Mit 66 Jahren fängt das Leben an, sang einst Udo Jürgens. Im Falle von Marcel Reif beginnt nun zumindest ein neuer Lebensabschnitt. Mit dem Finale in der Champions League macht er nach 17 Jahren als Chefkommentator Schluss bei Sky. "Fußball begleitet mich, seitdem ich vier Jahre alt bin. Und davon kommt man irgendwann nicht mehr los", sagte er einmal im Interview mit DWDL.de - kein Wunder also, dass er schon ankündigte, sich nicht komplett zurückziehen zu wollen.

Cord Sauer© Cord Sauer
"Die Rolle als Patriarch, ich habe drei Söhne und zwei Enkel, wird mich jedenfalls so schnell noch nicht ausfüllen", ließ Reif zu Jahresbeginn durchblicken. Dennoch geht eine Ära zu Ende, über die wir mit Cord Sauer (Foto) vom Fußball-Magazin "FUMS - Fußball macht Spaß" gesprochen haben. Mit viel Hingabe hat er stets genau hingehört, wenn Marcel Reif kommentierte, und auf diese Weise seit mehr als zwei Jahren zahlreiche "Arbeitsnachweise" des Altmeisters erstellt.

Cord, warum ist Marcel Reifs Sky-Abschied eine schlechte Nachricht für das deutsche Fernsehen?

Marcel Reif hat den Fußball im deutschen TV über Jahrzehnte lang als Kommentator geprägt, sein Ende bei Sky ist dementsprechend ein großer Verlust. In der Regel schaut man als Fußballfan ja Spiele, um Tore zu sehen. Man will unterhalten werden. Mit Reif am Mikrofon wurde auch ein 0:0 zweier Kreisliga-Mannschaften zum absoluten Highlight. Sprachliche Finesse haben viele, von seinem Wortwitz, seiner Ironie und seiner Art, auch mal unangenehme Wahrheiten mutig auszusprechen, können sich aber viele seiner Kollegen noch eine Scheibe abschneiden.

Wo könnte er deiner Meinung nach in Zukunft noch unterkommen?

Ich bin relativ sicher, dass wir Reif schon bald irgendwo wiedersehen werden. Wenn wir ganz viel Glück haben, dann als TV-Kommentator für RTL bei den WM-Qualifikationsspielen der Nationalmannschaft, mit ganz viel Pech nur noch als Grußonkel in irgendwelchen Vorabend-Quizshows. Denkbar ist sicher auch ein Job als Experte. In jedem Fall wird er sich nicht direkt hinlegen jetzt. Oder wie Uli Hoeneß sagen würde: "Das war’s noch nicht."

Bei vielen Fußballfans ist Reif in Ungnade gefallen, es gab sogar Angriffe gegen ihn. Wie erklärst du dir das?

Bei vielen Fans gilt Reif als arroganter, selbstverliebter Schnösel. Ich würde da schon von einer Art Imageproblem sprechen. Reif war immer er selbst, kein Schauspieler. Entweder man mag das oder nicht. Fest steht: die negative Kritik hat zuletzt ein Ausmaß angenommen, das so keiner von uns einfach weggesteckt hätte.

Welche Kommentatoren werden perspektivisch in Reifs Fußstapfen treten können - und warum?

Ich hätte jetzt gerne Fritz von Thurn und Taxis genannt, aber der ist leider auch kein Newcomer mehr. Ernsthaft: Ein Wolff Fuss macht das sehr gut, weil er es schafft, sich verbal deutlich abzuheben. Das gilt gleichermaßen für Béla Réthy vom ZDF. Das sind Typen mit Profil. Grundsätzlich beobachte ich aber, dass die Kommentatoren in Deutschland eher darauf bedacht sind, ruhig und sachlich zu bleiben, was ich schade finde. Wenn am Ende der 90 Minuten nicht nur besondere Tore in Erinnerung bleiben, sondern auch besondere Worte oder Sätze der Kommentatoren, haben doch alle Beteiligten gewonnen.

"Marcel Reif steht für das gewisse Etwas."
Cord Sauer, "FUMS"

Woher rührt deine Verehrung von Marcel Reif, die du ja regelmäßig bei "FUMS" zum Ausdruck bringst?

Verehrung geht vielleicht etwas zu weit, aber ich gehöre auf jeden Fall zu denen, die seine Arbeit sehr, sehr schätzen. Einfach weil er für das gewisse Etwas steht. Und mit dieser Meinung bin ich nicht alleine. Ich denke, da genügt allein ein Blick auf die zahlreichen "FUMS"-Arbeitsnachweise und auf die positive Resonanz der Fans.

Welche sind nach all den Jahren deine Favoriten-Kommentare und -Sprüche von Marcel Reif?

Puhhh, kann ich stattdessen nicht lieber das Grundprinzip der Quantenphysik erklären? Reif hat in 30 Jahren einfach zu viele gute Sprüche rausgehauen. Dem neutralen Zuschauer wird er immer in Erinnerung bleiben mit "Noch nie hätte ein Tor einem Spiel so gut getan", Torfall 1998 in Madrid, legendär. Was speziell bei mir hängen bleibt, sind nicht unbedingt Sätze sondern vielmehr einzelne Begriffe, die er für mein Empfinden geprägt hat. Sei es "Nikolauslaune“, "verhühnert" oder "Allianzmoos". Großartig, oder um es mit Reif zu sagen: "Ü-BER-RA-GEND."

Vielen Dank für das Gespräch.

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