Herr Züll, manche Ihrer Ex-Kollegen aus der RTL-Gruppe waren überzeugt, Sie würden bei Studio Hamburg Ihr blaues Wunder erleben. Ist das schon eingetreten?

Nein, überhaupt nicht. Mir war vorher klar, dass es hier kein blaues Wunder zu erleben gibt, und ich bin in dieser Hinsicht auch nicht enttäuscht worden. Mir macht die Aufgabe sehr viel Spaß. Es gibt eine Menge Potenzial, von dem wir schon einiges realisiert haben.

Was haben Sie in Hamburg vorgefunden?

Ich habe eine starke Unternehmensgruppe vorgefunden. Studio Hamburg ist ein großer, umfassender Dienstleister für die Fernsehbranche, der mit vielen guten kreativen Köpfen hervorragend im Markt positioniert ist. Aber wir hatten in der jüngeren Vergangenheit natürlich das eine oder andere Problem bilanzieller Natur zu bewältigen. Die Jahre 2012 und 2013 waren vom Ergebnis her nicht so, wie sich das unsere Gesellschafter erhofft und erwartet hatten. Kurt Bellmann, mein Kollege in der Geschäftsführung, hatte deshalb bereits einige wichtige Schritte angestoßen, die wir inzwischen gemeinsam fortgeführt haben. Jetzt kann ich sagen, dass wir als Gruppe wieder recht gut dastehen.

 

Bevor Sie den Job übernommen haben, haben Sie sicherlich Stärken und Schwächen von Studio Hamburg analysiert. Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?

Zu den Stärken zählen sicher das breite Portfolio und die Mehrmarken-Strategie, die Studio Hamburg verfolgt, sowie unsere guten Kundenbeziehungen sowohl zu den Öffentlich-Rechtlichen als auch zu den Privaten. Eine strukturelle Schwäche ist, dass wir in Märkten arbeiten, die nicht gerade stark wachsen und auch nicht sonderlich hohe Margen aufweisen. Das kann man leider nicht ändern, damit müssen wir leben.

Also waren auch die Verluste in den vergangenen zwei Jahren unvermeidlich? Oder hat es da Ihrer Meinung nach Management-Fehler gegeben?

Ich bin niemand, der in Sachen Vergangenheit nachkartet. Ich schaue lieber nach vorn auf die Aufgaben, die heute und morgen zu erledigen sind. Ich glaube, unsere Gesellschafter werden in der Zukunft nicht unzufrieden mit uns sein.

Was haben Sie seit Ihrem Antritt denn schon verändert?

Wir haben uns intensive Gedanken über die Organisation und die Prozesse gemacht. Wir haben klar festgelegt, wie wir die Geschäfte führen werden, und damit vorhandene Doppelzuständigkeiten abgeschafft. Außerdem sind wir mit allen Beteiligten in einen detaillierten Budgetplanungsprozess eingestiegen, in dem wir klare Ziele festgelegt und vereinbart haben. Wir haben unsere Problemzonen unter die Lupe und in Angriff genommen sowie unsere Lieferantenbeziehungen genau angeschaut, um zu erkennen, was wir vielleicht besser selbst machen können oder an welchen Stellen Chancen zum günstigeren Einkauf bestehen.

Kann man das in einem Wort so zusammenfassen, dass es in erster Linie um Verschlankung geht?

Nein, denn wir halten die Gesamtleistung konstant, wachsen sogar leicht. Für mich heißt der Leitsatz eher „Studio Hamburg zurück auf dem Weg in die schwarzen Zahlen“. Und nicht zu vergessen: Wir investieren gezielt in die Zukunft.

Wie sehen diese Investitionen konkret aus?

Einen ersten wichtigen Schritt haben wir diese Woche unterzeichnet und wollen ihn - vorbehaltlich der Zustimmung durch die Kartellbehörden - möglichst rasch umsetzen: Wir erwerben die Park Studios in Potsdam-Babelsberg und geben damit auch ein klares Commitment für den Fortbestand unserer Studioaktivitäten am Standort Berlin ab. Mit den Park Studios verbindet uns eine enge Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren. So haben die Kollegen u.a. häufiger unsere Ü-Wagen eingesetzt. Konkret übernehmen wir vom bisherigen geschäftsführenden Gesellschafter der Park Studios, Jörg Weiland, die operative Geschäftstätigkeit in den Bereichen Produktions- und Übertragungstechnik sowie Postproduktion. Was wir nicht übernehmen, sind zusätzliche „Backsteine“. Das Studiogelände der Park Studios war bereits zuvor anderweitig verkauft worden und wird künftig für Wohnraumbebauung genutzt. Unser Studio-Berlin-Geschäftsführer Mike Krüger wird die Aktivitäten in Berlin und Potsdam künftig gemeinsam mit Nick Zimmermann führen, der von den Park Studios kommt.

"Wir befinden uns operativ auf einem guten Weg zurück in die schwarzen Zahlen"

Johannes Züll, Studio Hamburg


Der zwischenzeitlich geplante Verkauf von Studio Berlin ist damit also vom Tisch. Weshalb haben Sie ihn abgeblasen?

Wir haben dem Aufsichtsrat in der letzten Sitzung des Jahres 2014 Szenarien zu den drei denkbaren Optionen Verkauf, Verpachtung oder Eigenbetrieb präsentiert. Dabei haben wir die Zustimmung des Aufsichtsrats zum Vorschlag der Geschäftsführung bekommen, Studio Berlin im Eigenbetrieb und im größeren Verbund mit der Technik der Park Studios weiter zu betreiben. Wir sind fest davon überzeugt, dass dies den meisten Wert für die Gesellschafter schafft. Wir befinden uns operativ auf einem guten Weg zurück in die schwarzen Zahlen. Alle anderen Angebote waren nicht attraktiv und hätten Wert vernichtet.