Angebote und Nutzung diversifizieren sich. Es gibt nicht mehr das Fernsehen. Spricht man so darüber, dann würden Netflix, Amazon und Co. kaum dazu gehören. Doch sie sind Teil, sogar Antreiber, dieses Mediums, das mehr als je zuvor Kult und Kultur ist. Ob episch erzählte Fernsehserien aus den USA oder wochenaktuelle Comedy etwa aus Köln-Ehrenfeld - sie werden zahlreich konsumiert, geteilt und diskutiert. Immer häufiger aber auf Wegen, die aus der Wahrnehmung der Fernsehbranche herausfallen, weil noch immer diverse Formen des Konsums und der Beschäftigung mit Inhalten nicht einkalkuliert werden.

Wichtig zu erwähnen ist sicherlich, dass es hier um Entwicklungen an den Programmrändern geht, die besonders die junge Zielgruppe betreffen. Mancher lineare Platzhirsch wird daher auf Sicht noch gut fahren können mit seiner bisherigen Strategie und keine Dringlichkeit erkennen. Die schwierige Frage aber bleibt: Wann ist der richtige Moment zum Sprung in die neue Fernsehwelt gekommen? Dabei ist es nicht so, als wären die Expertise und Kreativität der Platzhirsche nicht auch in der neuen Welt ein großer Vorteil. Nur wäre es eine Welt mit unbequemen, neuen Wettbewerbern. Für die Kreativen, für die Produzenten und die Zuschauer wiederum war der Spielraum und die Bandbreite nie größer.

Das Medienmagazin DWDL.de begleitet die Fernsehbranche seit mehr als 14 Jahren so intensiv wie kein anderes Branchenmedium. Ein Teil dieser Berichterstattung war und ist immer auch der Blick auf die morgendlichen Einschaltquoten. Sie sind die Währung der Branche, die sich im Falle der privaten Anbieter über die erzielte Reichweite und verkaufte Werbung refinanzieren. Schon immer gab es Kritik an der Erhebung, so wie sich jede repräsentativ erhobene Umfrage bzw. Statistik die Frage gefallen lassen muss, ob sie tatsächlich repräsentativ ist.

Die Kritik an den Einschaltquoten hat in den vergangenen zwei Jahren jedoch einen neuen Blickwinkel bekommen, der diese Frage verschärft: Misst sich ein Erfolg oder Misserfolg wirklich noch allein an der linearen Erstausstrahlung? Oder ist die zeitversetzte Nutzung nicht genauso viel wert? Ist das Teilen ganzer Sendungen oder auch nur einzelner Elemente in den sozialen Netzwerken darüber hinaus nicht auch zu berücksichtigen? All diese Fragen würde man in den meisten Fällen vermutlich bejahen. Doch die Branche zögert, weil die Messung viel komplexer werden müsste und man noch keine Lösung dafür gefunden hat.

Einfache Antworten am nächsten Morgen gibt es längst nicht mehr. Mancher Fernsehproduzent würde im Negativfall jubeln, wenn die Fixierung auf die Quote am Morgen danach entfallen würde. Es sind aus der Erfahrung heraus aber besonders die, die bei einem Quotenerfolg wiederum am lautesten damit prahlen. Das brancheninterne Fluchen auf die Quote ist oft geprägt von sehr schlichtem Opportunismus. All diesen Überlegungen zur Zukunft der Leistungsmessung stehen auf der anderen Seite neue Anbieter wie Netflix und Amazon gegenüber, die sich gar nicht in die Karten schauen lassen. Leistungswerte gibt es hier nicht.

Das Ungleichgewicht aus unzureichender Messung im linearen und nicht vorhandener Messung bei einigen non-linearen Anbietern ist eine Herausforderung für die Berichterstattung über die Branche. Nur bedingt lässt sie sich durch eine Verlagerung auf die inhaltliche Ebene abfedern. Ab einer gewissen Intensität wird Erfolg sonst zur Geschmacksfrage. Mit unserer neuen Kollegin Ulrike Klode verstärkte DWDL.de in diesem Jahr die Berichterstattung zum Serienkult. Immer samstags mit ihrer persönlichen Kolumne und darüber hinaus mit deutlich mehr Interviews aus dem Produktionsumfeld. Im November ist mit den „Seriendialogen“ der erste DWDL.de-Podcast erfolgreich gestartet und wird im Januar fortgesetzt.

Das rundet das journalistische Angebot des Medienmagazins DWDL.de ebenso ab wie das neu eingeführte, wöchentliche Media-Update unseres Chefreporters Torsten Zarges zu allen Themen der TV-Werbung und -Vermarktung. Unser Kern bleibt die tägliche Berichterstattung für eine Branche im Wandel. Wir haben stets Impulse gesetzt, um Diskussionen anzuregen. So etwa vor einigen Jahren bei der Debatte um eine Neudefinition der werberelevanten Zielgruppe. Doch die Betrachtung der 14- bis 59-Jährigen hat sich - selbst in den Häusern, die sie vorangetrieben haben - nie endgültig durchgesetzt.

Doch die Zielgruppen-Debatte wirkt so fern, wo es doch längst um die Berücksichtigung von Nutzungen abseits der linearen Erstausstrahlung geht. Die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung bemüht sich, aber hängt sogar nach eigenem Bekunden dem selbst gesteckten Zeitplan hinter her. Wir werden die Weiterentwicklung der Reichweitenmessung wie bisher intensiv und interessiert begleiten. In einem Punkt jedoch ziehen wir vorerst die Konsequenz: Ab 1. Januar veröffentlicht das Medienmagazin DWDL.de keine täglichen Top20-Rankings des Vortages mehr. Die schriftlichen Quotenanalysen bleiben davon unberührt und unverändert Teil unseres Angebots.

Sie werden sogar intensiver und aussagekräftiger, weil das Medienmagazin DWDL.de sich stärker jener Entwicklung anpasst, die die großen deutschen Fernsehhäuser selbst ausgegeben haben: Diversifizierung. Der Blick auf die Top20 des Vortages versperrte den Blick für spannende Entwicklungen sowohl abseits der Primetime als auch bei kleineren Sendern. Wir möchten den Blick ein Stück weit mehr auf die Flächen richten, in denen ohne den Druck der großen Vollprogramme neue Ideen und damit die Zukunft des Mediums entstehen kann.

Wie entwickelt sich die non-fiktionale Unterhaltung? Und der Fernsehjournalismus, um den non-lineare Anbieter weitgehend einen Bogen machen? Hier Entwicklungen zu beobachten, ist inhaltlich für die Branche wertvoller als das Reißen oder Überspringen gewisser Millionenmarken mit wiederkehrendem Regelprogramm. Keine Sorge aber: Besonders erwähnenswerte Reichweiten - jene Quote, auf die alle warten - wird es aber natürlich weiterhin früh morgens bei uns geben. Und während die Top20-Listen weiterhin bei Wettbewerbern zu finden sind, bietet das Medienmagazin DWDL.de echten Mehrwert.

Ab dem 1. Januar 2016 weisen wir als einziges Medium in Deutschland jeden Morgen die Tagesmarktanteile der 15 meistgesehenen Sender in der Gesamtzuschauerschaft (Ab 3) sowie der Zielgruppe 14 - 49 aus. Es öffnet den täglichen Blick der Branche über die acht großen Vollprogramme hinaus und rückt die Performance kleinerer Kanäle in ihrer Gesamtheit ins Bewusstsein der Branche. Das ist keine Antwort auf veränderte, non-lineare Fernsehnutzung, aber eine im Rahmen der von der AGF erhobenen Einschaltquoten an die Diversifizierung des Marktes angepasste Betrachtung.

Die Herausforderung hört damit natürlich nicht auf: Wie entwickelt sich die Bedeutung und Messung der non-linearen Nutzung? Wie kann das lineare Fernsehen seine Stärken ausspielen und wo endet finanziell bedingt die derzeit noch scheinbar unbegrenzte Investitionslust neuer Wettbewerber? Abseits spannender Inhalte und der Beschäftigung auf diesem Level steht die Fernsehbranche im kommenden Jahr auch strukturell weiter vor spannenden Fragen. Die wollen wir bei DWDL.de noch umfassender als bislang behandeln. Hans Hoff beispielsweise wird dafür neben dem „Hoff zum Sonntag“ künftig auch unter der Woche häufiger bei uns zu lesen sein. Seine „Mordsschau“ endet dafür.

Für den Ausbau unseres Angebots beziehen wir im Februar übrigens zunächst einmal neue Büros in Köln. Wir vergrößern uns nach gut sechs Jahren in unseren Redaktionsräumen an der Christophstraße und arbeiten weiter an DWDL.de, wie wir es auch in den vergangenen zwölf Monaten getan haben. Im Frühjahr haben wir das mobile Internet kurzerhand auf den Kopf gestellt mit unserem neuen Smartphone-Portal inklusive neuartiger Navigation. Auch die Tablet-Version wurde grundsätzlich überarbeitet. Im Herbst wurde außerdem unser nachmittäglicher Newsletter in neuer Optik und mit neuen Features renoviert - zum Jahreswechsel folgen die restlichen Newsletter von DWDL.de. Auch 2016 wird viel Neues bringen, bevor wir im Herbst bereits unseren 15. Geburtstag feiern.

Ich freue mich auf die Weiterentwicklung eines Medienmagazins für ein Medium, das nie spannender war als heute. Abschließend noch ein herzlicher Dank für die Treue unserer Leser sowie Werbekunden. Nur so konnten wir das Jahr 2015 mit einem Reichweiten- sowie Umsatzrekord abschließen. Jahr für Jahr investiert die DWDL.de GmbH als unabhängiges, inhabergeführtes Unternehmen mehr in Honorare und Gehälter für Medienjournalismus in Deutschland. Diesen Kurs möchte ich mit ihrer Hilfe auch 2016 fortsetzen.

Liebe Grüße, herzlichen Dank und einen guten Rutsch,
Thomas Lückerath
Gründer und Chefredakteur des Medienmagazins DWDL.de