Davon abgesehen hat sich aber auch die Fußball-Berichterstattung selbst stark verändert. Sie erhalten inzwischen ja vor dem Anpfiff jede nur mögliche Information. Macht das den Job für den Kommentator wirklich einfacher und brauchen eigentlich die Zuschauer tatsächlich so viele Statistiken?

Die Zuschauer nicht, aber es liegt an mir, was ich aus diesem großen und sehr hilfreichen Angebot mache. Mit den Jahren lernt man zu filtern und nur noch das zu erzählen, was man selber interessant findet. Ich schaue mir grundsätzlich alles an. Manches passt, anderes nicht.

Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang denn Verschwiegenheit? Sie bekommen in Ihrem Job sicherlich viel mit, was offiziell noch keiner wissen darf. Aber eine 90-minütige Live-Reportage birgt da doch auch die eine oder andere Gefahr, oder?

Im Laufe der Jahre wird man erwachsen. Wenn Sie mir jetzt etwas sagen und ich plappere es raus, werden Sie mir morgen möglicherweise nicht wieder etwas erzählen. Ich weiß nicht, ob ich diese Erfahrung im Laufe der Jahrzehnte mal gemacht habe. Aber da vertraue ich meinen Benimmregeln.

Wenn man so viele Spiele im Stadion gesehen und vor allem auch kommentiert hat: Wie hat man Sie sich vorzustellen, wenn Sie ein Spiel sehen, es aber nicht kommentieren?

Es ist nicht so, dass ich vom Sofa aus kommentiere. Ich sehe mir Fußball sicher professioneller an als ein normaler Fan, weil ich möglicherweise jemanden auf dem Platz sehe, den ich nächste Woche vielleicht wieder kommentieren werde. Entspannen kann ich trotzdem. Ich schaue aber nicht alles und bin ganz sicher kein Fußball-TV-Junkie. Wenn ich frei habe, habe ich frei. Es muss nicht permanent irgendein Fußballspiel laufen.

Die Fernsehsender haben in den vergangenen Jahren zunehmend die Frauen entdeckt, zunächst vor allem vor der Kamera. Aber wie kommt es, dass der Fußball trotzdem nach wie vor eine ziemliche Männerdomäne ist?

Frauenfußball hat sich auch erst entwickelt und soweit ich weiß, spielen immer noch mehr Männer Fußball als Frauen. Daraus ergibt sich, dass Frauen, die zum Fußball kommen, in der Regel Quereinsteiger sind. Insofern haben Männer da fast immer einen Vorsprung. Aber mir persönlich ist das völlig wurscht: Jeder, der es gut kann, ist mir herzlich willkommen. Da wird sich sicher noch etwas tun, aber so lange mehr Männer Fußball spielen, wird es immer ein Übergewicht von Männern geben.

Muss sich Ihre Kollegin Christina Graf, die kürzlich das Kommentatorinnen-Casting bei Sky gewonnen hat, nun um Macho-Sprüche im Stadion sorgen?

Ich habe sie als selbstbewusste Frau kennengelernt. Sicher wird sie sich irgendeinen Quatsch anhören müssen. Aber es ist auch die Frage, wie man damit umgeht. Sie ist souverän und selbstbewusst genug, das wegzutun. Dann vergeht denen, die diese dümmlichen Sprüche machen, auch ganz schnell die Lust dran.

Sie selbst haben sämtliche Spitzenbegegnungen kommentiert, alle Stars gesehen. Und der Torfall von Madrid ist im April nun auch schon 15 Jahre her. Ich hoffe, dass RTL damals Ihre Überstunden bezahlt hat...

Das nicht, aber Helmut Thoma hat unsere Improvisation so gut gefallen, dass er Günther und mir damals noch eine Prämie bezahlt hat.

Und doch bleibt die Frage, was jetzt eigentlich noch für Sie kommen kann?

Am nächsten Samstag das beste Spiel, das ich je gesehen habe. Und wenn nicht an diesem Samstag, dann am übernächsten. Wenn ich diese Hoffnung nicht mehr hätte, würde ich den Vertrag nicht mehr verlängern. Ich kann auch so ganz gut warm essen.

Herr Reif, herzlichen Dank für das Gespräch.