Richterin Barbara Salesch über Erfolg, Anspruch und Kritik an Courtshows

Foto: SAT.1 / Stefan MenneDWDL: Sie waren Vorreiterin in Sachen fiktionaler Unterhaltung am Nachmittag und sind dementsprechend oft stellvertretend für das Genre der Courtshows im Mittelpunkt der Kritik an der vermeintlich niveaulosen Nachmittags-Unterhaltung. Wie gehen Sie mit diesem Vorwurf um?

Barbara Salesch: Diese Kritik erreicht mich insofern nicht, weil es einfach kein niveauloses Nachmittagsformat ist. Ich bin Vorsitzende Richterin am Landgericht Hamburg gewesen, beurlaubt für diese Sendung auf Vorschlag der Senatorin, die sich sehr wohl etwas dabei gedacht hat. Dabei ging es auch darum, das Bild der Richter in der Öffentlichkeit neu zu prägen

DWDL: In wie weit wird denn durch Courtshows ein anderer Eindruck vermittelt? Sollen Courtshows etwa die Angst vor dem Gerichtssaal abbauen?

Barbara Salesch: Ich hoffe das. Wenn diese Sendung bewirkt, dass man bei Gericht freier auftritt, dass man wieder mehr Wert auf Wahrheit legt, dann wäre mir das sehr recht. Aber natürlich sind wir eine Unterhaltungssendung. Natürlich warte ich normalerweise bis die Beteilligten ausgesprochen haben und verzichte auf Beleidigungen oder drastische Einsprüche. Also man muss schon den Unterhaltungs-Anteil bei der Show abziehen, ganz klar.

DWDL: Wie würden sie denn abwägen zwischen den Anteilen an Unterhaltung und Realitätsnähe?

Barbara Salesch: Der Show-Anteil ist natürlich hoch, weil es ein Unterhaltungsformat ist. Aber wir haben ein sehr starres rechtliches Gerüst, d.h. es wird rechtlich nichts falsches gemacht. Ich verkürze zwar die Belehrungen, habe glücklicherweise bei der TV-Show immer alle Zeugen sofort da (lacht) - in Wirklichkeit renn ich denen immer hinter her, da beneiden mich meine Kollegen schon – und es kommt am Ende auch immer das Richtige raus. Aber es bleibt auch in der TV-Show eine Hauptverhandlung vom Anfang bis zum Ende. Einen Mörder fasst man im Übrigen in Wirklichkeit auch nicht in einer Stunde, in TV-Krimis geht es trotzdem. Ich kenne keine Mordkommission, die in einer Stunde einen Fall löst. So ist es auch bei uns: Es sind einfach gut erzählte Geschichten.

DWDL: …die sich langam aber sicher immer wiederholen. Welche Perspektive hat das Genre Courtshow denn?

Barbara Salesch: Bei einer täglichen Sendung ist es entscheidend, dass die Mischung stimmt. Und das die Mischung stimmt, zeigt mir mein Publikum. Vom Enkel bis zur Oma gucken alle und diskutieren auch mal a la „Was meinst Du, was kommt raus?“. Wir haben ja auch viele Schulklassen als Zuschauer im Studio und da freut mich auch das tatsächliche Interesse an Rechtskunde. Natürlich muss man denen aber sagen: Verwechselt Show und Leben nicht. Vor einem echten Gericht zu stehen, ist keine Unterhaltung.

DWDL: Sie haben angefangen mit echten Fällen und Betroffenen, sind erst später auf den Einsatz von Laiendarstellern und fiktionale Fälle umgestiegen. Auch alle ihre Kollegen setzen auf fiktive Verhandlungen. Lässt sich mit Realität keine Quote machen?

Foto: SAT.1 / Stefan MenneBarbara Salesch: Fiktional ist es geworden, weil wir auf Strafrecht umgestiegen sind und dies für das Fernsehen nicht zulässig ist. Also muss die Sendung geschrieben werden. Die Hintergründe unserer Geschichten sind sehr oft aus der Presse. Wir lesen ungemein viel und stellen bei der Lektüre fest „Das ist ein interessanter Fall, das ist eine interessante Geschichte“. Um diese Story stricken wir dann einen Fall, der sich so auch abgespielt haben könnte.

DWDL: Jetzt sind sie am Nachmittag schon lange nicht mehr alleine. Übersättigt diese Vielzahl an Courtshows den Zuschauer oder sind sie für die Konkurrenz ganz dankbar?

Barbara Salesch: Zunächst einmal kann ich das ja nicht steuern und beeinflussen. Und dann hat diese Konkurrenz ja auch etwas Belebendes. Meine höchsten Einschaltquoten kamen als bereits andere Courtshows auf Sendung waren. Stolz und glücklich bin ich natürlich darüber, dass wir dieses Format entwickelt haben, es so erfolgreich ist und wir 2002 den Deutschen Fernsehpreis für die beste tägliche Sendung bekommen haben. Und daher kann ich mit allen Konkurrenten prima leben (lacht). Und wir verstehen uns auch gut. Der „Saal“ von Frau Herz („Das Jugendgericht“, RTL, Anm. d. Red.) liegt direkt neben meinem „Saal“. Das sehen wir Richter da über die Sendergrenzen hinweg nicht so eng und eher kollegial.

DWDL: Thema Stolz: Bei all dem Wirbel um Anke Engelke hat SAT.1 mit Ihnen bereits eine Quoten-Queen. Kaum ein Sendetag an dem ihre Courtshow nicht zu den erfolgreichsten Sendungen des Senders gehört. Zum Teil führt dies dazu, dass SAT.1 so hohe Quoten „nur“ am Nachmittag erzielt…

Barbara Salesch: …wir hatten ja auch abends mal zwei Specials, die waren auch die erfolgreichsten Sendungen an jenen Abenden und deshalb habe ich es sehr bedauert, dass das nicht fortgesetzt wurde. Wir hatten damals aber wahrscheinlich auch keine Zeit dazu. Aber diese hohen Quoten auch am Nachmittag sind ja auch eine Verpflichtung. Wir müssen uns immer wieder etwas Neues einfallen lassen um dieses Quoten-Niveau zu halten.

DWDL: Von über zwei Millionen Zuschauern kann Frau Engelke am Abend nur träumen. Was kann sie von Ihnen lernen; wie gefällt Ihnen „Anke Late Night“?

Barbara Salesch: Ich find die Sendung wunderbar, aber sie muss auch die Zeit haben, ihren Stil zu entwickeln. Wir haben mit unserer Show ja auch nicht auf dem Quoten-Niveau angefangen, bei dem wir jetzt sind. Wir haben von SAT.1 auch viel Zeit bekommen und durften uns entwickeln. Mit der Zeit erst bekam die Courtshow auch wirklich meine Handschrift und die findet sich im Kern auch bei allen anderen Courtshows wieder.

DWDL: Danke für das Gespräch

Barbara Salesch: Vielen Dank.