Das macht die Vorbereitung natürlich auch ein wenig schwierig, weil man nie weiß, was von den Usern kommt, oder?

Meistens sind die Gedanken der Zuschauer gar nicht so wahnsinnig anders als die von uns Journalisten.

Also bräuchte man die Zuschauer womöglich gar nicht?

Doch, ohne die Zuschauer geht’s nicht. Weil deren Fragen bei uns für eine Sprache sorgen, die man in anderen Talkshows eben gerade nicht hört. Weil bei „log in“ eben keine fünf Politiker mit dem Journalisten in der Runde sitzen, sondern die Runde mit den Menschen draußen wesentlich größer ist. Und da klare Sprache gesprochen wird. Die sicherlich den einen oder anderen im Studio überrascht. Aber wir wollen nicht wie Jauch sein.

 

Gutes Stichwort: Ist es denn schwieriger, Gäste zu bekommen, wenn man nicht Jauch heißt und sonntags nach dem „Tatort“ sendet?

Es ist für uns natürlich wesentlich schwieriger, Sigmar Gabriel ins Studio zu bekommen – der übrigens tatsächlich noch nicht da war, obwohl wir uns sehr darüber freuen würden. Aber wir haben von den parlamentarischen Geschäftsführern der Bundestagsfraktionen bis zu einer ganzen Riege von MinisterpräsidentInnen in unseren Wahlsendungen viele prominente Gäste gehabt. Dass Hannelore Kraft vor der NRW-Wahl lieber zu uns kam als ins Hauptprogramm, war ein riesiges Kompliment. Dort hat man verstanden, dass man bei „log in“ eine andere Zielgruppe als bei Jauch oder Illner ansprechen kann. Und wir schaffen es immer wieder, mit unserem Format mehr Leute vor den Fernseher zu holen als „Stuckrad Late Night“ oder „Roche & Böhmermann“, obwohl die wesentlich mehr Promo haben.  

Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

Das zeigt nicht so sehr, wie geil wir sind, sondern dass man politische Themen für die junge Zielgruppe übersetzen kann. Und das funktioniert vor allem, weil wir die Menschen über die Kommunikationsplattformen sehr ernst nehmen.

Aber Norbert Röttgen hat noch zusätzlich für Promo gesorgt. War Ihnen in diesem Moment schon klar, dass seine Äußerungen hohe Wellen schlagen werden?

(überlegt) Nein, das war mir nicht klar.

Aber man nimmt es dankend an?

Das wäre unfair. Norbert Röttgen hat in unserem Format teilgenommen – das finde ich zunächst mal mutig und gut. Er hat dann einen Lapsus gebracht, der ganz bestimmt ironisch gemeint war. Manche sagen, das „bedauerlicherweise“ habe ihn die Wahl gekostet. Ich glaube das nicht. Aber es hat sicher etwas über seinen Wahlkampf ausgesagt. Und plötzlich hat sich die Kraft des Netzes entfaltet. Das sieht man alleine schon an den Klickzahlen des YouTube-Videos, das fast 500.000 Menschen gesehen haben. Das freut uns in der Weise, dass unsere Sendung wahrgenommen worden ist und dass man bei uns hinhört. Wie ein Großwildjäger, der gerade jemanden erledigt hat, komme ich mir nicht vor. Das ist auch nicht das Ziel der Sendung.

Kann denn eine Sendung wie „log in“ nur auf einem kleinen Sender wie ZDFinfo funktionieren oder wäre das nicht auch mal was für eine größere Bühne?

Wir hören immer wieder von Zuschauern die Frage, warum wir nicht im Hauptprogramm laufen. Mainz kennt diese Frage.

Die Antwort kennt Mainz aber noch nicht?

Es gibt die Hoffnung, dass Formate wie „log in“ Strahlwirkung im Hauptprogram entfalten. In den ehrwürdigen Redaktionen auf dem Lerchenberg sickert allmählich durch, dass man Fernsehen auch so machen kann, wie wir es aus Berlin tun. Es sind langsame Prozesse, aber ich hoffe, dass sie ein wenig Mut mit sich bringen. Und klar: Ich würde „log in“ auch im Hauptprogramm moderieren.

Zum Schluss die alles entscheidende Frage: Facebook oder Twitter?

Beides. Ich habe allerdings inzwischen den Eindruck, dass Facebook immer kommerzieller wird: der Anteil an Werbung nimmt zu und Menschen wie du und ich posten zumindest gefühlt immer seltener. Twitter schätze ich sehr. Wir haben bei uns in der Sendung eine Rubrik, in der die Gäste in 140 Zeichen antworten sollen. Das ist super, um klare Aussagen aus ihnen herauszubekommen. Aber die Verkürzung von Nachrichten ist auch in unserer immer schneller werdenden Welt nicht immer gut fürs Thema. Es gibt ein echtes Bedürfnis nach Tiefe. Für die politische Debatte sind 140 Zeichen deshalb nicht immer der richtige Weg.

Sie können mit gutem Beispiel vorangehen...

Meine Frage lautet immer: Wie können wir politische Themen für die Generation 30 ernsthaft, unterhaltsam und informativ umsetzen? Wir sind mit Formaten wie „log in“, „Verstärker!“ und „Ulrich protestiert“ auf einem echt guten Weg. Denn das ist endlich mal der Versuch, mit dieser Zielgruppe eine Debatte auf Augenhöhe zu führen.

Mit „Ulrich protestiert“ geht’s auch weiter?

Es wird im Herbst zwei oder drei neue Folgen geben. Mich freut es wahnsinnig, dass der Sender Geld in die Hand nimmt und solche Dokus möglich macht.

Herr Ulrich, vielen Dank für das Gespräch.