Kommen wir von der Zukunftsmusik nochmal zurück, konkret zu wellenreiter.tv. Wir sprachen vorhin schon mal über die geänderte Nachfrage von Sendern. Wie haben Sie sich denn in den vergangenen Jahren gewandelt mit Ihrer Firma?

Alessandro Nasini: Wir haben uns insofern der Nachfrage des Marktes angepasst, als dass Unterhaltungsformate auch bei uns inzwischen eine wesentlich größere Rolle spielen als vielleicht noch vor vier oder fünf Jahren. Das wiederum hat auch den Kundenkreis erweitert. Wir haben aktuell für RTL eine Dokusoap entwickelt. Man schaut aktiver danach, wo attraktive Sendeplätze zu bespielen sind. 

Wann ist eine Sendung für Sie gut geworden? Woran bemessen Sie das?

Alessandro Nasini: Wenn wir das Gefühl haben, dass Zuschauer sich unsere Programme nicht nur anschauen, sondern sich auch mit ihnen auseinandersetzen und bestenfalls daraus etwas resultiert, dann haben wir alles richtig gemacht. 

Arne Merten: Ganz wichtig finde ich nach wie vor, die Sendungen dann auch bei der Ausstrahlung im jeweiligen Programmumfeld noch einmal zu gucken. Weil man dann erst nachvollziehen kann, in welchem Umfeld und welcher Stimmung dem Publikum unsere Stoffe gezeigt werden.

Im Frühjahr war Sabine Heinrich bei Ihrer WDR-Reihe Auf der Sucheschon dabei, am Samstagabend läuft die neue Sendung Frau Heinrich kommt– wellenreiter.tv setzt jetzt offenbar auch auf Köpfe statt nur auf Themen?

Alessandro Nasini: Auch das ist eine Entwicklung über die letzten Jahre. Wenn wir mit Protagonisten gut zusammenarbeiten können, dann entwickeln wir gerne gemeinsam weitere, neue Ideen zusammen. Dafür haben wir ja auch seit Jahren eine eigene Development-Redaktion. Und dort ist auch die neue Idee entstanden.

Arne Merten: Köpfe aufzubauen ist nicht nur für das Geschäft sinnvoll, sondern auch in der täglichen Arbeit einfach sehr angenehm: Wenn man mit Menschen arbeiten kann, die man mag und von denen man weiß, dass man gut mit ihnen kann. Und das Publikum sucht ja auch nach bekannten Gesichtern - über die kann man auch in neue Formate und Ideen einführen.

Aber jetzt mal scharf gefragt: Dieser Development-Redaktion fällt dann ausgerechnet eine neue Talkshow ein?

Alessandro Nasini: Die Grundidee des Gesprächs zwischen zwei Menschen wird immer spannend bleiben. Die Frage ist doch nur, wer fragt wen was und wie wird das fürs Fernsehen umgesetzt. Und wir erzählen Talk weiter, mit einem neuen Dreh. Wir gehen anders heran. Sabine Heinrich empfängt keine Gäste, sie reist mit ihrem mobilen Studio zu ihren Gästen - und hat jedes Mal das gleiche Publikum mit dabei.

Arne Merten: Wir ironisieren mit „Frau Heinrich kommt“ ein wenig das Konzept Talkshow - aber so, dass auch der typische Zuschauer des WDR Fernsehens nicht gleich verschreckt wird. Wir müssen da den Spagat zwischen 1Live und WDR Fernsehen meistern.

Stichwort Development nochmal. Da probieren sich gerade einige Produktionsfirmen auch im Web aus. Auch etwas für wellenreiter.tv?

Arne Merten: Das ist ein interessantes Feld, aber es kostet, weil dort jeder bislang mehr Geld reinsteckt als er rausbekommt. Wir experimentieren deswegen nicht mit YouTube-Channels, aber durchaus mit anderen WebTV-Geschäften. Das spielt allerdings verglichen mit unseren TV-Produktionen derzeit eine verschwindend geringe Rolle.

Alessandro Nasini: Wer verdient denn derzeit an YouTube, außer YouTube? Wenn ernstzunehmende Player kommen, die ein Finanzierungsmodell haben und auch bei der Produktion bereit sind, das wirtschaftliche Risiko zu übernehmen, dann ist das ein Schlüssel für die Zukunft. Das ist natürlich eher für Produzenten serieller fiktionaler Stoffe spannend.

In den USA stoßen ja immer mehr Factual-Fernsehsender in das derzeit so beliebte Fiktionale vor. Ihr Wettbewerber Storyhouse ist den Schritt auch gegangen. Wäre das auch was für wellenreiter.tv?

Alessandro Nasini: Fiction ist hier immer wieder mal ein Thema, gerade Fiction vor dem Hintergrund wissenschaftlicher oder historischer Themen. Wir bekommen auch immer wieder mal Drehbücher. Aber das dann wirklich ernsthaft zu verfolgen, wäre eine nicht unwesentliche strategische Unternehmensentscheidung, die wir bislang noch nicht gefällt haben. Aber ausgeschlossen ist das überhaupt nicht.

Dann kommen wir zum Ende hin doch zu einem konkreten Ausblick auf 2014. Was steht da bei Ihnen auf der Agenda?

Alessandro Nasini: Wir haben ein Stück für „ZDFzeit“ zum Thema Energie und Energie sparen, das noch im Winter fertig wird. Für den SWR arbeiten wir an einer Factual-Primetime-Show. Dann schauen wir natürlich, wie es mit „Frau Heinrich kommt“ weitergeht…

Arne Merten: Wir sind auch am Thema Backen dran.

Alessandro Nasini: Es wird auch eine zweite Staffel von „Auf der Suche“ geben, diesmal sogar für Das Erste. Auch das wird ein großes Projekt im ersten Quartal.

Man findet, um damit auch zum Ende zu kommen, auf Ihrer Website den Punkt Recherche. Sie rufen da sehr prominent platziert dazu auf, dass sich Zuschauer mit Ideen und Geschichten melden sollen. Was bekommen Sie da so über diesen Weg?

Alessandro Nasini: Da kommen die unterschiedlichsten Mails. Menschen, die eine Geschichten haben und jemanden suchen, der sie erzählt. Menschen, die Hilfe suchen. Manchmal auch nur Anmerkungen. Wir schauen uns das an, hören zu. Manches davon fließt dann auch in Ideen oder Sendungen ein. Und dann gibt es natürlich auch immer wieder mal Kritik - aber die ist auch willkommen. Schlimmer als Kritik wäre ja, Fernsehen zu machen, das einfach keinerlei Reaktionen hervorruft.

Herr Merten, Herr Nasini, herzlichen Dank für das Gespräch.