Herr Demmel, könnte man sagen: Das Geschäft des Nachrichtenfernsehens wurde auf den Kopf gestellt. Früher waren sie die permanent verfügbare Quelle. Das ist inzwischen das Internet. Dafür wird Nachrichtenfernsehen punktuell bei Ereignissen nachgefragt. Eventisiert könnte man sagen?

Eventisiert ist da vielleicht ein schwerer und unpassender Ausdruck. Ich würde auch nicht sagen, dass wir das Geschäftsmodell auf den Kopf gestellt haben. Aber es ändert sich derzeit massiv. Doch das geschieht evolutionär. Nehmen Sie die Börsenberichterstattung. Noch vor ein paar Jahren waren aktuelle Börsendaten die Stärke eines Nachrichtensenders. Heute gehört das immer noch dazu, aber wir müssen natürlich anerkennen, dass diese Daten inzwischen mobil sehr viel umfangreicher, detaillierter und oft auch schneller verfügbar sind.

Klingt nicht ideal für einen Nachrichtensender.

Das Nachrichtenfernsehen ist dabei, sich auch in der Form mehr in Richtung Hintergründe und Einordnung von Nachrichten zu entwickeln. So machen wir bei Breaking-News nun am Abend mehr. Wir verlängern beispielsweise unsere Nachrichtenstrecke jetzt häufiger von 18:30 auf 19 Uhr und nutzen die 23 Uhr-Strecke für die Tageszusammenfassung. Die ist dann auch hintergründiger, nimmt sich etwas mehr Zeit zu erklären. Wir arbeiten zum Beispiel auch an einem neuen Nachrichtenstudio für n-tv, mit dem wir ab Sommer auf die geänderten Ansprüche reagieren wollen. So werden längere Live-Strecken mit Gästen im Studio besser umsetzbar sein und es wird mehr Optionen geben, komplexe Sachverhalte auch optisch zu erklären. Und digital sind wir mit n-tv.de und unseren Apps ohnehin sehr erfolgreich aufgestellt.

Wie würden Sie n-tv beschreiben? Was soll mir der Sender bieten?

Wir verstehen uns in erster Linie als linearer TV-Nachrichtensender. Wir haben auch im letzten Jahr, leider aufgrund von meist negativen Ereignissen, unseren Nachrichtenanteil wieder deutlich hochgefahren. Wir liegen da 2015 um die 55 Prozent. Unter 50 Prozent lagen wir nie. Da ist natürlich auch viel Wirtschaft drin. Es gibt aber auch Informations- und Diskussionsbedürfnisse darüber hinaus. Das decken wir mit Dokumentationen unterschiedlicher Genres und Farben ab. Mal weniger, mal mehr populär. Dann gibt es noch den Talk. Mit Serdar Somuncu probieren wir, das Genre um etwas Ironisch-Satirisches auszubauen und damit jüngere Zielgruppen anzusprechen.

Also die, die Heiner Bremer unter Umständen nicht mehr erreicht?

Ich weiß, was Sie meinen, aber Heiner Bremer gehört zu den klügsten Köpfen, die diesen Sender geprägt haben und „Das Duell“ ist gerade in Abgrenzung zu den Kuschelrunden von ARD und ZDF ein wichtiges Format für uns. Für manche Aufgaben braucht es Autoritäten und er ist zweifelsohne eine.

Früher hatte n-tv mit dem „Nachschlag“ ja mal eine eigene regelmäßige Satire-Sendung.

Die pointierte, politische Satire gehört leider nicht wirklich zu den deutschen Grundfähigkeiten. Wenn man sich die Tradition des StandUps in anderen Ländern anschaut, dann erklärt sich, warum wir woanders stärkere Satiriker erleben, die dann häufiger den Weg ins Fernsehen finden. Bei uns gibt es, im Bereich Politik, nicht so viele geeignete Köpfe dafür.

Aber Köpfe und Meinungen scheinen inzwischen eine größere Rolle zu spielen?

Amerikanische Verhältnisse kann sich bei uns niemand wünschen. Darüber haben wir ja schon häufiger gesprochen. Sicherlich gehören aber neben der Marke, der vertraut wird, auch die Persönlichkeiten dazu, die sie verkörpern. Mit Constantin Schreiber haben wir derzeit jemanden, der auch bei jüngeren Zuschauern landen kann. Wir freuen uns auch sehr über den Grimme-Preis und die Anerkennung seiner und unserer Leistung bei der Umsetzung von „Marhaba“. Wir haben aber auch u.a. Raimund Brichta, der in der Finanzszene eine absolute Autorität ist, oder Sandra Navidi, die tiefes Fachwissen charmant vermittelt. Es schälen sich schon einige Persönlichkeiten heraus.

"Im Journalismus geht es ja nicht nur ums Geld verdienen."

„Marhaba“ war eines der ersten medialen Projekte für Flüchtlinge, umgesetzt von einem Privatsender. Wer kam da auf wen zu? Wie ist das entstanden?

Constantin Schreiber kam mit der Idee auf uns zu. Durch seinen Background und persönlichen Bezug zur arabischen Kultur, hat er viele mögliche Problemfelder für Flüchtlinge hier in Deutschland erkannt. Zusammen mit einem motivierten Team hat er sofort losgelegt und in kürzester Zeit die erste Sendung auf die Beine gestellt. Wir sehen das als ein gesellschaftspolitisches Engagement. Das ist ein schönes Beispiel dafür, dass man mit gutem Willen und relativ wenigen Mitteln und Aufwand, eine tolle Idee umsetzen kann. Ich finde die Aktion und ihre Umsetzung sehr sympathisch. Im Journalismus geht es ja nicht nur ums Geld verdienen.

Eine erfreuliche Sichtweise. Tröstet man sich damit auch, wenn Sie bei tragischen Nachrichtenereignissen zwar Rekordquoten holen aber dann die Werbepausen ausfallen lassen?

Bei dramatischen Nachrichtenereignissen, bei denen es um Menschenleben geht, kann man nicht einfach aus dem Programm in die Werbung gehen. Da waren wir zuletzt bei den Anschlägen in Brüssel stundenlang ohne Werbepause on Air. Es ist einfach so und es ist dann auch gut so. Ein Aspekt unseres Geschäfts mit dem man leben muss. Ändern kann man es nicht.

Wir waren gerade beim Geld verdienen. Wie viel verdient n-tv denn?

Wir nennen keine Zahlen.

Ich weiß. Und trotzdem versuche ich die Frage der Vollständigkeit halber immer wieder.

Wir verzeichnen eine stabile, positive Entwicklung. Es ist kein Geheimnis, dass es schwierig ist, einen Nachrichtensender zu refinanzieren. Unser Programm ist einfach sehr teuer. Wir sind jetzt aber seit fünf Jahren auf einer Ebene deutlich über der schwarzen Null. Wir verdienen Geld und leisten damit auch in dieser Beziehung unseren Beitrag zur Mediengruppe RTL Deutschland.

Wie wichtig ist dabei inzwischen das Online-Geschäft für n-tv?

Es sind mittlerweile ungefähr 20 Prozent des Umsatzes. Das ist schon deutlich. Wir sehen aber auch wirklich spannende Zuwachsraten. Wir haben keinen Monat unter 100 Mio. Visits auf n-tv.de und unseren mobilen Angeboten. Mittlerweile sind die Digitalangebote für uns mehr als eine strategische Absicherung und in Anbetracht auf das junge Publikum sicher mindestens so wichtig wie das TV-Angebot.

"Es gehört jedenfalls zur DNA eines jeden n-tv Mitarbeiters, sofort loszulegen, wenn etwas passiert."

Dort werde ich ja ggf. auch schneller informiert als in ihrem TV-Programm, wo manche News länger braucht bis sie über den Sender geht.

Es macht einen Unterschied, ob etwas am späten Freitagabend passiert, Sonntagfrüh um 4 Uhr oder eben am Dienstagvormittag. Bei den Anschlägen in Brüssel war das Team in Vollbesetzung einsatzbereit. Wenn man schon auf Sendung ist, kommt man natürlich schneller ins Thema rein. Das ist in Randzeiten rein personell eben schwieriger, auch wenn wir stets einen zuständigen Redakteur haben, der sich in besonderen Situationen auch mal schnell vor die Kamera setzen kann, um zu berichten. Es gehört jedenfalls zur DNA eines jeden n-tv Mitarbeiters, sofort loszulegen, wenn etwas passiert.

Wenn beim Blick auf die Tagesmarktanteile Ihr Wettbewerber N24 häufig vor Ihnen liegt bei den 14- bis 49-Jährigen, dann sagen Sie…

… dass das eine Frage der Zielgruppen ist. Beim Gesamtpublikum, also Zuschauern 3+, sind wir zum Teil bis auf die zweite Stelle hinter dem Komma gleichauf. Da liegen wir beide im Moment bei einem guten Marktanteil von 1,1 Prozent. In der für die Vermarktung angepeilten Zielgruppe unterscheiden sich die beiden Sender durch unterschiedliche Programmansätze. Der Begriff Marktführer bezieht sich bei mir aber immer auf den Gesamtmarkt und nicht auf einen Teilmarktanteil und da sind wir in der Tat ganz nah beieinander.

Sehr diplomatisch.

Ich kann es ja auf die Spitze treiben. Die Kollegen machen auch ein gutes Programm. Wir haben schlicht und einfach ein anderes Konzept.

Herr Demmel, herzlichen Dank für das Gespräch.