2009 hat Joachim Hiller mit "Kochen ohne Knochen" eines der ersten Magazine für Menschen auf den Markt gebracht, die kein Fleisch essen. Anfangs hat er noch versucht, ein Heft für Veganer und Vegetarier zu machen, aber "Veganer mögen Vegetarier nicht sonderlich". Im Interview erzählt er, was er mit "Kochen ohne Knochen" erreichen will und was die Hardcore- und Punkrockszene eigentlich mit Vegetarismus/Veganismus zu tun haben.

Herr Hiller, Sie haben schon lange vor dem Hype, mit "Kochen ohne Knochen" ein veganes Magazin herausgebracht, wieso war Ihnen das so wichtig?

Joachim Hiller: In der Punk- und Hardcore-Szene, aus der ich komme, ist das schon seit den 80er Jahren ein Thema. Wie in der Musik geht es um Macht, Herrschaftsverhältnisse – zunächst zwischen Menschen, schnell stellte man sich aber die Frage, warum das nicht auch auf nichtmenschliche Lebewesen bezogen werden sollte. Damals bin ich Vegetarier geworden, 2009 dann auch Veganer. Mit dem Magazin waren wir sozusagen ein "early adopter".

Ihr Magazin heißt "Kochen ohne Knochen": Wie kam es zu dem Titel?

Mir ist der irgendwann einfach eingefallen. Bevor meine Frau und ich uns entschieden haben, ein Magazin zu machen, haben wir ein Kochbuch herausgebracht, das den Titel in der Unterzeile hatte. Und es ist genau unsere Art, unser Humor, unser Verständnis, wie wir Veganismus verstehen und letztlich auch vermitteln wollen.

Musik ist Ihre zweite Leidenschaft, deshalb geben Sie auch noch zwei Musikmagazine raus. Sie schaffen es gut, Dinge zu machen, die Ihnen wichtig sind.

Sehr viele Menschen aus dem Musikbereich, gerade Punk, Metal und Hardcore, haben eine hohe Affinität zur veganen Thematik. Die Verbindung besteht also automatisch, so dass ich bei der Arbeit an meinen Musikmagazinen Ox und Fuze einerseits und Kochen ohne Knochen andererseits oft gar nicht zwischen zwei Welten wechseln muss. Zudem sind beides sehr aktive subkulturelle Szenen.

Nun ist die Konkurrenz in den vergangenen Jahren mächtig gestiegen. Merken sie das in den Abozahlen?

Konkurrenz belebt das Geschäft, aber wir müssen auch ehrlich zugeben, dass das Magazin keine Goldgrube ist, sondern viel mehr ein Nebenerwerb. Einem größeren wirtschaftlichen Erfolg stehen wir auch selbst im Weg, weil wir eben nicht den Trend mitgehen und unser Heft oder die Titelseite mit schönen Rezepten vollpacken, sondern uns die Betrachtung der Lebensweise von Veganern, eine nachhaltige Berichterstattung einfach wichtiger ist.

Andere machen das anders…

Stimmt, viele der Magazine haben viel mehr Lifestyle im Heft. Dahinter verstecken sich oft einfach Frauenzeitschriften mit vegan-vegetarischer Ausrichtung, aber ohne einen gesellschaftspolitischen Anspruch. Wenn die Leser das wollen, müssen wir uns wohl eher als Fachzeitschrift verstehen – mit viel weniger Rezepten.

Worüber berichten Sie?

In der kommenden Ausgabe werden wir uns etwa damit beschäftigen, wie es mit der veganen Ernährung in einem Krankenhaus aussieht: Bislang ist es nämlich unmöglich, sich auch dort weiterhin ohne tierische Produkte zu ernähren. Außerdem sind wir immer auf der Suche nach spannenden Menschen, die sich für einen veganen Lebensstil entschieden haben. Aber auch: Wie ist es eigentlich für Kinder von veganen Eltern: Sollten sie sich auch vegan ernähren? Wie geht das in Schule oder im Kindergarten? Viele Themen liegen einfach auf der Hand.

Wie politisch ist Ihre Berichterstattung?

Beschäftigt man sich mit Ernährung, ist man sofort mit politischen Themen beschäftigt. Das zeigt aktuell die Diskussion um TTIP. Aber Fleischkonsum und Flüchtlingsbewegungen stehen auch in Verbindung: Wenn EU-Fischereiflotten das Meer vor Westafrika leerfischen, wenn Hühnchenabfälle nach Afrika exportiert werden, die Erwerbsgrundlage von Menschen dort zerstört wird, wenn durch Regenwaldabholzung für Rinderzucht oder Monokulturen der Klimawandel beschleunigt wird, dann hat das sehr viel mit Politik zu tun. Und wenn in Deutschland immer noch Parlamente und Politik die Massentierhaltung fördern, welche für Antibiotikaresistenzen und Grundwasservergiftung verantwortlich ist, hat das auch mit Politik zu tun. Eine vegane Lebensweise hat also ganz direkt was mit einem politischen Statement zu tun. Überdies sind wir der Meinung, dass Respekt gegenüber anderen Lebewesen sich nicht auf seine Mitmenschen beschränken darf. Auch das ist eine politische Aussage.

Wie groß ist Ihr Team?

Wir arbeiten mit einem kleinen Team an freien Autoren, die sich aber mit der veganen Lebensweise identifizieren müssen. Meine Frau etwa kümmert sich um die Buchrezensionen und die Auswahl der Rezepte, die wir im Heft zeigen wollen.

Sie machen ein Heft – ausschließlich für Veganer. Warum?

Wir haben am Anfang auch versucht, ein vegan-vegetarisches Magazin zu machen. Vegetarier haben zwar kein Problem mit Veganern, aber Veganer mit Vegetariern. Sie halten sie schlicht für inkonsequent, denn wer sich ernsthaft mit Tierrechten auseinandersetzt, kann eigentlich auch keine Eier, keine Milch mehr zu sich nehmen. Denn das sind schließlich auch nur Nebenprodukte von Tieren.

Sie auch?

Ich glaube nicht, dass man Menschen erreicht, in denen man sie versucht zu erziehen oder ihnen Vorwürfe macht, warum sie "nur" Vegetarier sind. Ich war auch 20 Jahre lang Vegetarier und jeder muss selbst darauf kommen, wie er leben möchte.

Nun ist es schon fast ein Hype, sich vegan zu ernähren. Das schlägt sich auch in der Berichterstattung nieder. Das müsste sie doch freuen.

Jede Berichterstattung ist zunächst einmal gut, sie schafft immerhin Öffentlichkeit für das Thema. Ich glaube aber auch, dass es oft überbewertet wird, denn gemessen an der Zahl der Veganer/Vegetarier in Deutschland wird doch ganz schön viel Zeit aufgewendet, um darüber zu berichten.

Aber?

Wenn berichtet wird, ist es doch oft sehr verkürzt und Sensationshascherei. Wenn ich in eine Talkshow einen Vegan-Aktivisten und einen Landwirtschaftsminister nebeneinandersitzen, bin ich doch nur darauf aus, dass sich zwei Menschen streiten. Auf der Strecke bleibt dabei die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema.

Herr Hiller, herzlichen Dank für das Gespräch.

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