Ich habe in der vergangenen Woche mal was richtig Verrücktes getan. Ich habe mir die großen Talkshows von ARD und ZDF reingezogen. Alle vier. Ich wollte vor der jetzt anstehenden, fast talkshowlosen Woche eigentlich nur mal wissen, wie sich das anfühlt, wenn man die Informationen, die ich als treuer Tageszeitungsleser aus zwei bis drei Seiten sauge, auf viereinhalb Stunden Sendezeit streckt und hinter allerlei Palaver versteckt. Um es kurz zu sagen: Es war weitgehend wie erwartet. Der Gewinn an inhaltlicher Erkenntnis bewegte sich im Nanobereich.

Allerdings habe ich etwas anderes gelernt. Ich habe gelernt, dass deutsche Talkshows Probleme mit Frauen haben. Oder besser gesagt: mit fehlenden Frauen.

In vier Shows saßen auf 19 Bescheidwisserplätzen gerade mal vier Frauen. Übrigens in der Woche, in die auch der „Girls Day“ fiel. Das ist eine verflucht schlechte Quote, und ein Blick in die jüngste Historie erzählte mir, dass es ähnlich mager besetzte Wochen öfter mal gibt. Männerüberschuss ist fast immer. Gleichstand der Geschlechter schon was Besonderes. Außer im Dezember. Da habe ich im Archiv eine Anne-Will-Ausgabe gefunden mit drei Frauen und nur zwei Männern. Sensationell!

Noch besser war es nur am 28. Februar, als Anne Will ausnahmsweise mal auf eine 100prozentige Frauenquote kam. Wie konnte das passieren? Nun ja, sie hatte nur einen Gast: Angela Merkel.

Bei meiner Geburt war mit der Frauenquote noch alles in Ordnung. 50 Prozent meiner Eltern erwiesen sich als weiblich, der Rest war männlich. Das drehte sich rasch, und irgendwann kapierte ich, dass Männer eben an den Reglern sitzen. War halt eine doofe Zeit damals. Aber dann kam die Frauenbewegung und mit ihr wurde so manches maskuline Hirn durchlüftet. Quote war plötzlich gut.

Leider ist das weder in Dax-Vorständen noch in Deutschlands Talkshowredaktionen angekommen. Da gelten Frauen offenbar als scheue Rehe, die sich irgendwie nicht einfangen lassen wollen.

Ich unterstelle den dort arbeitenden Menschen ja nicht einmal bösen Willen. Es mag mancherlei Gründe für die mangelnde Präsenz von Frauen auf Talkshowsesseln geben. Vielleicht sind sie einfach zu intelligent für diese Art von öffentlichem Hähnchenkampf. Vielleicht wissen sie aber auch einfach nur, dass sie, selbst wenn sie eingeladen werden, keine Chance haben gegen die maskuline Übermacht.

Sehr schön war das zu bewundern bei Anne Will und „Hart aber fair“. Da saß jeweils eine Frau. Die bei Anne Will kam sechs Minuten und 17 Sekunden zu Wort. Bei einer guten Stunde Sendezeit. Das ist gerade mal ein Zehntel der zur Verfügung stehenden Zeit. Selbst wenn man Einspieler und dusselige Tagesthemen-Übergaben abzieht, wird die Quote kaum beeindruckender.

Noch härter traf es am Montag die Frau bei Plasberg. Die kam bei 75 Minuten Sendezeit exakt vier Minuten und 31 Sekunden zu Wort. Zieht man mal eine halbe Stunde für Moderation und Einspielfilme und das Interview mit einer Betroffenen ab, bleiben 45 Minuten Sendezeit. Teilt man die auf fünf Gäste auf, kommt man auf neun Minuten, die eigentlich jedem Gast zustanden. Man kann sich also ausrechnen, was die Platzhirsche von SPD und CDU und die üblichen Sozialheinis so zusätzlich weggequatscht haben.

Natürlich gibt es nicht nur die Frauen auf den Auskennerplätzen am Panel. Es kommen auch andere zu Wort. In dieser Woche waren das aber vorwiegend vom Thema Betroffene, also quasi Randfiguren, die zudem noch gerne als Schnittbildfutter herhalten mussten.

Selbst als am Mittwoch bei Maischberger Beatrix von Storch im Angesicht von vier Männern das eisige Gesicht der AfD gab, blieb sie in ihrer Redezeit unter dem Schnitt der sie umgebenden Platzhirsche.

Da musste zum Ausgleich dann schon am Donnerstag eine Alphafrau wie Sahra Wagenknecht kommen, die weiß, wie man ohne Punkt und Komma und Luftholen so redet, dass niemand dazwischen grätschen kann. Auf über zwölf Minuten Redezeit kam sie bei Maybrit Illner und belegte damit sicherlich den höchsten Anteil der Sendezeit.

„Diese Stoppuhrspielchen lassen wir jetzt einmal“, hatte Frank Plasberg am Montag angeordnet und damit seine Gäste ermahnt, die sich um Redeanteile stritten. Ja, ich weiß, es ist albern, mit der Stoppuhr da zu sitzen und zu schauen, wer wie lange die Luft in Wallung bringt.

Ich bin aber trotzdem froh, es getan zu haben, weil ich finde, dass es ein ziemlich eklatantes Missverhältnis offenbart. Rechne ich mal die Zeiten der eingeladenen Panel-Frauen großzügig zusammen, komme ich auf etwas mehr als eine halbe Stunde Redezeit bei viereinhalb Stunden Gesamtsendezeit. Ich bin der Meinung, dass das gemeinsam mit dem Verhältnis von 15 Männern zu vier Frauen eine höchst blamable Bilanz ergibt.

Zumindest weiß ich nun, warum so viele Frauen Talkshows moderieren. Damit soll natürlich kompensiert, dass in der Mehrzahl Männer eingeladen werden, dass die weibliche Welt ansonsten Fremdkörper oder Exot in den Stuhlkreisen bleibt.

Ich finde, diese offensichtliche Diskriminierung von Frauen gehört schleunigst abgeschafft. Ich verlange jetzt einfach mal, dass künftig genauso viele Frauen in die Talkshows eingeladen werden wie Männer. Zudem steht ihnen genauso viel Wortanteil zu wie den Platzhirschen. Und wer jetzt sagt: Das geht doch nicht, der sollte einfach mal überlegen, ob er den richtigen Job hat.