Herr Kelber, Sie haben mit Pyjama Pictures in den vergangenen Jahren viele Comedyserien produziert – von "Jerks" über die "Discounter" und "KEKs" bis hin zum jüngst mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten "Player of Ibiza". Gibt's eine Erfolgsformel für gute Comedy?
Die Humorfarbe ist bei jeder Comedy anders. Unsere Serien eint allerdings, dass ihr Humor immer ein bisschen extremer, ein bisschen mutiger ist. Wir lassen unsere Figuren leben und dabei dürfen sie sich auch gerne mal selbst beschädigen. Es geht gar nicht darum, die Fehler dieser Figuren zu feiern, sondern uns teilweise in diesen Figuren selbst wiederzuerkennen. In meinen Augen ist daher Authentizität das Geheimnis guter Comedy – für mich eine fast heilige Währung. Das hat mit der Sprache zu tun, aber auch mit den Themen, die verhandelt werden. Daraus ergibt sich schließlich für jede Serie eine eigene Tonalität. Aber ohne eine gewisse Gnadenlosigkeit geht es aus meiner Sicht nicht.
Erst vor wenigen Monaten ist die letzte Staffel von "Die Discounter" zu sehen gewesen. Wie schwer fiel der Abschied?
Der Abschied ist okay. Ich glaube, es ist jetzt richtig, mal eine Pause einzulegen. Man kann ein Format schließlich auch überhitzen und verbrennen. Aber es ist möglicherweise kein Ende für immer. Kann sein, dass wir irgendwann in der Zukunft noch einmal weitermachen werden – als Serie, Film oder Special.
Sie haben die "Discounter" ebenso wie "Player of Ibiza" zusammen mit den Kleinen Brüdern produziert. Arbeiten Sie schon an neuen gemeinsamen Projekten?
Unsere Wege werden sich definitiv nicht trennen. Wir planen bereits eine größere Serie mit den Kleinen Brüdern und einer weiteren jungen Firma, der Manifest Film aus Berlin. Noch kann ich leider keine Details nennen, aber wir wollen noch in diesem Jahr in den Dreh gehen.
Viele Fans hoffen auch auf ein Comeback von "Jerks". Besteht auch hier die Chance, dass es weitergeht?
Bei "Jerks" ist zurzeit keine Fortsetzung geplant. Das liegt aber in erster Linie daran, dass Christian Ulmen und Pyjama gemeinsam etwas Neues für Joyn planen, das ebenfalls noch in diesem Jahr gedreht wird. In dieses Projekt, das wieder auf Impro setzen wird, taucht Christian als Showrunner so tief ein, dass eine weitere Serie parallel gar nicht denkbar wäre. Christian schreibt die Bücher, übernimmt die Regie, den Schnitt, und spielt auch eine der Hauptrollen.
Worum wird es gehen?
Im Mittelpunkt steht ein Au-Pair, das zwischen alle Fronten einer toxischen Familie gerät und unfreiwillig zur Doppelagentin der gastgebenden Eheleute wird. Die Serie spielt in Südeuropa, Schauplatz ist die seltsame Society deutscher und europäischer Auswanderer. Die Serie ist allerdings nicht als reine Comedy angelegt, sondern hat vielmehr das Ziel, das Dramatische so weit zu treiben, dass es irgendwann zur Comedy wird. Wir erzählen die horizontale Geschichte daher auch in 45 anstatt 23 Minuten.

Christian bleibt weiterhin Gesellschafter, fungiert aber seit 2023 auf eigenen Wunsch nicht mehr als Geschäftsführer. Der Gedanke dahinter war unter anderem, dass wir beide sehr kreativ arbeiten und damit im Grunde die gleichen Stärken mitbrachten. Deshalb war es wichtig, noch mehr geschäftsführerisches Wissen ins Haus zu holen. Das ist uns mit Henrik Pabst gelungen, und jetzt auch mit Frank Buchs, der seit diesem Jahr Geschäftsführer ist. Frank hat auf Produzenten- wie auch auf Senderseite zahlreiche Projekte betreut und kennt sich auch mit internationaler Finanzierung aus. Seit er bei uns begonnen hat, trauen wir uns auch an größere Projekte ran wie etwa "Take the Money and Run" (AT), eine Produktion, die in Italien gedreht wurde und 2026 im ZDF zu sehen sein wird.
Sie arbeiten für viele verschiedene Sender und Streamer, obwohl Pyjama Pictures zu ProSiebenSat.1 gehört. Wie schwierig war es, sich freizuschwimmen?
Kurz nach unserem Start begann die Corona-Pandemie, die dazu führte, dass wir den Dreh für "Jerks" verschieben mussten. Viel dramatischer war allerdings die damalige Entscheidung des Konzerns, die Fiction aus dem Fokus zu nehmen. Das war zwar eine ziemliche Herausforderung für uns, hatte rückblickend aber auch sein Gutes, weil wir dadurch gar nicht in die Bequemlichkeit kamen, auf den nächsten Auftrag aus Unterföhring zu hoffen. Wir hatten allerdings schon von Beginn an viel Freiheiten zugesichert bekommen, um frei im Markt agieren zu können. Das war uns wichtig – auch, um allen Playern gegenüber deutlich machen zu können, dass wir ihnen keine Formate pitchen, die von ProSieben, Sat.1 oder Joyn bereits abgelehnt wurden. Wir sind extrem dankbar, dass sich der Markt so umfassend für uns und unsere Projekte geöffnet hat. Natürlich wird man auch ernster genommen, wenn man sich auf der gesamten Spielwiese austobt. Und mehr Spaß bringt es zudem auch.
Inzwischen wendet sich ProSiebenSat.1 wieder verstärkt der Fiction zu. Was bedeutet das für Sie?
Nach dem "Küstenrevier" arbeiten wir aktuell an einer neuen Daily für Sat.1 mit dem Arbeitstitel "Ein Hof zum Verlieben". Die Serie spielt auf einem Bauernhof am Bodensee und wird – auch als Learning aus dem "Küstenrevier" – nicht auf einen "Case of the Day" mit Gastrollen setzen, sondern deutlich horizontaler erzählt. Wir haben einen Auftrag für 120 Folgen erhalten, die wir ab diesen Montag drehen, mit Rudolf Jehner als Executive Producer, um den wir inzwischen ein eigenes "Daily House" gebaut haben, das weitere Formate entwickelt. Das muss inzwischen fast wie eine Firma in der Firma behandelt werden, weil die Daily-Branche eine ganz eigene Welt ist, von der ich persönlich im Vorfeld gar nicht viel Ahnung hatte. Wir konnten das Abenteuer nur dadurch eingehen, weil wir Expertinnen und Experten in die Firma geholt haben, die so etwas können. Neben dem "Hof zum Verlieben" entwickeln wir derzeit aber noch ein weiteres Serien-Projekt, das allerdings in eine ganz andere Richtung geht.
In welche?
Wir widmen der schwedischen Königin Silvia, die im kommenden Jahr ihre Goldene Hochzeit feiern wird, eine Dramaserie, bei der wir auch die Beta Film als großen Weltvertrieb, sowie weitere internationale Beteiligung an Bord haben. Das Projekt ist deshalb spannend, weil Silvia Sommerlath ursprünglich aus Heidelberg kommt. Auf diese Weise nehmen wir unsere deutsche Perspektive auf ein Royal-Thema ein. Diese Geschichte ist nicht nur neu, mit ihr werden im Übrigen auch ganz andere Konflikte und Fragestellungen transportiert, als bei anderen Royal-Verfilmungen, die es zuletzt gab.
Klingt nicht, als bekämen Sie gerade viel mit von der Krise des Produktionsmarktes.
Wir haben uns schöne Projekte gesichert und versuchen, nicht zu sehr auf die gedrückte Stimmung im Markt zu schauen. Mit unseren Produzentinnen Ina-Christina Kersten und Tina Ermuth sind wir so stark aufgestellt, dass wir uns auf die aktuellen Herausforderungen freuen! Der einzige Wermutstropfen ist, dass sich bei uns viele Projekte in die zweite Jahreshälfte geschoben haben. Das hängt damit zusammen, dass manche Entscheidungen länger gedauert haben – letztlich auch ein Effekt der viel zitierten Krise. Letztes Jahr hatten wir um die Zeit schon die ersten beiden Serien abgedreht. In diesem Jahr geht’s eigentlich jetzt erst richtig los.
Herr Kelber, vielen Dank für das Gespräch.