Herr Kumb, seit Januar leiten Sie die neue ZDF-Direktion Audience. Banale Frage: Was machen Sie eigentlich?

Die Direktion ist im Rahmen einer Weiterentwicklung der Organisationsstruktur des ZDF entstanden. Wir haben alle Prozesse zusammengeführt, die das Programm strategisch und operativ unterstützen. Das beginnt bei der Portfolio-Steuerung, geht über die Planung und Ausspielung der einzelnen linearen Kanäle, wie dem Hauptprogramm, ZDFneo, ZDFinfo oder 3sat und endet beim Management des Streamingportals. Bei uns liegen aber auch die Programmfinanzen, KI- und Daten-Themen und die Forschung. Kurz gesagt: Alles, was nicht zur redaktionellen Arbeit oder Produktion zählt, haben wir jetzt erstmals organisatorisch gebündelt.

Wie unterscheidet sich die Aufgabe von der Programmdirektion unter Führung von Nadine Bilke? Die Programmplanung könnte man ja auch bei der Programmdirektorin vermuten…

Auch in sehr vielen anderen Unternehmen sind Herstellung und Vertrieb tatsächlich nicht im gleichen Bereich. Aber wir arbeiten Hand in Hand. Wir haben zwei Direktionen, die sich um die Entwicklung und Herstellung der Inhalte kümmern - das sind die Programmdirektion mit Fiktion, Unterhaltung, Wissenschaft, Kultur und Kinderprogramm in der Verantwortung von Nadine Bilke und die Chefredaktion mit der Aktualität, Politik, Gesellschaft und Sport in der Verantwortung von Bettina Schausten. Meine Direktion hat, wie der Name schon sagt, das Publikum im Blick – wir sorgen für die Distribution der Programme und spielen Erkenntnisse darüber wieder zurück in die anderen Direktionen. Der Aufbau dieser Struktur ist die größte Reform innerhalb des ZDF seit mehr als 25 Jahren, um die Distribution unserer Programme zu verbessern und damit den Redaktionen zu helfen mit ihren Inhalten das Publikum zu erreichen.

Was muss man sich unter dem ehrbaren Vorhaben, das Publikum besser zu verstehen, denn konkret vorstellen?

Allein die Nutzung zu überblicken, wird immer komplexer, weil sie immer kleinteiliger auf immer mehr wegen stattfindet. Natürlich hilft uns bei der Datenanalyse Künstliche Intelligenz. Aber genauso wichtig ist uns der direkte Draht zu den Menschen. Hierfür haben wir unsere Beteiligungsplattform ZDFmitreden, bei der jetzt mehr als 75.000 Menschen registriert sind, die sich regelmäßig befragen lassen. Das ist ein ziemlich großes Panel über das wir innerhalb weniger Tage mehr als 20- oder 30.000 Rückmeldungen bekommen. Das ist sehr wertvoll für kleine wie große Fragen und bietet einen qualitativen Mehrwert über die reinen Nutzungszahlen hinaus. Außerdem schauen wir genau hin, wie über unsere Inhalte gesprochen wird, beispielsweise in anderen Medien oder bei Social Media. Das Publikum zu verstehen, heißt verschiedene Perspektiven zusammenzubringen, um die publizistische Wirkung unserer Inhalte beurteilen zu können. 

Für welche Art Fragen nutzen Sie ZDFmitreden? Haben sie da ein exemplarisches Beispiel?

Einerseits viele Themen, die ganz nah an den Redaktionen sind, etwa für unser Morgenmagazin oder Mittagsmagazin. Da geht es um aktuelle gesellschaftliche oder politische Fragen. Die Ergebnisse können dann von den Redaktionen wieder in die Sendungen eingebracht werden, um Interessen und Stimmungen besser einzuordnen. Wir machen genauso Titeltests für neue Sendungen - Versteht man den Sendungsnamen? - oder probieren verschiedene Thumbnails aus, um Erkenntnisse für unser Streamingportal zu gewinnen. Andererseits hatten wir zuletzt auch eine Befragung zur Gesamtstrategie des ZDF, also „Ein ZDF für alle“, ob diese verstanden und begrüßt wird. 

Wir sprachen eben Künstliche Intelligenz an. Wie geht das ZDF damit um - auch vor dem Hintergrund der Debatte, wie anhängig man sich von ausländischen BigTech-Unternehmen machen darf? Was bei KI ja der Fall ist…

Natürlich ist das eine Herausforderung und fast schon eines der wichtigsten Themen, die ich vor mir habe: KI im programmnahen Bereich einsetzbar zu machen und das ZDF damit fit zu halten bei dieser Entwicklung. Ob nun fürs Fact-Checking oder in der Promotion. Wir wollen KI breit, aber verantwortungsvoll einsetzen. Dafür besteht auch eine große Offenheit bei den Kolleginnen und Kollegen im Haus. Als wir dazu zuletzt intern informierten, haben sich mehr als 800 Leute zugeschaltet. 


Künstliche Intelligenz im ZDF hat einen Namen: Marie Louise


Und wie setzt man KI verantwortungsvoll ein?

Wir haben uns in der Geschäftsleitung Grundsätze gegeben, um genau das einzulösen, was Sie ansprachen: Was ist die öffentlich-rechtliche Herangehensweise? Wie wollen wir in Partnerschaften auf Augenhöhe arbeiten, nicht in Abhängigkeiten geraten von Konzernen, die nicht die gleichen Ziele verfolgen? Wir arbeiten zusammen mit öffentlich-rechtlichen Akteuren wie der ARD aber auch privaten Wettbewerbern, die ein ähnliches Interesse verfolgen. An den Stellen, an denen es besonders sensibel wird, gehen wir auch selbst in die Entwicklung. Dafür haben wir ja unsere Tochterfirma ZDF Sparks gegründet, die sich mit KI-Fragen beschäftigt, beispielsweise wie ein öffentlich-rechtlicher Algorithmus aussehen müsste, der eben nicht nur mehr vom immer Gleichen fördert, sondern auch an Neues heranführt oder wie die Programmplanung mit KI weiterentwickelt werden sollte, die wir bei ZDFinfo ja bereits einsetzen. 

Wie nutzt ZDFinfo denn KI bei der Programmplanung?

Wir haben unser Planungstool liebevoll Marie Luise genannt. Marie Luise analysiert sehr genau die vergangene Nutzung und macht daraufhin Vorschläge für kommende Programmierungen. Der Programmplaner wird also nicht ersetzt, aber ihm wird die Recherche und Zusammenstellung der Abläufe vereinfacht. Und wir freuen uns, dass Marie Luise inzwischen schon ziemlich gut darin geworden ist, ZDFinfo zu optimieren.

 

"Gemeinsam Erkenntnisse gewinnen, wie öffentlich-rechtliche Medien den Diskurs im Internet verbessern können."

 

Die Abhängigkeit von Big Tech besorgt Ihren Intendanten erklärtermaßen - und Sie vermutlich auch - ebenso beim Thema Social Media. Deswegen hat das ZDF mit internationalen Partnern einen Public Spaces Incubator aufgesetzt. Was ist daraus geworden?

Der Kreis derer, die dabei sind, ist inzwischen größer geworden. Wir freuen uns, dass auch die ARD dazugekommen ist und einige weitere internationale Partner. Wir haben zusammen, wenn man so will, ein StartUp gegründet, das neue Ansätze für einen besseren Diskurs im Netz entwickelt. Bisher sind mehr als hundert Ideen zusammengekommen, die jetzt nacheinander auf Umsetzbarkeit geprüft werden. Die erste Anwendung ist bereits fertig. Hierbei geht es darum, in Diskussionen über das Schwarz/weiß-Denken hinaus auch Grautöne sichtbar zu machen. Also bei Interaktion nicht allein auf Like oder Dislike aus zu sein, sondern mittels Schieberegler zu differenzieren. Getestet haben wir das zunächst mit 1.600 Menschen aus unserem ZDFmitreden-Panel. Die ersten Erfahrungen sind sehr positiv. Die Debatten haben eine Qualität, die man sonst in Social Media oft nicht hat. Bei der Fußball-EM der Frauen haben wir jetzt auf ZDFheute.de einen ersten offenen Test gemacht. Im Lauf des Jahres wollen wir das Tool auch in unser Streamingportal einbauen, damit dort kommentiert und debattiert werden kann. Wir arbeiten also nicht an einem großen europäischen Airbus-Projekt, einer großen neuen Plattform, sondern an konkreten Elementen, die wir jetzt mit den verschiedenen Partnern in den verschiedenen Ländern testen, um gemeinsam Erkenntnisse zu gewinnen, wie öffentlich-rechtliche Medien den Diskurs im Internet verbessern können, um unserer Rolle in der digitalen Welt besser gerecht zu werden.

Sie sprachen das Streamingportal an, das neue Wording. Wie oft rutscht Ihnen selbst noch ZDF Mediathek raus?

(Lacht) Meine Kollegen haben mich am Anfang so oft korrigiert, dass ich es inzwischen ganz gut hinbekomme. Es ist erstmal eine Umgewöhnung, aber ich bin mir sicher, wir haben das bald alle drauf.

Dahinter steckt ja das langfristige Ziel, dass die App einmal das ZDF wird. Noch aber gibt es natürlich noch das linear sehr erfolgreiche Hauptprogramm. Hält sich die Relevanz noch die Waage?

Das Fernsehen ist weiter wichtig, aber im Kern der Strategie für die Zukunft steht das Streaming-Angebot. Damit wir dort stärker werden und wachsen, mussten wir uns neu sortierten. Deswegen auch der Aufbau der neuen Direktion Audience im ZDF, in der wir Portfoliosteuerung, Planung, Distribution und die Programmkommunikation bündeln. Ein Schwerpunkt liegt auch auf der Weiterentwicklung des technischen Plattformsystems mit ARD und Deutschlandradio. An der Entwicklung gemeinsamer Technik und am Inhalte-Austausch gibt es auch international Interesse. Also so wie ARD-Inhalte bei uns und ZDF-Inhalte bei der ARD zugänglich sind. Das könnte man auch mit anderen Partnern über deutsche Grenzen hinaus umsetzen.

Stichwort Content-Austausch. Was gibts eigentlich Neues in der Auseinandersetzung mit ProSiebenSat.1 wegen Joyn?

Wir sind tatsächlich in Gesprächen! Nachdem die Gerichtsverhandlung durch war und es dort zu einem eindeutigen Ergebnis kam, tauschen wir uns jetzt darüber aus, ob es eine Zusammenarbeit geben kann und wenn ja, wie diese aussehen könnte. Wenn sich eine sinnvolle Partnerschaft ergibt, wofür es halt eine Zustimmung von beiden Seiten braucht, warum nicht. Sie muss nur einen vernünftigen Rahmen haben.

Nochmal kurz zur ZDF App. Einer Pressemitteilung Ihres Hauses war kürzlich zu entnehmen: Januar und Februar waren die erfolgreichsten Monate. Also vor dem Relaunch...

Zum Jahresstart hatten wir relativ viele Highlights, die sehr gut funktioniert haben. Dann kam der Relaunch. Normalerweise hat man bei einem Relaunch ja immer erst einmal eine rückläufige Nutzung. Das hatten wir - anders als vor zehn Jahren - diesmal nicht. Wir sind gerade in der Phase, in der sich die Menschen auf der Streamingplattform erstmal neu orientieren, die neue Haptik und Usability verinnerlichen müssen. Sowohl die Nutzer-Tests, die wir gemacht haben, als auch die stabile Nutzerzahl zeigen uns: Das ist gut gelaufen, auch ohne technische Probleme.

Gibt es denn bei Ihnen auf dem Schreibtisch einen Zettel mit Verbesserungswünschen nach dem Relaunch?

Ja, klar – die Liste ist lang. Der Relaunch war ein großer Schritt, nun machen wir stetig weitere kleine Schritte. Das ist ein Prozess der kontinuierlichen Weiterentwicklung. Natürlich wird dabei auch das Feedback der Nutzerinnen und Nutzer berücksichtigt. Das ist sehr wertvoll. Um mal ein kleines Beispiel zu nennen: Uns - wie auch Amazon - war nicht ganz klar, wie viele Fire TV-Sticks der ersten Generation noch genutzt werden. Da gab es technische Probleme mit der neuen App, die wir schnell gefixt haben. Wir werden auch an dem Wunsch arbeiten, neue Programminhalte in der App sichtbarer als solche zu labeln. Wir schauen uns auch nochmal an, wie welche Marken im Streamingportal zur Geltung kommen, gerade wo jetzt fast nur noch Bewegtbild angeboten wird und Texte reduziert wurden. Das Live-Erlebnis zu verbessern, steht auch auf der Liste. Es gibt also durchaus einige Themen.

Aber dass ich beim ZDF online nicht mehr rausfinden kann, wer heute Abend bei Markus Lanz zu Gast ist - ist das ein Bug oder ein Feature?

Wir arbeiten aktuell an einem Preview-Feature für kommende Inhalte, um Promotionfläche für neue Programme zu schaffen. Für die tägliche Kommunikation von Gästen oder Themen ist eher ZDFheute.de relevant. Unsere Streaming-App folgt jetzt der Logik einer reinen Videoplattform. Das heißt Inhalte erscheinen dort erst, wenn sie als Video verfügbar sind. Das Streamingangebot ist ein Angebot zum Konsum unserer Videoinhalte, nicht für Vorankündigungen.

 

"Wenn wir in der Branche zu einer neuen Währung kommen, heißt das auch: weg vom schnellen Urteil am Morgen nach der Erstausstrahlung."

 

Wenn ich mit kommerziellen Anbietern spreche, plagt viele noch eine weiterhin fehlende gemeinsame Reichweite von linearer und non-linearer Nutzung. Wie sehen Sie das?

Transparente und verlässliche Marktdaten wären ein echter Gewinn für alle. Damit das gelingt, brauchen wir klare Konventionen. Das ist am besten über die AGF zu erreichen, die viele Entwicklungsschritte hierfür bereits hinter sich hat, die jetzt Stück für Stück sichtbar werden. Es gibt gerade mehrere Projekte, um Daten für eine Ausspielweg-übergreifende Währung anzureichern. Das hat lange gedauert, aber es ist auch unglaublich komplex. Im ZDF haben wir mit dem Formatkompass ein Tool entwickelt, bei dem wir Faktoren wie publizistische Resonanz, die lineare Quote, die OnDemand-Nutzung und die Reaktionen in Social Media in einem Dashboard zusammenfassen, damit die Redaktionen ein umfassenderes Bild von der Performance bekommen. Und wenn wir irgendwann in der gesamten Branche zu einer neuen Währung kommen, heißt das aber auch: weg vom schnellen Urteil am Morgen nach der Erstausstrahlung – und hin zu einem längeren Atem bei der Bewertung. 

Völlig richtig. Würden wir bei DWDL sofort unterstützen. Müssen wir uns eigentlich von der Sehbeteiligung als harter aber nicht mit dem Digitalen vergleichbaren Währung verabschieden, sprich auf Nettoreichweite gehen?

Das Fernsehen hat die härteste Währung von allen Mediengattungen und es ist gut, dass wir sie haben. Aber wir brauchen zusätzliche Kennzahlen, die übergreifend gelten. Wir gucken ZDF-intern auf Sehvolumen, also wie viel Nutzungszeit mit unseren Inhalten verbracht wurde. Außerdem auf die Reichweite, also wie viele Menschen Kontakt mit unseren Inhalten hatten. Dazu kommt die aus dem TV bekannte Sehbeteiligung, die gemittelte Reichweite über die gesamte Länge. Und die ist auch wertvoll. Wenn ich beispielsweise eine hohe Reichweite habe, aber die Verweildauer gering ausfällt, ist das auch eine klare qualitative Abstimmung des Publikums. Ich sag mal so: Viele wünschen sich die vermeintlich gute alte Zeit mit einer Zahl zurück, mit der sich Erfolg bewerten lässt. Ich befürchte aber: die gibt’s nicht mehr.

Jetzt ist das ZDF 2025 erneut auf bestem Weg klarer Marktführer zu werden im linearen Fernsehen. Jetzt ist Ihre Direktion auch für die Programmplanung zuständig. Kann man da dann nicht nur verschlimmbessern?

Man muss sicher sehr behutsam an die Elemente herangehen, die erfolgreich sind. Aber es gibt immer Optimierungsbedarf, nicht nur beim gerade angesprochen Streamingportal, sondern auch im Linearen. Man sollte auch nicht den Fehler machen und sich mit dem, was gut läuft, nicht beschäftigen. Es ist schließlich immer einfacher rechtzeitig aus einer Position der Stärke zu agieren als zu spät auf Veränderungen reagieren zu müssen.

Zuletzt haben Sie am Mittwochvorabend eine größere Änderung vorgenommen. Die bleibt?

Absolut, wir meinen es ernst und setzen an dieser Stelle weiterhin auf Non-Fiction. Es kommen in den nächsten Monaten weitere neue Formate. Wir sind hier kontinuierlich in der Entwicklung, auch bereits fürs kommende Jahr. Das man bei so vielen Experimenten nicht mit allen Zahlen immer zufrieden sein kann, ist auch klar. Aber wir bleiben dran.

Wo gibt es im Programmschema denn noch Optimierungsbedarf?

An verschiedenen Stellen. Bei ZDFneo haben wir zum Beispiel am Sonntagabend ein Schaufenster für die junge Fiction eingeführt, 3sat ist mit seinen Partnern in einem Strategieprozess, um die Frage zu klären, wie sich die Marke 3sat im linearen Programm wie auch in der digitalen Welt künftig positionieren sollte. Im Hauptprogramm werden wir im Herbst am Wochenendprogramm arbeiten. Wir wollen stärker sortieren und ein bisschen mehr Raum für Vertiefung bieten. Sonntags haben wir nach dem „Fernsehgarten“ sehr erfolgreich Factual-Programme etabliert und wollen da mit konstruktivem Journalismus, gesellschaftlichen Themen, Umwelt und Nachhaltigkeit anknüpfen. Da waren zuletzt auch schon Experimente sichtbar. Das bekommt mehr Sendezeit, also 45 Minuten statt 30. Am Vorabend hatten wir früher nach den 17 Uhr Nachrichten Sport, jetzt planen wir mit „Terra Xplore“ an der Stelle. Ursprünglich rein für Online entwickelt, passt es um 17.15 Uhr sehr gut, finden wir. Das Format wird auch auf 45 Minuten verlängert. Zudem ziehen wir die ZDF-Reportage vom Sonntag auf den Samstagvorabend und platzieren sie hinter dem „Länderspiegel“. Da entsteht ein überzeugendes LineUp mit Geschichten aus dem Leben in Deutschland. Und sonntags um 18 Uhr werden wir auf Wiederholungen setzen - das gehört auch zur Wahrheit, weil wir mehr Geld ins Streaming stecken. Dann muss es im Hauptprogramm auch hier und da mehr Wiederholungen geben.

 

Zwischen Medienpolitik & Marketing

 

Sie sprechen die Budgetverschiebungen an. Die führten auch dazu, dass man einige erfolgreiche Programme beendet hat, um mehr Budget frei zu haben für neue Ideen. Ist der Prozess abgeschlossen?

Wir haben das Luxusproblem, dass wir im Hauptprogramm nur Formate haben, die in ihrem Segment sehr erfolgreich sind. Das führt dazu, dass wir uns – auch wenn es am Ende schmerzhaft ist – von Formaten verabschieden müssen, die sehr erfolgreich sind. Nur so kann Neues entstehen. Denn selbst im Falle einer Beitragserhöhung werden wir nicht mehr Geld fürs Programm haben, weil die Inflationsrate das auffrisst. Deshalb schichten wir weiter Programmbudgets für Zielgruppen um, die wir momentan zu wenig erreichen. Aber das ist ein Marathon und wir laufen noch.

Jetzt haben wir über alle Ausspielwege des ZDF gesprochen: Von welchem kann man sich denn am einfachsten trennen, wenn Sie in den Austausch mit der ARD gehen, um den medienpolitischen Vorgaben einer Reduktion Folge zu leisten?

Aus ZDF-Perspektive gesprochen haben wir mit ZDFneo und ZDFinfo zwei Programme, die einen sehr wertvollen Beitrag dazu leisten, junge Publika anzusprechen. Der Medienstaatsvertrag, sollte er zum 1. Dezember in Kraft treten, sieht aber vor, dass die Anzahl der linearen Kanäle von ARD und ZDF im Informationsbereich um zwei und bei jungen Zuschauern um einen reduziert werden muss. Dazu befinden wir uns aktuell in Gesprächen mit der ARD. Diese sind noch nicht abgeschlossen. Aber ich habe das Gefühl, dass wir eine gute gemeinsame Lösung finden werden. Viel Zeit bleibt dafür nicht: Der erste Schritt muss schon 2027 umgesetzt werden. Und mit dem Jahr 2032 ist das Ende aller linearen Spartensender ja leider auch schon definiert. Bis dahin müssen wir die Transformation abgeschlossen haben.

Kurzer Exkurs zum Marketing, auch das fällt in den Aufgabenbereich der neuen Direktion. Mit welcher Konsequenz?

Wir haben unsere Marketingstrategie grundlegend überarbeitet. Bislang hatten wir eine senderspezifische Programmkommunikation. Nun machen wir diese nach Genre und Zielgruppen. In einem Pitch hat Serviceplan aus München einen Teil des Marketing-Etats verteidigt und Jung von Matt in Hamburg ist neu an Bord gekommen. Die übernehmen unsere Kommunikation für Information, Gesellschaft und Sport. Serviceplan übernimmt Fiktion, Unterhaltung und Kultur. Wir müssen in unserem Auftritt lauter werden, um regelmäßig über die Wahrnehmungsschwelle zu kommen. Da werden wir sehr bald neue Impulse in den Kampagnen sehen. Das besser auszusteuern ist auch eine Folge der neuen Organisation im ZDF, weil Kommunikation jetzt als integraler Bestandteil der Distribution betrachtet wird – von Pressearbeit bis Social Media.

In einer non-linearen Welt ist das ZDF für die meisten jungen Zuschauerinnen und Zuschauern nicht mehr „das zweite Programm“. Ist der Claim und die entsprechende Geste „Mit dem Zweiten sieht man besser“ im Streamingzeitalter noch zeitgemäß?

Bei der Frage der Positionierung und emotionalen Nähe zu jüngeren Publikumsgruppen müssen wir sicher neue Antworten finden. Aber die Geste und der Claim sind noch immer sehr bekannt und wir bleiben ja auch im Streamingzeitalter das ZDF. Das geben wir nicht auf - genauso wenig wie den orangenen Ball. Wir werden alles daran setzen, dass diese auch im Zweiten Deutschen Internet jeder kennt. 

Herr Kumb, herzlichen Dank für das Gespräch.