Sie hatten Ihren ersten Auftritt in „Game of Thrones“ am Anfang der zweiten Staffel und wurden dann als Jaqen H‘ghar Teil einer außergewöhnlichen Nebendarsteller-Riege. Es entstand fast so etwas ein Kult um ihren Charakter. Banal gefragt: Wie erklären Sie sich das?

Jaqen H‘ghar ist natürlich eine sehr dankbare Rolle. Er hat diese absurde Art in der dritten Person zu sprechen und wirkt an sich einfach geheimnisvoll. Er ist ein Killer, aber gleichzeitig eben auch Sympathieträger. Das gibt es nicht ganz so oft. Ich glaube aber auch, dass die Leute Arya (gespielt von Maisie Williams, Anm. d. Redaktion) sehr mögen und ihren Weg verfolgen. In den Momenten, wie in Staffel 2, in denen ich ihr helfe, stehe ich natürlich als Held da. Nach Staffel 5 habe ich aber auch die ein oder andere gegenteilige Meinung gehört (lacht).

Stimmt. Frauen erblinden lassen. Nicht die feine Art.

Naja, nicht direkt erblinden. Das war bei Arya aber auch nicht ganz unverdient. Es war ihre eigene Schuld und von daher schon notwendig. Ich mache es nur ein bisschen schwieriger für sie, um sie richtig zu fordern. Wenn ihr Weg zu einfach wäre, könnte es jeder.

Wie sind Sie überhaupt zu Aryas Mentor, also dieser Rolle gekommen? Wurde es Ihnen in Deutschland zu langweilig?

Das alles war nicht unbedingt Zufall. Ich habe mir vor ungefähr 10 Jahren eine Agentur in London gesucht, weil ich international arbeiten wollte. Die ersten zwei, drei Jahre ist dann erstmal gar nichts passiert. Ich bin zu einer Menge Castings geflogen, ohne dass etwas geklappt hat. Dann ging es so langsam los, aber mit kleineren Jobs. „Game of Thrones“ wird unter anderem auch in London gecastet. Zuerst habe ich einfach ein selbstgedrehtes iPhone-Video eingeschickt. Dass das dann geklappt hat, war natürlich auch etwas Glück.

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„Das Haus von Schwarz und Weiß“ is sozusagen Ihr Zuhause in der Serie. Ein sehr imposantes Gebäude. Was davon ist echte Kulisse und was CGI? 

Das Bauwerk an sich ist CGI, richtig. Das wars dann überraschenderweise aber auch, was Effekte angeht. Die Halle der Gesichter und alle anderen Räume sind im Studio in Belfast. Das ist wirklich beeindruckend, denn als ich die Drehbücher zu den Episoden der fünften Staffel gelesen habe, dachte ich mir sofort: „Alles klar, da wird ganz viel CGI und Greenscreen dabei sein. Es wird ein bisschen gebaut und der Rest dann am Computer gemacht.“ Als ich am ersten Drehtag im Studio angekommen bin, war da aber tatsächlich alles aufgebaut. Die Halle der Gesichter ist so groß, dass sie einer Kathedrale ähnelt. Die Gesichter, die man in der fertigen Folge sieht, sind auch nicht animiert worden. Die hängen da so rum. Ist auf der einen Seite natürlich etwas gruselig, aber auch sehr eindrucksvoll. Für einen Schauspieler ist das super, da er sich dann nichts mehr vorstellen muss, anders als vor Greenscreen. Du bist da wirklich in der Situation, in dem Moment. Das ist toll, kann aber natürlich auch nur bei einer Produktion zu Stande kommen, die etwas Budget hat.

Das hat HBO zweifelsohne. Welche Serien guckt ein Mann eigentlich privat?

„Narcos“ finde ich ganz toll. Super Produktion. Da ist es vor allem interessant, dass das Original-Footage von den Ereignissen in Kolumbien geschickt mit reingeschnitten wurde. „The Americans“, „Transparent“ und natürlich „House of Cards“ waren noch ein paar andere Highlights.

In Sachen Populariät und Bekanntheit kann von den genannten Serien sicher nur "House of Cards" mithalten. Woher kommt ihrer Meinung nach der große Kult um "Game of Thrones"?

Bei „Game of Thrones“ ist es meiner Meinung nach so, weil die Bücher super sind und es die schon über 20 Jahre gibt. In Amerika gibt es seitdem eine eingeschworene Fan-Gemeinschaft, die also schon vor der Verfilmung bestand.

Für die USA lass ich das gelten, aber in Deutschland waren die Bücher vorher nicht soweit verbreitet.

Genau. Ich kannte die Bücher und die Serie nicht einmal, bevor ich gecastet wurde. Die Macher sind aber extrem clever und wussten, dass so etwas gut funktioniert. „Game of Thrones“ läuft sozusagen in der Tradition von „Der Herr der Ringe“ und da wurde ja deutlich, wie sehr das Fantasy-Genre überzeugen kann. In meinen Augen ist die Serie dann aber doch ein bisschen weniger Fantasy als ein moderner Shakespeare. George R. R. Martin sagt zudem selber, dass er ein riesiger Fan von europäischer Geschichte ist. Dazu findet man in seinen Büchern zahlreiche Hinweise, ob es die Rosenkriege aus England sind oder „Das Haus von Schwarz und Weiß“ und die gesichtslosen Männer. Die stellen für mich nämlich den Übergang vom Polytheismus zum Monotheismus dar, also von den ganzen alten griechischen und römischen Gottheiten hin zum Christentum. Man findet da ganz viele Parallelen.

Ebenso „Die rote Hochzeit“, die in Schottland im 17. Jahrhundert ungefähr genauso stattgefunden haben soll. Aber bevor wir hier aber alte Wunden aufreißen, wechseln wir das Thema: Wie wir kürzlich erfahren haben, wird „Game of Thrones“ ja vermutlich nach der 8. Staffel enden. Aber Sie dürften ja durch diese Bühne einige neue Angebote bekommen haben - aus Deutschland und international.

Ich suche mir meine Projekte nicht nach Ländern aus. Als Schauspieler sollte es da eher nach guten Drehbüchern gehen. Da habe ich momentan den Luxus, dass ich mehr Auswahl zwischen Angeboten habe. Das ist eine Situation, die man in dem Job nicht all zu oft hat, dafür bin ich „Game of Thrones“ auch extrem dankbar. Ansonsten drehe ich weiterhin genauso gerne in Deutschland, hier wird immerhin meine Sprache gesprochen. Da gibt es nochmal einen ganz anderen emotionalen Kosmos, der sich mit der Sprache verbindet und im englischen nie so besteht. Dennoch ist es ein Fakt, dass die interessantesten Drehbücher meistens woanders herkommen.

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In Deutschland stehen eigenproduzierte Serien zudem noch immer im Schatten des erfolgreichen und etablierten Fernsehfilms. Finden Sie das als Schauspieler schade?

Aus Produktionssicht heraus schaut man natürlich, dass sich eine Sache gut verkauft und potenziell kommerziell ist. Aus Schauspielersicht gucke ich auf die Rolle. Gefällt mir die Rolle, spiele ich auch unbezahlt in einem Studentenfilm mit. Serien haben den Reiz für den Schauspieler, dass er seinen Charakter tiefer und länger erzählen kann. Wenn eine Serie horizontal erzählt wird, kann man auch viel mehr Facetten mit einfließen lassen. In Deutschland haben wir in Serien meist die episodische Erzählweise, das heisst, es gibt jede Woche eine abgeschlossene Handlung innerhalb der Folge. Das finde ich etwas altbacken. Das würde ich auch nicht gerne lange machen wollen, da dort die Gefahr besteht, in irgendeiner Schublade zu landen. Ich bin als Schauspieler ja auch angetreten, um möglichst unterschiedliche Rollen zu spielen und nicht eine mein ganzes Leben lang.

Bedeutet das, dass dieser Ausflug in die Fantasy- und Mittelalterecke für‘s Erste genug war?

Ich drehe total gerne historische Stoffe und mit „Game of Thrones“ in dem Fantasy-Kontext eben in einem historischen Setting. Klar macht das Spaß, die meisten Sachen die man dreht, sind eher zeitgenössisch. Da macht es zwischendurch auch mal Laune, sich eine Rüstung anzuziehen und eine Langhaarperücke anzukleben.

Sie spielen seit 2013 ebenfalls in der deutsch-amerikanisch-französischen Action-Krimiserie „Crossing Lines“ mit. Nach Auftritten in Serien wie „GSG 9“, „Tatort“, „Alarm für Cobra 11“, „Der letzte Bulle“, „SOKO Leipzig“ und vielen mehr scheint mir, dass Ihnen diese Richtung besonders liegt ...

Ich würde nicht sagen, dass ich einen besonderen Hang zu Krimi- und Actionserien habe. Aber diese Serien werden viel produziert und haben nunmal viele Zuschauer.

Ende des Jahres wird Ihr neuer Film "Berlin Falling" erscheinen. Darin spielen Sie, unter der Regie von Ken Duken, einen geheimnisvollen Typen, der an einer Tankstelle eine Mitfahrgelegenheit braucht und dann alles andere als ruhig agieren soll. Ein Film für die ganze Familie?

Auf jeden Fall ein Familienfilm, da ist für jeden was dabei (lacht). Nein, es ist eine gute Mischung aus Road Movie, Thriller und spannender Geschichte. Man darf neugierig sein.

Bei „Arlo & Spot“ haben Sie letztes Jahr auch mit einer Sprechrolle für einen Animationsfilm experimentiert. Einfacher oder schwerer, als das schauspielern?

In erster Linie macht es Spaß. In dem Film habe ich einen depressiven Dinosaurier synchronisiert, da kann man dann schon die ein oder andere Sache ausprobieren. Da man bei so etwas nur die Stimme hat, kann man die Emotionen nicht noch mithilfe von Gestiken aufpeppen. Das muss dann schon so funktionieren. Aber das gefällt mir an dem Beruf, dass er so viele Facetten hat und man so viel austesten kann.

Wird man Sie dann auch bald auf dem Regie-Stuhl sitzen sehen? Auch ein beliebtes Experiment mancher Kolleginnen und Kollegen.

Im Moment habe ich in die Richtung eher noch wenig Ambitionen. Ich bin der Meinung, dass ich als Schauspieler noch nicht alles ausprobiert habe, deswegen ist die Welt vorerst vor mir sicher, was das betrifft (lacht)

Sie jetten nicht nur um die Welt, Sie wollen auch auf Probleme eben dieser aufmerksam machen. 2015 waren Sie für das Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) in Äthiopien für Ernährungssicherheit und in Bolivien wegen dem Klimawandel unterwegs.

Genau. Wir haben kurze Dokumentarfilme gedreht, die anschließend auf YouTube hochgeladen wurden und die Leute etwas sensibilisieren und auf die Arbeit des BMZ aufmerksam machen sollen. Ich interessiere mich für internationale Politik und deswegen hatte ich Lust dazu. Außerdem hat es mich gereizt in Länder zu reisen, die nicht unbedingt Urlaubsziele sind und wollte mir anzuschauen, wie es dort mit den Entwicklungshilfen aussieht.

Zum Abschluss des Gespräches würde ich gerne Ihre Vorstellung zum potenziellen Ende von „Game of Thrones“ hören. Ideen wie es ausgehen könnte? Wer sollte Ihrer Meinung nach auf den eisernen Thron? Die Antwort „Jaqen H‘ghar“ zählt nicht.

Ich weiß nicht, ob George R.R. Martin überhaupt selbst schon weiß, wie er es enden lassen möchte. Zudem gibt‘s ab der 6. Staffel keine Buchvorlage mehr, was heisst, dass die Produzenten eine relativ freie Hand haben und ein anderes Ende wählen könnten, als es Martin wird. Eine meiner Theorien ist, dass am Ende niemand auf dem eisernen Thron sitzt, sondern er als Sinnbild für ‚Macht über alles‘ zerstört wird.

Ich vermute in die gleiche Richtung. Möglicherweise verbünden sich alle Parteien um gegen die eigentliche Bedrohung, die weißen Wanderer, bestehen zu können. Wäre das aber ein nicht zu vorhersehbares Ende für eine Geschichte, die uns bisher so oft überrascht hat?

Ich glaube, dass da keine Gefahr besteht. Wie Sie meinten, wurden wir bisher immer überrascht und ich glaube, dass sich das nicht ändern wird.

Hoffen wir es. Es wäre schade, wenn die Serie das gleiche Schicksal wie "Lost" erleidet - und man sich im Nachhinein wünschen würde, es wäre eher Schluss gewesen. Wie lange schon soll jetzt der Winer kommen ...

Ich glaube, wir werden uns überraschen lassen müssen. Ich jedenfalls bin ganz fest davon überzeugt, dass der Winter kommt. Ob es dann nochmal Frühling wird, ist eine andere Frage. Wie man jetzt schon sehen konnte, hat es sich in der 6. Staffel extrem zugespespitzt. Die Situationen werden immer existenzieller, immer bedrohlicher.

Herr Wlaschiha, vielen Dank für das Gespräch.