich Bayern an, als der CSU-Vorsitzende Markus Söder auf der Plattform X wörtlich postete: "Wir sagen Nein zu höheren #GEZ-Gebühren." Mit Hashtag.

Eine zeitgemäße, liebenswürdige, freundliche Hülle

Söder weiß natürlich, dass das Quatsch ist. Aber er weiß auch, dass sich damit potenziell kritisch gegenüber ARD und ZDF eingestellten Wähler:innen signalisieren lässt, dass er auf ihrer Seite steht, ihre Sprache spricht und alles dagegen unternehmen wird, vermeintlich ausufernden Forderungen den Riegel vorzuschieben. (Mal sehen, wie weit er dafür zu gehen bereit ist.)

Das ist dumm und gefährlich. Aber es ist auch erst durch die schlampige Positionierung des Beitragsservices möglich geworden.

Wenn die GEZ aber auch mehr als zehn Jahre nach ihrem Ableben weder aus dem kollektiven öffentlichen Bewusstsein noch aus der Debatte über die Höhe des Rundfunkbeitrags verschwunden ist, gibt es eigentlich nur eine mögliche Konsequenz: ARD, ZDF und Deutschlandradio müssen sich die Deutungshoheit über die ungeliebte Institution von ihren schärfsten Gegner:innen zurückerobern. Eigentlich ist es doch ganz einfach: Holt die GEZ zurück! Und ladet den Namen so konsequent modern und positiv auf, dass die Beitragszahlenden gar nicht mehr anders können als sie zu lieben!

Okay, mit der Liebe wird es vielleicht etwas schwierig.

Aber wahrscheinlich würde es schon reichen, dem ganzen öden Einzugs- und Verwaltungsapparat zumindest eine Hülle überzustülpen, die zeitgemäßer, liebenswürdiger und freundlicher wirkt als alles bisher Dagewesene.

Startschuss für die Neue GEZ!

Die dafür notwendigen Mittel sind bekannt, weil sie weltweit zur Markenpositionierung eingesetzt werden. Und das Allerbeste ist: Um Bekanntheit und eine nachhaltige Bindung der Kund:innen an die Marke müssen sich die Anstalten nicht mal mehr kümmern, das ist längst erledigt. Im Idealfall holt die Neue GEZ sogar ihr altes, giftgrünes Logo mit den kantigen Versalien zurück, dessen Erkennungswert unerreicht sein dürfte. Umso härter muss allerdings an den Kriterien gearbeitet werden, die bislang sträflichst vernachlässigt wurden: eine positive Wahrnehmung, ein unmissverständlich konkret formuliertes Nutzungsversprechen und eine weltzugewandt unbehördliche Kommunikation, gekoppelt mit Maßnahmen zur Nutzer:innenbindung, die in der freien Wirtschaft längst üblich sind.

Die Neue GEZ besteht nicht mehr aus an Haustüren klingelnden Geldwegnehm-Orks oder öden Formularausfüll-Bürokratos, sondern aus gut gelaunten Programm-Ermöglicher:innen! Wir alle sind die Neue GEZ: "Tatort"-Freund:innen, "heute show"-Unterstützer:innen, "Aspekte"-Aficionados und "Wer weiß denn sowas"-Förderbeauftragte. Genau so reden wir auch miteinander:

In unserem jährlichen Check mit den Einwohnermeldeämtern haben wir festgestellt, dass auch Ihr Haushalt zu unserer Community gehört, die schon 45,96 Millionen Konten umfasst – herzlich willkommen! Wir freuen uns, wenn Sie GEZ-Gernezahler:in werden. Sektchen dazu?

Oder: Jetzt schon unbegrenzt fernsehen und streamen, aber erst zur Mitte des Quartals bezahlen!

Oder: Danke, dass Sie sich anmelden! Danke für die Übermittlung Ihres SEPA-Lastschriftmandats! Vielen Dank, dass Sie da sind!

Auch mal was zurückgeben

Besonders treu ihren Beitrag überweisenden Kund:innen hält die Neue GEZ nicht mehr für selbstverständlich, sondern gibt ihnen etwas zurück. Bei begründeten Programmbeschwerden, die mit der intuitiv zu bedienenden Neuen GEZ-App direkt an die zuständigen Kontrollgremien der Sender übermittelt werden können und dort auf Zustimmung stoßen, erhalten Beitragszahlende bis zu drei Monatsbeiträge pro Jahr zurückerstattet.

Und lückenlos zahlende Community-Mitglieder nehmen automatisch an einer Verlosung von Gewinnen teil, die Programmmacher:innen und Zuschauer:innen enger zusammenschweißen: die Chance, sich von ZDF-Derwisch Sebastian Lege im "Besseresser"-Studio ein Lebensmittel nach Wahl dekonstruieren und neu panschen zu lassen; die Verantwortung für einen kompletten Tag Programmplanung bei One; die einwöchige Krawattenauswahl für "Tagesschau"-Moderatoren; eine eigene "Empfohlen von GEZ-Gernezahler:in X"-Rubrik in den Mediatheken von ARD und ZDF.

Sie finden das vielleicht albern. Ich finde: Alles ist besser als die GEZ weiter als Kampfbegriff von Systemgegner:innen und Populismusverbreiter:innen missbrauchen zu lassen.

Und damit: zurück nach Köln.