Als Donald Trump kürzlich bei einer Pressekonferenz einen CNN-Reporter beleidigte, weil dieser noch eine Nachfrage hatte und deshalb das Mikrofon nicht wieder hergeben mochte, war der Aufschrei zu recht groß. Als „unverschämte, fürchterliche Person“ und „Feind des Volkes“ bezeichnete der Irre aus dem Oval Office ungestraft den Journalisten, dem in der Folge auch noch die Akkreditierung fürs Weiße Haus entzogen wurde, was möglich ist, weil Trump im Weißen Haus der Hausherr ist und reinlassen kann, wen er mag. Die konkrete Solidarität der Journalisten-Kollegen blieb trotz der weltweit schwappenden Empörung überschaubar.

Sofort wurde überprüft, ob das hierzulande auch geschehen kann, aber dann, Beruhigung, Beruhigung, fand man heraus, dass so etwas hierzulande nicht passieren kann, weil die Bundespressekonferenz ein unabhängiger Verein ist, in dem Politiker immer nur Gäste sind.

Das ist wohl wahr, doch wirft der Vorgang in Washington auch ein Licht auf die Art und Weise wie hierzulande Pressekonferenzen abseits der Bundespressekonferenz organisiert werden. Es geht um Veranstaltungen von Firmen, von Sendern, von Behörden. Hier wird niemand mundtot gemacht, niemandem so schnell die Akkreditierung entzogen. Trotzdem sind viele Pressekonferenzen nicht mehr das, was sie einst mal sein sollten, also freie Foren, auf denen jene Fragen gestellt werden können, die sich stellen, und zwar alle.

Pressekonferenzen in ihrer Mehrzahl sind nicht mehr Gelegenheiten, mal einen Vorstand oder Intendanten mit kniffligen Fragen in die Zange zu nehmen und etwas herauszufinden. Pressekonferenzen gleichen immer mehr durchchoreographierten Verlautbarungsveranstaltungen, bei denen das Wording des Veranstalters passgenau in die Blocks und Smartphones der anwesenden Reporter platziert wird.

Dabei darf immer noch jeder alles fragen. Allerdings gibt es ein paar Kniffe, mit denen man aus allzu aufklärerischen Antwortwünschen der anwesenden Journaille die Luft herauslassen kann. Man muss als Veranstalter nur ein paar Tricks kennen.

Wichtig ist Überfütterung und Übermüdung der anwesenden Reporter. Man decke sie pünktlich zum Beginn der Pressekonferenz ein mit einem Berg von Pressemitteilungen, der in der Kürze der Zeit unmöglich zu besteigen ist. Zudem lasse man alle wichtigen Personen ausführlich reden. Lange reden.

Droht etwa einem Vorstandvorsitzenden absehbar die Gefahr, sich kritische Fragen anhören zu müssen, so lasse man ihn erst einmal ausführlich reden. Über dies und das und dann auch noch über jenes. Danach lässt man als alerter Pressesprecher natürlich keine direkten Fragen zu. Vielmehr schnappt man sich ein paar Volllangweiler aus dem Unternehmen oder befreundeten Gremien und lässt sie ebenso lange reden wie den Chef. Wenn die dann fertig sind, holt man noch ein paar Volllangweiler, und die reden dann so lange, bis die ersten Journalisten Ohren-Herpes kriegen oder sich zur Erholung eine Luftmatratze herbeiphantasieren. Wer einmal auf der Pressekonferenz nach einer ARD-Intendantenkonferenz war, weiß, wovon die Rede ist.

Natürlich kommt es irgendwann dann doch noch zu dem Punkt, wo Fragen zugelassen werden. Hat der Pressesprecher seine Sache gut gemacht, sind bereits die meisten potentiellen Fragesteller sanft entschlummert. Trotzdem gibt es sicherlich noch ein paar Unentwegte, die sich irgendwie wachgehalten haben und nun nach Aufklärung gieren.

Die zu domestizieren, ist die nächste Aufgabe. Man schafft das mit der Pflicht, in ein Mikrofon sprechen zu müssen. Damit es alle verstehen, heißt es gerne. Reicht das als Argument nicht aus, wird gerne darauf verwiesen, dass die Pressekonferenz gestreamt wird und die Kollegen da draußen doch auch etwas verstehen möchten. Der spontane Journalist, aus dem die Fragen nur so herausplatzen wollen, wird also in die Pflicht genommen für jene, die nicht kommen konnten oder wollten. Fragt er also einfach so ohne Mikro in den Saal hinein, was oft problemlos möglich ist, zeigt er sich automatisch unsolidarisch mit den Kollegen.

So etwas hat durchaus sedierende Wirkung, denn bis Hilfskräfte die Mikros, von denen es immer zu wenige gibt, an den Frager gebracht haben, vergeht wieder kostbare Zeit. Hat dann ein Reporter seine Frage gestellt, steht im schlimmsten Fall schon eine Hilfskraft neben ihm und fordert das Mikrofon wieder ein. Direkte Nachfragen werden so erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Wer trotzdem welche hat, muss sich auf der Fragestellerliste wieder ganz hinten anstellen.

Natürlich steuern auch die Befragten ihre Tricks bei. Sie antworten lang und reden ausführlich zu allem, nur nicht zu dem, was gefragt wurde. Eine Bestrafung für solche Kommunikationsverweigerung müssen sie nicht fürchten, weil der Fragesteller erst sehr viel später nachfragen kann.

Zusätzlich hilft es, wenn, obwohl nur einer gefragt wurde, alle auf dem Podium ihren Senf beisteuern, auch die Volllangweiler. Wichtig ist dabei, dass sie die von ihnen schon vorher besetzten Allgemeinplätze nicht verlassen. Merke: Von Veranstalterseite dient eine Pressekonferenz nicht der Aufklärung der Öffentlichkeit, sondern lediglich der Simulation von umfassender Information.

Beherrscht man als Pressesprecher und Organisator von solchen Pressekonferenzen sein Geschäft, erlahmen die einzelnen Fragesteller relativ flott. Sie fügen sich meist recht schnell in die Sinnlosigkeit ihres Tuns und beschließen sehr oft, demnächst gar nicht mehr persönlich anzureisen, sondern sich die ganze Angelegenheit im Stream zuzuführen. Dann können sie nebenbei noch Sinnvolles erledigen während die Volllangweiler reden.

Und der Pressesprecher freut sich. Er weiß, dass man Journalisten nicht beleidigen und rauswerfen muss, um sie mundtot zu machen. Man kann ihnen einfach die Luft aus den Reifen lassen, ohne dass sie es direkt merken. Das zugeteilte oder eben gerade nicht verfügbare Mikrofon funktioniert dabei quasi als Zauberstab. Wenn also demnächst mal wieder aus einer Pressekonferenz nur Halbgares nach außen dringt, dann ist das der Leistung eines guten Pressesprechers zu verdanken. Desinformation gelungen. Mission accomplished.