Gerade hat die KEF der ARD vorgerechnet, dass sie in der aktuellen vierjährigen Beitragsperiode 740 Millionen Euro weniger ausgegeben hat als ihr die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs einst bewilligte. Rund 413 Millionen Euro davon waren fürs Programm gedacht. Rechnet man das aufs Jahr herunter, kommt man auf mindestens 100 Millionen Euro, die irgendwo bei den neun Rundfunkanstalten herumliegen, aber nicht ausgegeben wurden.

Erfährt man das, klingt das traditionelle Klagen der Anstalten über Unterfinanzierung auf einmal ziemlich hohl. Ganz offensichtlich haben sich die Sendergewaltigen in ihrem unbedingten Sparwahn schwer verrannt. Passiert sein dürfte das, weil sie gerade zu sehr damit beschäftigt waren und sind, einen neuen Geist zu beschwören, der sich in den Sendern breit macht. Demzufolge darf alles möglichst wenig oder am besten gleich gar nichts kosten und sollte trotzdem so viel besser sein als alles, was bisher war.

Dabei erliegt man indes dem Irrglauben, dass man mit weniger Geld mehr leisten kann und folgt damit der fatalen Logik, die aktuell diverse Regionalzeitungen an den Rand des Abgrundes und darüber hinaus führt. Auch dort hat man viel gespart und die Sparerfolge stets als Maßnahmen zur Qualitätssteigerung verkauft. Inzwischen merken aber immer mehr Leser, dass sie für doof verkauft wurden und bestellen ihre Zeitung, in der nicht mehr steht als in jedem beliebigen Internet, einfach ab oder sterben, was für die in der Totholzindustrie verbliebenen Journalisten aufs Gleiche herausläuft.

Wie dieses zweifelhafte Hütchenspiel funktioniert, lässt sich sehr schön belegen am Beispiel WDR, wo man gerade immense Summen investiert in neue Strukturen, von denen aber noch kein Mensch weiß, ob sie jemals das bringen werden, was die Chefs sich bislang davon versprechen. Redaktionen werden zusammengelegt, es wird etwas vom neuen Denken in Ausspielwegen gefaselt, und dann wird gespart, was das Zeug hält.

Unter der Hand wird derweil nach Wegen gesucht, im Gegenzug für die hohen Ausgaben möglichst viele Programmflächen möglichst billig zu füllen. Am besten mit viel Material von früher und am besten zu Karneval, wenn der Kölner WDR einfach mal annimmt, dass alle Menschen im über 17 Millionen Einwohner zählenden Nordrhein-Westfalen Kölner sind und als solche behandelt werden wollen.

Mehr noch. Man unterstellt den Menschen in ihrer Mehrzahl nicht nur, dass sie karnevalsverrückt sind, man setzt auch voraus, dass sie ganz wild darauf sind, immer dieselben Gesichter zu sehen. Um es mal vornehm auszudrücken: Es macht sich in diesen Tagen vor allem im WDR Fernsehen der Eindruck einer gewissen botterblömchenartigen Guidocantzerisierung des Fernsehangebots breit. Eine WDR-Sendung ist an den tollen Tagen quasi ungültig, wenn sie nicht einen Auftritt von Guido Cantz oder Et Botterblömche enthält.

Beispiel gefällig? Am Freitag ging das los. Da gab es um 20.15 Uhr die Archivplündersendung "Jet zo laache - Das Beste aus dem Kölner Karneval XL. Teil 1: 1965 bis 2000". Natürlich mit Guido Cantz und Et Botterblömche. Dieses Konglomerat wurde dreist angekündigt als "90 Minuten karnevalistische Unterhaltung auf höchstem Niveau!" Da muss man erst einmal drauf kommen.

Um 22 Uhr ging es weiter. Da lief "Jet zo laache - Das Beste aus dem Kölner Karneval XL. Teil 2: 2000 bis heute". Nur echt mit Guido Cantz und Et Botterblömche. Danach folgte eine kurze Pause, die mit der Gala zum 30. Geburtstag der Bläck Fööss gefüllt wurde. Der Geburtstag wurde zwar schon vor rund 20 Jahren gefeiert, war aber deshalb wohl billig zu haben.

Ebenso wie um 1.15 Uhr "Die lange Brauhaus-Nacht", ein aus den Aufnahmen von 2014 und 2015 zusammengeklöppelter Mix. Natürlich nur echt mit einem Auftritt von Guido Cantz. Und mit Bernd Stelter.

Bernd Stelter kehrt dann rasch wieder. Am Samstagnachmittag ist er dabei, wenn es "Alaaf und Helau. Das Beste von damals, gestern und heute" heißt, was schwer nach dämlichem Radiodeppensprech klingt und auch solcher ist. Dafür gibt es bei diesem sicherlich kostengünstigen Aufwärmen alter Karnevalskamellen aber auch ein Wiedersehen mit Et Botterblömche.

Aus unverständlichen Gründen musste man am Samstag bis 22 Uhr warten, bis zur Wiederaufarbeitung der Aachener Ordensverleihung, wo endlich wieder Guido Cantz auf der Rednerliste stand, diesmal sogar angekündigt als Starkarnevalist.

Auch heute wird es wieder cantzig, allerdings erst ein wenig später. Erst einmal muss man sich um 11.35 Uhr bei "Jet zo laache - Das Beste aus dem Kölner Karneval" begnügen mit Auftritten von Bernd Stelter und Et Botterblömche.

Richtig rund, also im cantzchen Sinne, geht es dann wieder um 20.15 Uhr bei "Jet zo laache - Das Allerbeste aus der Bütt XL". Nur echt mit Guido Cantz, Bernd Stelter und Et Botterblömche.

Menschen, die nicht in der Kölner Programmplanungszentrale wohnen, muss man dabei vielleicht erklären, dass es sich haushalts- und ankündigungstechnisch bei "Jet zo laache - Das Beste aus dem Kölner Karneval" und "Jet zo laache - Das Allerbeste aus der Bütt XL" und "Jet zo laache - Das Beste aus dem Kölner Karneval XL" um grundverschiedene Sendungen handelt, in denen Bernd Stelter mal vor Et Botterblömche spricht, mal danach. Das ist Vielfalt, wie man sie beim WDR versteht. Man sendet das Ewiggleiche in immer neuen Zusammenstellungen, und wenn gar nichts mehr geht, dann haut man an allen Tagen, die nicht Karfreitag oder Totensonntag sind, auch schon gerne mal ein Wiedersehen mit Ekel Alfred in die Programmleiste.

Aber zurück zum Sonntag, wo in der Nacht zu Rosenmontag Guido Cantz den cantzchen Imperativ "Sing mit Köln!" ausgeben darf, bevor er am Montag im Dritten den Rosenmontagszug kommentieren darf und am Abend mal wieder Stargast im Ersten ist bei "Karneval in Köln 2020". Und da sage noch einer, das Karnevalsangebot des WDR sei eintönig.

Wäre man nun böse gesinnt, würde man vielleicht einwenden, dass beim WDR gar keine Menschen mehr für die Programmplanung zuständig sind. In der daraus folgenden Theorie, die schwer nach Verschwörung riecht, arbeiten dort vielmehr Roboter und Algorithmen Hand in Hand jene Programmierungen ab, die vor zig Jahren mal der letzte lebende Redakteur in die Tastatur gehämmert hat. Anders ist diese Guidocantzerisierung, diese Berndstelterisierung und dieses allen Ernstes lustig gemeinte Programm im Botterblömchenmurmeltiertagmodus doch beim besten Willen nicht mehr zu erklären.

Oben drüber sitzt derweil Intendant Tom Buhrow auf den nicht ausgegebenen Millionen und freut sich angesichts des einödigen Programms über weitere Einsparungen, die er dann entweder in noch mehr teure Berater oder noch mehr neue hippe Newsrooms investieren kann. Aber vielleicht fällt sein Blick zwischendrin auch mal aufs Telefon, und es kommt ihm der Gedanke, dass es an der Zeit sein könnte, sich für dieses lieblose Aneinanderkloppen von ollen Kamellen an Karneval zu entschuldigen.

Muss er aber gar nicht erst versuchen, denn natürlich ist in dieser Karnevalsoperette aus dem kölschen Sparstadl auch die Telefonzentrale des WDR längst besetzt. Wenn Buhrow dort anruft und um Verbindung zu den WDR-Guckern bittet, hört er in Dauerschleife nur noch eines: die Stimme von Guido Cantz. Es gibt eben kein Entkommen, wenn man seine Seele einmal an die Kräfte der Hölle verkauft hat.

Alaaf und Helau und Sorry für alles und nichts. Tätäää! Tätäää! Tätäää!