Die ARD ist mal wieder schwer begeistert von sich. So meldete sie Anfang des Monats, dass sich seit November bereits 321 000 Menschen die App zur ARD-Audiothek heruntergeladen hätten und bewertete diese Bilanz mit „weiter auf der Erfolgsspur“. Man habe das eigentlich für diesen Zeitraum angepeilte Ziel von 50 000 Downloads um ein Vielfaches überboten. Von „begeistert angenommen“ wird da fabuliert und jubilierend vermeldet, dass die durchschnittliche Verweildauer der Nutzer bei 16 Minuten liege und dass 5,7 Millionen Audios abgerufen worden seien.

Das können sie gut bei der ARD, besoffen von sich selbst sein. „Die App bietet ein originär öffentlich-rechtliches Wortangebot, das in Vielfalt und Qualität seinesgleichen sucht", sagte Martin Wagner, der Vorsitzende der ARD-Hörfunkkommission. Und dann war da noch die Rede davon, dass täglich neue Dokumentationen, Hörspiele, Interviews, Comedys, ARD Radio Tatorte und ARD Radiofeatures dazukämen und dass in der App 643 ARD-Sendereihen enthalten seien.

Das kann man alles gerne so sehen, nur gibt es da noch den Umstand, dass sich diese Euphorie partout nicht auf mich ewigen Nörgler übertragen mag. Das hat nichts damit zu tun, dass es rund um die App in den ersten Tagen im November technische Probleme gab und die einfache Nutzung eine eher schwere war. Das hatte man rasch behoben, aber ein perfekter Markteinstieg sieht nun mal anders aus. Wie man sich daraus ein „weiter auf der Erfolgsspur“ zimmern kann, ist mir schleierhaft, weil man ja schon mal auf der Erfolgsspur gewesen sein muss, um seinen Weg dort weiter fortsetzen zu können. Aber geschenkt. Gönnen wir ihnen den Rausch.

Oder nicht. Ich persönlich finde nämlich die Zahl der Abrufe eher bescheiden. Wenn nämlich von 321 000 Menschen in drei Monaten nur 5,7 Millionen Abrufe getätigt wurden, dann kommen auf jeden Downloader knapp 18 Abrufe – in gut 90 Tagen. Unterstellt man maximal einen Abruf pro Tag, dann bleibt in der Rückrechnung die App an 72 Tagen ungenutzt. Weiter auf der Erfolgsspur?

Vielleicht habe ich mich aber auch einfach nur verrechnet, und meine Vorwürfe fallen in sich zusammen. Das wäre peinlich für mich, aber letztlich wurscht, weil es mir im Kern um etwas anderes geht, nämlich darum, wie man diese App nutzen kann. Die Antwort lautet: nur unter Schmerzen.

Sie ist nämlich, den Video-Mediatheken sehr ähnlich, äußerst umständlich in der Menüführung. Eine klare Menüführung wäre aber vonnöten, wenn man 643 ARD-Sendereihen darstellen und auffindbar machen will. Da ergibt sich das wenigste intuitiv. Das meiste muss ich über die „Suchen“-Funktion aufspüren. Und oft werde ich nicht einmal fündig.

Ich lade mir zum Beispiel gerne die „Unterhaltung am Wochenende“ von der WDR 5-Webseite herunter und höre sie dann beim Autofahren. Da es sich um ein Wortprogramm handelt, gebe ich „Unterhaltung am Wochenende“ in die Suchspalte ein und finde einen einzigen Beitrag, vom Dezember. Sonst nichts. Die Logik, dass man über die App nicht kriegt, was die Webseite vorhält, erschließt sich mir nicht.

Ja, dann gehst du halt auf die Webseite, du Trottel. Ja, den Einwand habe ich mir auch schon auf die Füße gekotzt. Aber ich finde, er zählt nicht, denn wofür habe ich eine Wort-App, wenn ich das Wort dort nicht finde, sondern erst einmal die normale Netzpräsenz aufsuchen muss. Von der dort herrschenden Unordnung mal ganz abgesehen.

Dann könnte es ja noch den Fall geben, dass ich einen Sender mal eben auch live hören möchte. Geht aber nicht. Da muss ich wieder auf die Webseite wechseln. „Die ARD konzentriert sich in der ARD Audiothek mit einem spitz aufgestellten Produkt auf die optimale Präsentation hochwertiger Wortradioinhalte auf Abruf. Die App ist gerade für den Anwendungsfall ‚nicht lineares Hören‘ entwickelt worden“, teilt mir dazu ein ARD-Sprecher mit.

Der verweist mich, als ich frage, warum es die App nicht auch für den PC gibt, an die Seite radio.ARD.de. Ich lande in der ARD-Radio-Mediathek. Ansprechende Menüführung? Auch dort Fehlanzeige. Und von meiner „Unterhaltung am Wochenende“ weit und breit nichts zu entdecken. Man hätte es ahnen können.

Das Ganze erinnert mich ein bisschen an Konzernberichte, die ein paar hundert Seiten dick sind und Transparenz vorgaukeln, sie aber erschweren, weil niemand es schafft, das Konvolut durchzuarbeiten und bis zur schöngefärbten Meldung mit den drohenden oder bestehenden Defiziten durchzudringen. Da kann man als Geschäftsführer hinterher immer fein sagen: Hier steht es doch schwarz auf weiß.

Ein schönes Beispiel für lieblosen Umgang mit den eigenen Produkten ist auch die Präsentation der einzelnen Beiträge. Da stoße ich etwa beim Suchen in der Rubrik „Meinung & Kommentar“ auf „Die blaue Stunde“ von radio eins. Ich weiß natürlich, dass das der formidable Podcast von Serdar Somuncu ist, aber auf der Übersicht steht davon nichts. Der Moderator wird erst genannt, wenn man auf das Angebot klickt und sich den weiterführenden Text anschaut. Könnte man möglicherweise besser machen.

Kurzum: Ich nutze die ARD-Audiothek kaum noch. Zu unhandlich, zu verwirrend und dann noch unvollständig. Interessant wird es höchstens, wenn man sich mal durch die Comedy-Rubrik klickt und dort erlebt, mit wie wenig sich die Menschen in verschiedenen Radioregionen so belustigen lassen. Es ist in großen Teilen erbärmlich.

Nun würde ich ja gar nicht so große Ansprüche formulieren, wüsste ich nicht, dass es besser geht. Ich habe mir nämlich auch die App des Deutschlandradios runtergeladen, und die funktioniert im Vergleich zur ARD-Audiothek hervorragend. Klare Menüführung, schneller Wechsel zwischen den Live-Programmen der drei Sender und gute Auffindbarkeit von Gespeichertem. Diese App nutze ich gerne und oft. Sie ist handlich und selbst für einen Bedienungsanleitungsverweigerer wie mich kapierbar. So geht Radio als App.