Ich lese ja keine Bücher mehr. Da steht doch eh nur noch Mist drin. Das braucht kein Mensch. Ich leihe mir höchstens ab und zu noch mal ein Buch von einem Freund, wenn der sagt, dass es ganz toll ist. Ansonsten halte ich mich da komplett raus. Ich will mit all diesem Müll aus den Bibliotheken nichts mehr zu tun haben. Ich habe auch keine Zeit mehr für sowas. Wer braucht schon Bücher? Ich lese nur noch, was bei Facebook und Twitter steht.

Wer das gerade gelesen und dann mit dem Kopf geschüttelt hat, der hat vor allem eines – recht. Es ist kompletter Blödsinn, freiwillig einen Kommunikationskanal zu verstopfen, sich auszuschließen von Informationen, im besten Fall von Bildung. Wer keine Bücher mehr liest, ist raus aus der Gemeinschaft der Anspruchsvollen. So viel Konsens darf angenommen werden.

Komischerweise sieht es ganz anders aus, wenn wir das Medium wechseln. Wenn wir nicht sagen, dass wir keine Bücher mehr lesen, weil da so viel Müll drin steht, sondern kackdreist behaupten, wir sähen ja nicht mehr fern, weil da ja eh nur Mist komme.

Es laufen dieser Tage nicht wenige Gestalten durch die Gegend, die es offenbar als Distinktionsgewinn betrachten, wenn sie sich vom Fernsehen distanzieren. Erstaunlicherweise gehören dazu viele Menschen, die just für das Medium arbeiten, das sie in der Tiefe ihres Herzens verachten und dies auch gerne lauthals kundtun. Fernsehen ist nach ihrer Meinung iiih, bah, pfui, und wer kein Fernsehen mehr schaut oder das wenigstens behauptet, ist etwas Besseres.

Ich stimme dem nicht zu. Wer das behauptet, ist nichts Besseres, er ist einfach nur etwas beschränkt. Worin liegt der Vorteil, sich mit dieser Verweigerung zu brüsten, wenn nicht in dem Versuch, sein persönliches Bessersein herausstellen zu wollen?

Käme irgendwer auf die Idee, den Kauf seiner Lieblingszeitung einzustellen, nur weil es am Kiosk auch die Bunte und die Bild gibt? Sicherlich nicht. Man hört kaum je den Spruch, dass jemand keine Presseerzeugnisse mehr erwirbt. Es bringt in Gesprächen ganz offenbar keine Höherstellung des Verweigerers. Aber von „ich schaue nicht mehr fern“ erhoffen sich etliche Anerkennung.

Um es mal klar zu sagen: Ich habe nichts gegen Menschen, die ihren Fernsehkonsum auf Null setzen oder auf das Nötigste beschränken. Aus welchen Gründen auch immer. Man kann das problemlos lassen oder sucht sich das heraus, was man für gut erachtet. Den Rest lässt man halt liegen. Man ist nicht gezwungen, RTL II zu schauen. Niemand muss das tun. Wenn man über einen Intelligenzquotienten oberhalb von Kartoffelsalat verfügt, kann man seinen Fernseher so programmieren, dass man nur noch zu sehen bekommt, was man mag, was man braucht.

Dieses affige „ich schaue nicht mehr fern“ ist in der Regel nur etwas für Pauschalierer, die Abgrenzung brauchen, um sich ihrer eigenen Bedeutung zu versichern. Wer sich der eigenen Bedeutung indes permanent versichern muss, dem mangelt es vor allem an einem, an Bedeutung.

In Wahrheit sind die Fernsehverweigerer übrigens oft gar keine richtigen Fernsehverweigerer. Jedenfalls keine richtigen. Bohrt man ein wenig nach, geben sie zu, dass sie gerne mal mit Freunden „Tatort“ gucken. Oder Fußball. Und ab und zu „Die Anstalt“. Aber nur online oder in der Kneipe. 

Das kann man gerne so machen, selbst wenn so mancher „Tatort“ oder so manches Fußballspiel den kulturellen Wert eines Oktoberfestbesuchs kaum übersteigt. Man sollte sich halt nur nicht mit der eigenen Ignoranz brüsten.

Sollte trotzdem irgendwer mir gegenüber nochmal stolz behaupten wollen, er schaue nicht mehr fern, dann soll er bitteschön einen Schrubber und Essigreiniger bereithalten. Ich werde ihm nämlich nach der Behauptung „ich schaue nicht mehr fern“ einen dicken Strahl auf die Auslegeware kotzen. Das kann er dann wegputzen. Zeit genug wird er haben. Er schaut ja nicht mehr fern.