Mit dem kleinen Haken, dass alle Welt mitbekommen hat, wie Sie auf den Fake-Twitter-Account des falschen Harald Schmidt hereingefallen sind.

Das war meiner maximalen Nervosität geschuldet. Ich hatte drei Minuten, um Oliver Kahn das Twittern beizubringen, und ein bisschen originell sollte es auch noch sein. Auf meinem Rechner hatte ich diverse Twitter-Accounts als einzelne Tabs geöffnet. Harald Schmidt war der hinterste, den ich eigentlich gar nicht nehmen wollte. Plötzlich hörte ich mich selbst über Harald Schmidt reden und dachte noch kurz: War da nicht irgendwas? Aber da war es schon zu spät. Als ich danach meinen eigenen Twitter-Account checkte, hatte ich den Eindruck, ich hätte gerade vor laufender Kamera kleine Kinder verspeist. Und das ist der Grund, warum ich es nochmal so machen würde: Ich fand es entlarvend, wie selbstherrlich Menschen auf etwas einhauen und nur darauf warten, dass jemand einen Fehler macht.



Sie haben all diesen Menschen geantwortet.


Ich wollte nicht beleidigt sein, sondern Stellung nehmen zu meinem Fehler. Ich habe die ganze Nacht lang auf jeden einzelnen Tweet geantwortet – außer auf die, die komplett unter der Gürtellinie waren. Das hat mich sehr viel Kraft gekostet, weil es mir echt nah gegangen ist. Kurzfristig dachte ich: Du hast es in drei Minuten geschafft, dir alles zu versemmeln – vielleicht ist es jetzt hier für dich zu Ende mit dem Fernsehen. Im Nachhinein habe ich dadurch eine andere Souveränität im Umgang mit den direkten Kommunikationsmedien erlangt. Ich habe seither keine Angst vor Fehlern mehr, weil ich weiß, dass die Leute einem verzeihen, wenn man souverän damit umgeht.

Auch wenn Sie keinen Fehler gemacht haben, bekommen Sie nach jedem TV-Auftritt eine Menge Kritik und Feedback via Twitter und Facebook. Wie gehen Sie damit um?


Nach einer Sendung, an der ich beteiligt war, interessiert mich sehr, wie das Feedback ist. Wie finden all diese Menschen die Sendung? Kommt das, was ich mache, so an, wie ich es beabsichtigt hatte? Gerade aus analytischen Gesichtspunkten ist die Metaebene Twitter mehr als sinnvoll. Ich lese mir aber nicht jeden einzelnen Tweet und jeden einzelnen Facebook-Post durch. Ich muss nicht wissen, ob der eine meinen Hintern zu dick findet oder der andere mich heiraten will.

Aber wie filtern Sie das ganz konkret?


Da hilft mir meine "Ehrensenf"-Schule. Wir hatten damals eine Kommentarfunktion, die unter den Videos alle Kommentare aufgelistet hat. Manchmal waren das drei, manchmal 517. Ich habe gelernt, schnell über alle Kommentare drüber zu lesen und relativ schnell zu merken, ob ein Kommentar für mich wertvoll ist oder nicht. Alle Tweets, die in meiner "Verbunden mit"-Liste erscheinen, nehme ich wahr – und gerade bei 140 Zeichen sieht man ja schnell, ob da jemand etwas Interessantes oder Konstruktives beiträgt. Alles andere ist in Sekundenschnelle wieder raus aus meinem Kopf.

Würden Sie sich wünschen, dass mehr TV-Macher und -Verantwortliche dieses Analysetool so gezielt nutzen wie Sie?


Ich bin da sicher in einer besonderen Situation, weil ich fast ausschließlich mit Menschen zusammenarbeite, die sich auch überdurchschnittlich dafür interessieren – sei es bei ZDFinfo, beim Team der "Millionärswahl" oder bei Joko und Klaas und ihrem Team von Florida TV. Man kann sicher gehen, dass das Potenzial und das Interesse wachsen werden. Immer mehr werden erkennen, wie viel man über sein eigenes Programm lernen kann, wenn man auf die Social-Media-Ströme schaut und sie ernst nimmt. Ich halte das auch nicht für so eine große Revolution wie die Einführung des Farbfernsehens. Bei Joko und Klaas oder bei Jan Böhmermann sieht man doch schon heute, wie Fernsehen und Internet ganz naht- und zwanglos miteinander funktionieren können.

"TV-Sender können so einiges, was
kein YouTube-Channel kann"

Jeannine Michaelsen


Auf der anderen Seite erleben wir, dass YouTube-Netzwerke sich als neue TV-Sender bezeichnen und TV-Sender versuchen, YouTube-Stars abzuwerben. Sieht das nicht eher nach Verdrängungskampf als nach harmonischem Zusammenwachsen aus?


Ich halte nichts davon, wenn man versucht, zwei Systeme mit jeweils sehr eigenständigen Stärken einander krampfhaft überzustülpen. Wem sollte das etwas bringen? Wer Millionen Klicks bei YouTube kriegt, der ist im Zweifelsfall gut, weil er den Menschen ganz offensichtlich nicht egal ist. Das gibt es so im Fernsehen nicht mehr so oft, weil dort in der Breite viel "egalere" Sachen passieren. Aber in dem Moment, wo man denselben YouTube-Star den Regeln des Fernsehens unterwirft und er nicht mehr machen kann, was er will, ist er auch nicht mehr so gut. Dann kann man es gleich sein lassen. Umgekehrt haben TV-Sender nach wie vor ihre Berechtigung, weil sie so einiges können, was kein YouTube-Channel kann. Es ist doch ein gewaltiger Unterschied, ob man einfach nur Content abrufbar macht oder als Sender eine konzeptionelle Idee hinter einer Programmplanung hat.

Als junge, netzaffine Frau singen Sie das Hohelied des linearen Fernsehens?


Auf die lineare Art hat Fernsehen über Jahrzehnte grandios funktioniert. Das Internet hingegen funktioniert überhaupt nicht linear. Jetzt geht es doch eigentlich darum, wie man das Beste aus beiden Welten sinnvoll zusammenpackt. Natürlich nimmt die Bedeutung des linearen TV-Konsums in Zukunft weiter ab. Aber selbst dann wird Fernsehmachen eine weitaus anspruchsvollere gestalterische Aufgabe sein, als einfach nur wahllos Videos hochzuladen. Ich hoffe, dass ich noch an einigen schönen Sendungen mitwirken darf, die ganz spielerisch und unverkrampft beide Welten verknüpfen, ohne dabei deren spezifische Stärken zu verleugnen.

Frau Michaelsen, herzlichen Dank für das Gespräch.