Herr Körfer, wie kam ProSieben zu Twitter?
Am Anfang war es mit Sicherheit ein Experiment nach dem Motto Learning-by-doing. Wir wollten wissen, abgestimmt mit Geschäftsführung und Marketing, ob Twitter ein Medium ist, das ProSieben für die Kommunikation sinnvoll nutzen kann. Und es hat sich schnell gezeigt, dass es ein guter, neuer Weg ist, um direkten Kontakt mit unseren Zuschauern zu halten. Wohl wissend, dass Twitter auch ein gewisses Risiko mit sich bringt. Will sagen: Es kann ja nicht einfach jeder bei uns im Namen von ProSieben twittern. Und ich kann versichern, auch wenn das hin und wieder vermutet wird, bei uns hat noch nie ein Praktikant getwittert.
Dann sind wir schon bei der Frage aller Fragen: Wer twittert denn jetzt als @ProSieben?
Ein Team aus der Kommunikationsabteilung. An unterschiedlichen Abenden twittern unterschiedliche Experten. Wenn „Schlag den Raab“ läuft, dann twittert ein Redakteur, der die Sendung auch sonst betreut. Bei „Germany‘s next Topmodel – by Heidi Klum“ twittert eine Kollegin, die sich mit diesem Format gut auskennt.
Wie lange hat es denn gedauert, bis ProSieben seine eigene Twittersprache gefunden hat?
Das hat schon einige Wochen gedauert und ausgelernt hat man bekanntlich nie. Wir orientieren uns in der Art, wie wir twittern, ganz klar an unserem Markenverständnis. Wir schätzen unsere Follower. Aber wir sind auch in der Lage, mal einen frechen Tweet abzusetzen, der vielleicht nicht jedem gefällt. ProSieben darf anecken. Im Programm mit mancher Comedy und auch bei Twitter. Wir wollen vielen, müssen aber nicht allen gefallen. Das wäre bei Twitter dann auch zu brav und langweilig.
Kommunikation sollte nicht einseitig sein: Wie nutzt ProSieben das Feedback seiner Follower?
Wir bekommen unmittelbares Feedback zur TV-Ausstrahlung und nehmen es ernst. Manchmal gibt es ganz pragmatische Tipps: Beispielsweise beschwerten sich einmal Zuschauer via Twitter über schlechte Tonqualität. Wir konnten schnell die Regie informieren, die den Fehler fand und korrigierte. Wir haben dabei über die Zeit gelernt, die Meinung der Mehrheit zu erkennen: Wir nehmen natürlich auch einzelne Tweets wahr und die genaue Auseinandersetzung mit unserem Programm freut uns sehr. Aber bei inzwischen über 70.000 Followern müssen wir auch einen Blick für die Mehrheit haben. Da kann eine Einzelmeinung mal untergehen - das lässt sich nicht vermeiden. Wir analysieren aber genau, wenn gehäuft Kritik oder Lob kommen und geben sie dann an die jeweiligen Redaktionen weiter.
Hatte Twitter denn darüber hinaus Auswirkungen auf die Arbeit bei ProSieben? Etwa in der Zuschauerredaktion?
Eine Verlagerung gibt es nicht. Die Zuschauerredaktion bleibt auch in Zeiten von Twitter Hauptansprechpartner für die ProSieben-Seher. Das Feedback via Twitter ist additiv. Aber in der PR geben wir mittlerweile so manche Pressemitteilung weniger raus. Der Vorteil von Twitter ist, dass darüber verbreitete Informationen die Fans des entsprechenden Formats direkt erreichen. Und diese Personen tragen die Neuigkeit dann weiter. Beispiel: Wenn Stefan Raab eine Heavy-Metal-Band zu Gast haben wird, interessiert das einen Großteil der Zeitungen wahrscheinlich nicht. Aber bei Twitter erreichen wir mit dieser News direkt die Fans der Band - und die interessiert das sehr wohl. Mittlerweile hat Twitter sogar Einfluss auf unsere Kommunikation mit Bewerbern Wir haben gerade den ersten Praktikanten bei uns im Sender, der sich per Tweet beworben hat.
Sie sprechen die über 70.000 Follower an. Ab wann wurde denn aus dem spontanen Experiment ProSieben bei Twitter wirklich Arbeit?
Wir investieren inzwischen natürlich mehr Zeit in Twitter, das ist klar. Wir versuchen weiterhin alles zu lesen, aber es dürfte verständlich sein, dass wir nicht mehr jede Frage an uns direkt beantworten können. Wobei Twitter dafür aber auch das falsche Medium wäre. Wir würden viele Follower schlichtweg langweilen, wenn wir jede Nachfrage eines Zuschauers zu seiner Lieblingsserie oder Ausstrahlungsterminen individuell beantworten würden. Auch da gilt wieder ein bisschen die Orientierung am Interesse der Mehrheit.