Frau Cebulla, nachdem die geplante Verpflichtung von Thilo Mischke bei "ttt" geplatzt ist, wurde der MDR als federführender Sender für das Format benannt, das ist jetzt auch offiziell so beschlossen worden. Ist das ein Herzensprojekt für Sie und den MDR oder ein notwendiges Übel, damit das, was passiert ist, nicht noch einmal passiert?
Jana Cebulla: Beides! Der MDR ist ja schon länger Teil der "ttt"-Gemeinschaft in der ARD und wir waren auch vorher schon an den Prozessen beteiligt. Bisher gab es hier noch keine klare Federführung. Aber wir hatten eine Situation, die gezeigt hat, dass so etwas für die Zukunft notwendig ist. Und das übernehmen wir als MDR gern. Denn wir wollen gestalten und Impulse setzen. Wir schauen aktuell, wie man die Marke "ttt" weiterentwickeln kann und wie man sie für die Zukunft tragfähig aufstellt.
Was heißt denn Federführung eigentlich konkret? Die einzelnen ARD-Anstalten liefern auch weiterhin Inhalte zu, aber der MDR muss am Ende alles freigeben und ist darüber hinaus für die Außendarstellung verantwortlich? Was verändert sich konkret in der Herstellung der Sendung?
Bei der Herstellung der Sendung bleibt alles weitestgehend bestehen. Nach wie vor ist es so, dass die Redaktionen der beteiligten Häuser, also BR, HR, MDR, NDR, WDR und RBB, eigenständig sind. Dennoch braucht es jemanden, der zum Beispiel die Kommunikation übernimmt und auch das Ruder in die Hand nimmt und Entscheidungsprozesse bündelt. Die genaue Definition war ein großer Teil unserer Abstimmung, die wir in den letzten Wochen mit den Redaktionen geführt haben. Als Federführer wollen wir nicht jeden einzelnen Beitrag abnehmen. Das wäre auch nicht im föderalen Sinne der ARD.
Sondern?
Es geht darum, dass der MDR als Federführer über alles informiert und im Zweifel immer auskunftsfähig ist. Diesen Prozess haben wir erarbeitet und der gilt ab sofort. Zudem wollen wir, wie gerade gesagt, gestalten und die Marke "ttt" vor allem inhaltlich gemeinsam mit den anderen Redaktionen mit neuen Impulsen stärken.
Als Federführer wollen wir nicht jeden einzelnen Beitrag abnehmen.
Warum gab es bislang keine Federführung?
Weil es über eine lange Zeit sehr gut so funktioniert hat. Wir waren eine redaktionelle Gemeinschaft, die unter der Überschrift "ttt" gearbeitet hat. Wir hatten bis zum vergangenen Jahreswechsel keine Notwendigkeit für die Festlegung einer Federführung. Die Situation hat aber gezeigt, dass es klug ist, jemanden verbindlich zu bestimmen, der unter anderem in solchen Fällen kommuniziert.
Wie lief denn jetzt die Aufarbeitung, was waren die Learnings? Die Öffentlichkeit interessiert sich ja sehr rund um die Umstände der kommunizierten und dann wieder zurückgezogenen Verpflichtung von Thilo Mischke.
Die Aufarbeitung war intern und wir ziehen daraus die Schlüsse, damit so eine Situation nicht noch einmal passieren kann. Wichtig war uns, dass wir in Zukunft keine Verantwortungsdiffusion haben. Das war unter anderem auch den Intendantinnen und Intendanten sehr wichtig.
Eine naheliegende Frage: Wird es noch einen weiteren Moderator bzw. Moderatorin für "ttt" geben? Durch die geplatzte Verpflichtung von Thilo Mischke moderiert Siham El-Maimouni aktuell alleine.
Erstmal möchte ich sagen, dass wir mit Siham El-Maimouni als Hauptmoderatorin sehr zufrieden sind. Wir werden aber dennoch eine zweite Person suchen, die künftig ebenfalls durch "ttt" führen kann. Siham El-Maimouni ist eine viel gebuchte Moderatorin und da macht es schon aus Vertretungsgründen Sinn, eine zweite Person zu finden. Es wird also irgendwann einen Castingprozess geben und wir sind fest davon überzeugt, eine zweite geeignete Moderatorin bzw. einen geeigneten Moderator zu finden.
Was wollen Sie diesmal anders machen als beim letzten Mal? Das Interesse in der Öffentlichkeit dürfte jetzt um einiges höher sein.
Anders nicht, aber wir haben nachgeschärft in den Punkten, die uns wichtig sind. Eine journalistische Expertise und sich im Kulturbetrieb auszukennen sind für uns Punkte, die eine hohe Priorität haben. Die Kulturvermittlung für verschiedene Zielgruppen ist das entscheidende. Dazu muss eine Person die journalistische Exzellenz mitbringen und, das ist uns auch ganz wichtig, die Kulturbranche kennen sowie eine Glaubwürdigkeit in der Kulturszene haben.
Wie sieht es inhaltlich aus? Inwiefern muss sich "ttt" verändern? Ich habe das Gefühl, die Sendung hat ein etwas angestaubtes Image, weshalb man ja auch ursprünglich mal Thilo Mischke holen wollte. Der hätte eine andere Ansprache liefern und womöglich auch andere Zielgruppen ansprechen können.
Es geht für uns sehr um die Frage, wie wir die Marke "ttt" zukunftsfähig machen können. Und auch wenn das vielleicht paradox klingt, aber wir können aus den letzten Monaten auch etwas Positives mitnehmen: "ttt" hat eine starke Kraft, das hat die öffentliche Aufmerksamkeit gezeigt. Dennoch müssen wir schauen, wo Zielgruppen sind, die nicht mehr klassisch lineares Fernsehen konsumieren. Die wollen wir auch und stärker erreichen. Dabei stellt sich die Frage, ob ein lineares Magazin alles leisten muss. Die Antwort ist relativ einfach: So funktioniert das nicht.
Auch wenn das vielleicht paradox klingt, aber wir können aus den letzten Monaten auch etwas Positives mitnehmen: "ttt" hat eine starke Kraft, das hat die öffentliche Aufmerksamkeit gezeigt.
Wie reagieren Sie also darauf?
Es geht darum, verschiedene Touchpoints zu neuen Zielgruppen zu schaffen. Im Bereich Social Media gelingt uns das aktuell schon sehr gut und wir überlegen sehr konkret, wie wir das Markenportfolio von "ttt" erweitern können. Da denken wir beispielsweise über dialogische Formate nach, in denen wir ins Gespräch kommen können mit Menschen, die das Magazin vielleicht nicht linear schauen. Es geht aber noch weit darüber hinaus, der ganze Prozess ist jetzt gestartet. Wir planen ein Portfolio, das an verschiedenen Stellen verschiedene Zielgruppen erreicht. Im Kreis der "ttt"-Redaktionen der beteiligten ARD-Häuser sind wir uns einig: Wenn wir die Marke jetzt nicht zukunftsfähig aufstellen, verlieren wir sie vielleicht, weil das Lineare in der Mediennutzung der Menschen perspektivisch an Bedeutung verliert. Dennoch ist das lineare Magazin aus heutiger Sicht noch immer Kern und Ursprung von weiteren Aktivitäten.
Blieb bei dem ganzen Trubel rund um "ttt" in den vergangenen Wochen für Sie eigentlich noch viel Zeit für andere Themen?
(lacht) Gott sei Dank, ja! "ttt" hat mich natürlich stark beschäftigt, gehörte aber vorher schon bei MDR Kultur & Jugend zu meinen Themen. Da ist in den letzten Wochen etwas mehr Kraft reingeflossen als zuvor. Es macht aber auch Spaß, weil wir gestalten wollen und bei den anderen Redaktionen erlebe ich eine große Offenheit. Und wir wollen uns mit unseren Erfahrungen einbringen. Wir haben im MDR kürzlich die Abteilungen Junge Angebote und Kultur fusioniert, weil wir glauben, dass die Kultur für neue Zielgruppen einen Boost braucht. Das hat gut funktioniert und der Prozess, den wir vor drei Jahren gestartet haben, ist mittlerweile abgeschlossen. Ich habe jetzt also auch wieder Kapazitäten für andere Themen, insofern passt die Federführung von "ttt" zeitlich und inhaltlich für uns sehr gut.
Hatten Sie nach der ganzen Sache eigentlich mal Kontakt zu Thilo Mischke?
Ich persönlich hatte keinen Kontakt zu Thilo Mischke, aber es gab Gespräche mit ihm. Es war auch immer das Ziel, eine gemeinsame Sprache zu finden, vor allem in der Entscheidung, die Zusammenarbeit doch nicht aufzunehmen.
Seit einem Interview mit Thilo Mischke mit der "Zeit" steht eine rechtliche Auseinandersetzung zwischen ihm und der ARD im Raum. Wie sieht es da aktuell aus?
Dazu kann ich Ihnen nichts sagen.
Wenn wir die Marke jetzt nicht zukunftsfähig aufstellen, verlieren wir sie vielleicht, weil das Lineare in der Mediennutzung der Menschen perspektivisch an Bedeutung verliert.
Wie messen Sie eigentlich den Erfolg einer Kultur-Sendung, von Einschaltquoten und Klicks mal abgesehen?
Die Kultur gehört zum Kern der Öffentlich-Rechtlichen und ist insofern frei von einem starren Blick auf Quoten. Für mich ist das Thema Relevanz sehr wichtig. Wenn man ein Kulturmagazin produzieren würde, das niemand schaut oder niemand klickt, muss man sich fragen, wie relevant das ist. Es geht darum, Kultur so zu vermitteln, dass sie interessant ist oder wird. Wir werden uns bei der Reichweite nie mit einer großen bundesweiten Unterhaltungsshow messen können, aber natürlich wollen wir Menschen mit dem erreichen, was wir tun. Im Non-Linearen ist es kleinteiliger, aber auch da geht es darum, die Potenziale auszuschöpfen.
Sie haben mal gesagt: "Ich weiß, dass es schlechte Tage braucht, um die guten wertzuschätzen." Demnach können Sie die aktuelle Zeit im Falle von "ttt" sehr wertschätzen, oder?
Das trifft es ziemlich genau. Wenn etwas übrig geblieben ist von all dem, dann eine Aufbruchstimmung und ein klares Bekenntnis der Öffentlichkeit zur Marke "ttt". Wir wissen die Marke heute mehr wertzuschätzen und ich freue mich, dass es jetzt in den Händen des MDR und den Partner-Redaktionen in der ARD liegt, gemeinsam gestalten zu können. An diesen Punkt wären wir ohne die von Ihnen angesprochene Situation vielleicht nicht gekommen. Jetzt haben wir die Möglichkeit, engagiert etwas Gutes für das jeweilige Publikum daraus zu machen – und das werden wir. Das ist mein Ansporn.
Vielen Dank für das Gespräch!
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