Ja, der WDR will jetzt auch jung sein. Nicht mehr nur jene Zuschauer bedienen, die gerade die nahende Rente ausrechnen, sondern ran an die Jugend, also an Menschen unter 60. Auch ohne eigenen Kanal. Fernsehdirektor Jörg Schönenborn hat die Devise ausgegeben, dass der WDR sich sogar um die richtig jungen Menschen und um Rundumverbreitung kümmern müsse. Im Sender heißt das 360-Grad-Verbreitung, was ein bisschen klingt, als habe ein Amtsschimmel mal wieder Wortdurchfall gehabt. Nun heißt das neue Angebot „3sechzich“ und ist auf YouTube, Twitter, Facebook und Instagram zu haben und zu kommentieren.

Da wuseln dann drei Ansager namens Tim, Freddie und M3lly herum und tun so als teilten sie ihre ganz frischen Gedanken und ganz wichtige neue News mit den Usern. Zwischen 14 Sekunden und drei Minuten 46 dauern die Clips, je nach Ausspielkanal, wobei die meisten kurzen zu kurz geraten und die langen viel zu lang. Es geht um Auschwitz, es geht um Facebook, es geht um Griechenland und um Kölner Karnevalswagen. Und um die Frage, was das alles soll.

Nein, man wolle nicht LeFloid Konkurrenz machen, sagt die vom Radio 1Live bekannte Freddie. Sie liest kritische Kommentare vor und formuliert das Glaubensbekenntnis der ganzen Aktion kurz und knackig: „Warum wir hier sind? Weil ihr hier seid. Für euch interessant zu sein, das ist unser Job.“

Dann folgt ein bisschen von der im Redaktionsetat offensichtlich reichlich vorrätigen Selbstironie und natürlich ein Rechtfertigungsteil in Sachen Rundfunkbeitrag. „Das ist ein bisschen wie im Club zum Beispiel“, sagt Freddie: „Du hast einen Mindestverzehr von 20 Euro, und da bist du auch froh. Wenn es nicht nur O-Saft gibt, wenn du ein bisschen Auswahl hast.“ Bevor man sich fragt, welches Getränk denn diesem Angebot wohl entspräche, Soja-Latte oder Mate-Tee, legt sie quasi die Hausregel fest. „‘3sechzich‘ ist dann jetzt eben mal neu auf der Karte.“

Zu Deutsch: Für irgendwas müssen wir die an anderen Stellen eingesparte WDR-Kohle nun mal raushauen. Warum nicht für solch einen schwer hip klingenden Versuch, auch mal woanders als im schnarchigen WDR-Dritten für Furore zu sorgen?

Man tritt den Machern dieser Aktion sicherlich nicht zu nahe, wenn man ihnen zuruft: „Ihr übt noch, gell?“ Ja, sie üben noch. Sie üben nachmachen. Sie haben was gesehen bei LeFloid oder Joyce Ilg, und jetzt wollen sie auch ein bisschen so sein. Auch wenn sie die Imitation als Motiv offiziell weit von sich weisen, kann jeder, der Augen hat, sehen, was da läuft.

Es ist ja nicht schlimm, wenn man sich an positiven Beispielen erbaut, wenn man Vorbildern nacheifert. So haben wir sprechen und laufen gelernt. Wir sind alles kleine Nachmacher. Wichtig ist halt nur, dass man seine Fähigkeiten irgendwann von den Vorbildern emanzipiert, wenn man lernt, auf eigene Art zu laufen und zu sprechen. Da aber hapert es bei „3sechzich“ nach knapp zwei Wochen im Netz noch sehr.

Es müsste mal jemand kommen und den Moderatoren den öffentlich-rechtlichen Stock aus dem Arsch ziehen. Nur so, damit sie mal so locker werden wie sie ständig behaupten, dass sie sind, damit ihnen mal irgendwer glaubt, dass sie etwas wollen. Wenn derzeit jemand bei „3sechzich“ „mal richtig ausrasten“, sagt, dann stinkt das heftig nach Lüge, weil man diesen Figuren das Ausrasten schlichtweg nicht zutraut. Aus all ihren Poren transpirieren sie den öffentlich-rechtlichen Wunsch, jung wirken zu wollen.

Zu spüren ist zudem, dass ihr innerer Antrieb vor allem der ist, einen Job beim WDR zu haben und den zu behalten. Die Lust, die freie YouTuber antreibt und erfolgreich macht, ist ihnen fremd. Ganz offensichtlich glauben diese WDR-Menschen nicht an das, was sie da machen. Und wenn sie doch dran glauben, dann sind sie ziemlich gut im Verheimlichen ihres Bekenntnisses.

Sie agieren offiziell, um den Zuschauern zu gefallen, allerdings verheddern sie sich immer wieder im übermächtigen Drang, vor allem den Kollegen im Haus zu gefallen. Das beginnt schon mit dem Namen. „3sechzich“ mag in seiner Ironisierung einer bürokratischen Maßnahmeanweisung im WDR schwer lustig gefunden werden. Dem Publikum draußen sagt so ein Begriff gar nichts. Seine Wahl belegt nur, worum es wirklich geht. Reicht doch, wenn Fernsehdirektor und noch ein paar leitende Angestellte und ein paar schlafmützige Rundfunkräte das jung finden. Reicht doch.

Reicht nicht. Da muss mehr her, da müssen Überzeugungstäter ran, die so etwas nicht nur als Stufe auf der hausinternen Karriereleiter ansehen, da müssen welche ran, die einen echten Mitteilungsdrang haben. Dann würden den Usern auch unsinnige Ausdünstungen wie etwa der 14-sekündige Instagram-Clip über den Mediakraft-Knatsch erspart. „Gekracht. Nach LeFloid und Unge. Mediakraft-Mitgründer Christoph Krachten verlässt das MCN“, heißt es da zu ein paar aus dem Archiv geklaubten Bildern. Das ist auf modern getrimmt genau der Sprech, mit dem sonst bei der Regional-Oma-Sendung „Aktuelle Stunde“ die Themen angeteasert werden. Nur mit dem Unterschied, dass bei der „Aktuellen Stunde“ noch ein Beitrag folgt.

Und dann diese gruselige Radio-Ranschmeiße, bei der sich Moderatoren gerne mal mit „Ey, Leute“ ans Publikum ranwanzen. Aber um den Inhalt scheint es ohnehin nicht zu gehen. Schließlich hat der Fernsehdirektor die Devise ausgegeben, dass es ihm ziemlich wurscht ist, wo WDR-Sachen zu sehen sind, man müsse nur erkennen, dass sie vom WDR kommen. In der Hinsicht ist das Experiment gelungen. In manchen Instagram-Clips bleibt als wesentliche Information hängen, dass sie vom WDR kommt. Der WDR wird aber nicht jünger, weil man eine Behördenhaltung nun rundum in die Lande schleudert. Also bitte: Stock raus und weiter üben!