Aber wir hinken dem amerikanischen Fernsehen nicht um 50 Jahre hinterher, wie es der Kollege Husmann meint?

Nein, weil der amerikanische Fernsehmarkt seine eigene Historie hat, genauso wie auch der deutsche Markt eine eigene Historie hat. Wir haben ein bemerkenswertes Angebot an Free-TV-Formaten. Es ist doch nicht so, dass hier alles schlecht ist! Das wird dem deutschen Markt nicht gerecht. Ich glaube schon, dass wir stolz sein können, ein derart breites Unterhaltungsangebot zu haben.

Aber es ist doch tatsächlich auffällig, dass die kleinen Privatsender keine Fiction produzieren wollen, sieht man mal von RTL II ab, die Ihnen im Dailysoap-Bereich mit "Berlin - Tag & Nacht" ja auch das Leben schwerer machen.

Konkurrenz macht uns grundsätzlich erst mal jeder, egal welches Genre bedient wird. "Köln 50667" und "Berlin - Tag & Nacht" sind sicherlich vergleichbar mit der Zeit, als erstmalig "Big Brother" kam. Da ist ein Genre-Hybrid entstanden aus realen Personen, die erzählerisch aufbereitet werden mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen. Aber ich sehe, dass es auch für solche Formate nicht einfacher wird, sie immer wieder zu beleben, weil die Steuerungsmöglichkeiten eingeschränkter sind. Da hat man's mit einem Drehbuch und echten Schauspielern etwas einfacher.

Wagen wir mal einen Ausblick: Im März werden die Dreharbeiten für eine neue RTL-Knastserie starten, für die Sie mit UFA Serial Drama verantwortlich sein werden. Erwartet uns da eine Soap zur besten Sendezeit?

Wenn Sie so wollen, dann ist das tatsächlich eine Soap zur besten Sendezeit, allerdings in der Zuspitzung und der Radikalisierung der Figuren nicht vergleichbar mit dem, was wir zuvor gemacht haben.

Ist das im Idealfall eine Serie, die man auch das ganze Jahr über durcherzählen könnte? Das müsste doch der Wunsch eines jeden Fernsehmachers sein.

Das ist sicherlich ein Ziel, aber ich bin mir nicht sicher, ob uns das mit dieser Serie gelingen wird. Da sind wir aber wieder am Anfang: Je spitzer ich eine Serie erzähle, desto geringer kann die Stückzahl sein. "Breaking Bad" war eine Serie, die in jedem Fall eine vergleichsweise kurze Staffel präsentiert hat – und zwar aus gutem Grund.

Ich wundere mich etwas, dass für die neue Serie UFA Serial Drama verantwortlich sein wird und nicht - wie etwa bei "Doc meets Dorf" - UFA Fiction. Ist schon alleine deshalb eine andere Herangehensweise zu erwarten?

Wir arbeiten durchaus mit Autoren zusammen, mit denen auch die UFA Fiction zusammenarbeiten würde. Ich bin auf das Format aufmerksam geworden, weil ich mit den Kollegen in Australien seit Jahren sehr eng zusammenarbeite. Die Frau, die die Serie "Wentworth" entwickelt hat, habe ich selbst schon persönlich betreut - insofern kannte ich das Buch bereits vor drei Jahren. Das Projekt ist also historisch gewachsen und hat mich von Beginn an sehr inspiriert, weil es ganz klare Themen sind, die darin verhandelt werden. Es geht um Schicksale von Frauen, die an einem bestimmten Moment ihres Lebens eine ganz spezielle Entscheidung getroffen haben und diese Entscheidung bestimmte das restliche Leben. Gleichzeitig geht es darum, dass Recht nicht gleich Gerechtigkeit ist.

Haben Sie Sorge vor dem "Hinter Gittern"-Vergleich?

Das finde ich normal. Wir müssen allerdings bei der Kommunikation darauf achten, den Zuschauern zu vermitteln, dass es nicht "Hinter Gittern" ist. Aber ich kann nur alle "Hinter Gittern"-Fans einladen, sich die Serie anzuschauen, weil wir gewissermaßen ein "Hinter Gittern 4.0" machen.

Bei RTL tritt in diesen Tagen Philipp Steffens seinen Job als Fiction-Chef an. Haben Sie schon mit ihm gesprochen?

Das Treffen steht noch aus. Auf ihn werden jetzt sicher viele Kontaktanfragen einprasseln, weil alle denken, dass man mit ihm über neue Themen diskutieren kann. Er steht für Ansätze, die einem nicht auf den ersten Blick einfallen. Insofern habe ich die Hoffnung, dass das auch Auswirkungen auf die Serien-Politik von RTL haben wird. Jetzt soll er aber erst mal ankommen. Da muss ich nicht als erster bei ihm aufschlagen, aber ich reihe mich selbstverständlich gerne ein.

Herr Reinhardt, vielen Dank für das Gespräch.