Gibt es durch Warner eigentlich eine Verschiebung in den Genres auf die Sie einen Blick werfen?

Nein, bei den Genres nicht, aber das Serielle steht bei uns jetzt sehr viel mehr im Mittelpunkt - egal ob im Fiktionalen oder Non-Fiktionalen. Bei Eyeworks, einem Inhabergeführten Unternehmen, waren wir tendenziell stärker an One-Offs interessiert. Da zählt eben der kurzfristige Verkaufserfolg, um binnen Jahresfrist Umsätze zu generieren. Warner denkt da mit längerem Atem und sieht die Wertbildung durch den Aufbau von Programmmarken. Und Warner teilt unsere schon bei Eyeworks eingeführte Strategie der Koproduktionen. Wir wollen ganz ausdrücklich offen bleiben für projekt-bezogene Zusammenarbeit mit Künstlern und anderen Firmen, so wie wir mit HPR zusammen „Sketch History“ produzieren oder mit den Nagel Studios „Diese Kaminskis“ gemacht haben. Dieses Jahr entwickeln wir mit einigen YouTubern zusammen neue Formatideen. „Switch Reloaded“ war damals für uns bei Eyeworks der Einstieg in die Comedy - ein rückblickend wichtiger Schritt. Und genau dieses Experimentieren interessiert Warner: Das Schaffen eines Umfeldes für die Entwicklung neuer Ideen, die sich dann im Warner-Universum international nutzen lassen können. Unsere Türen bleiben weit offen.

Wir waren gerade beim „Bachelor“. Bleiben wir nochmal bei Reality und Dokusoaps. Welche Trends sehen Sie in diesen Genres?

In diesen Genres frisst das deutsche Fernsehen sehr viel Material, was es in dem Genre zunehmend schwieriger macht, noch Lücken zu finden, die groß genug sind. Wenn wir über Dokusoaps mit bekannten oder weniger bekannten Promis sprechen, dann hängt das Genre immer sehr stark davon ab, ob man so außergewöhnliche Menschen findet wie die Geissens. Das ist eine Trüffelsuche. Wir haben da ja auch so unsere Erfahrungen gemacht mit Lothar Matthäus. Das war ja ein Flop, weil wir nicht konsequent genug waren und Lothar Matthäus leider zu sehr Lothar Matthäus gespielt hat. Ganz klar sehe ich im Bereich Factualentertainment die Zukunft. Hier gibt es noch viele Themen und Geschichten zu erzählen.

Aber Ihr „Restauranttester“ tat sich zuletzt schwer.

Ja, unser „Restauranttester“ lief zuletzt nicht so gut, aber daran lässt sich arbeiten. Ich sehe besonders im Alltäglichen und Nachvollziehbaren noch viel Potential. Das funktioniert schon lange beim Thema Kochen, inzwischen auch beim Backen und „Bares für Rares“ bedient auch diese Lust auf nahbare Unterhaltung. Da hat sich die Einstellung der Sender auch geändert. Ich weiß noch, wie wir mit „Bares für Rares“ von Sender zu Sender gegangen sind. Wir waren überzeugt, dass Deutschland als Land der Flohmärkte bereit ist für so eine Sendung mit dem besonderen Reiz, unentdeckte Schätze zu finden. Aber es brauchte offenbar noch die gesellschaftliche Entwicklung weg von der Wegwerf-Gesellschaft zur neuen Lust auf Tauschen und Teilen. Und mit dem Blick voraus: Ich glaube mit ehrlicher Unterhaltung aus dem Alltäglichen lässt sich noch viel machen. Feel Good TV ist gefragt.

Wenn wir uns da international umschauen, gibt es nach wie vor sehr viele Make-Over-Shows für Häuser und Wohnungen. Aber dem Genre hat das Finanzamt in Deutschland ja den Todesstoß verpasst…

Ja, leider. Das ist wirklich ärgerlich.

Gut, dann kommen wir zur Fiction.

Wir blicken sehr intensiv auf Serienstoffe. Das ist unser erklärter Schwerpunkt. Ich mache mich da aber vielleicht bei manchen Serienfans unbeliebt, wenn ich sage, dass wir uns dabei nicht auf die gerade so gefeierten horizontal erzählten Serien festlegen. Diese Disziplin ist extrem schwer und Ausnahmen wie „Club der roten Bänder“ bestätigen da für mich eher die Regel. Der Erfolg des „Lehrer“ liegt sicher auch darin begründet, dass jede Folge auch für sich eine spannende Geschichte erzählt. Ich sehe es als Stärke und nicht Schwäche, wenn man eine gute Geschichte innerhalb von 45 oder 90 Minuten zu einem Ende bringt, bei dem das Publikum zufrieden ist. Wir sind mit „Wilsberg“, „Marie Brand“ und „Friesland“ schon sehr aktiv im fiktionalen Erzählen - auch wenn das Filmreihen sind. Dann sind wir derzeit in der Vorproduktion einer neuen Serie für einen Sender, dem ich die Kommunikation dazu überlassen muss. Für den Sitcom-Pitch von RTL haben wir auch einen Piloten gemacht.

Sind Sie denn im Serienbereich dann aber wieder klassisch im Krimi-Segment unterwegs?

Man bewegt sich in Deutschland immer oft und schnell im Krimi-Bereich, was sich bei der großen Nachfrage nach solchen Stoffen nicht umgehen lässt. Aber „Der Lehrer“ zeigt ja, dass man auch in Welten außerhalb der Polizei spannende, weitgehend abgeschlossene Geschichten erzählen kann. Ich muss immer an Klassiker denken wie „Die drei Damen vom Grill“. Das war eine kultige Serie bei der niemand darüber diskutiert hat, welches Genre das jetzt eigentlich ist. So etwas kommt wieder. Wie auch bei „Bares für Rares“ geht es um die Nähe zur Lebenswirklichkeit. Ich bin mir sicher, dass die Mehrheit der Menschen das Fernsehen zur Zerstreuung nutzt und Geschichten möchte, bei denen sie sich besser fühlen können. Drama ja, aber konstruktiv. Oder eben Sitcoms, die bei uns jahrelang sehr erfolgreich waren und dann hier in Deutschland auf einmal völlig vernachlässigt wurden. Da könnte uns jetzt helfen, dass aus den USA inzwischen keine neuen Sitcom-Hits mehr kommen. Aber das Genre ist schwer. Meiner Meinung nach ist das die Königsklasse.

Aber spüren Sie denn von den Sendern auch ein größeres Interesse an Serienstoffen?

Bei ARD und ZDF: Ja. Bei RTL ist man sehr intensiv auf der Suche nach den richtigen Genres und Stoffen. Da fehlt mir nur noch die Bereitschaft, auch mal mehr als nur ein Projekt zu beauftragen, was dann alle Erwartungen tragen soll. Was Sat.1 und ProSieben betrifft, habe ich deren Strategie bei deutschen Serien noch nicht ganz verstanden.

Kommen wir noch zum Show-Genre. Da war Eyeworks sehr oft mit One-Offs unterwegs in den vergangenen Jahren. Wie schätzen Sie da das Potential für Warner Bros. ein?

Ich glaube an die Gameshow. Wir sehen ja gerade, wie die ARD da im
Vorabendprogramm sehr erfolgreich mehrere Formate etabliert hat. Ich glaube, dass sich daraus noch mehr entwickeln kann. Wir haben mit „500 Questions“ ein sehr starkes neues Format im Katalog und freuen uns darauf, das Format bei RTL on air zu bringen. Die amerikanischen und skandinavischen Kollegen haben eine ganze Reihe von interessanten Formaten entwickelt. Ich warte darauf, dass die Privatsender mal wieder Lust auf neue Gameshow-Konzepte bekommen. Auch hier ist nur wichtig, dass die Sender an ein Genre glauben und entsprechend dem oft beschworenen Audience Flow nicht neue Genres vereinzelt platzieren.

Herr Jamm, herzlichen Dank für das Gespräch.