Herr Steffens, wo fühlen Sie sich eigentlich wohler: In der Natur oder im Fernsehstudio?

In der Natur natürlich, das ist gar keine Frage. Eine Show zu moderieren ist für mich keine berufliche Alternative, sondern eine Ergänzung dessen, was ich mache. Ich bin von Beruf Dokumentarfilmer und Journalist – und das bleibe ich auch.

Was kann eine Show, was der Dokumentarfilm nicht kann?

Viele Themen, für die ich mich auch abseits des Fernsehens einsetze, versuche ich, in unsere Show zu tragen. Dieses Genre bietet eine gute Möglichkeit, um Inhalte, die mir am Herzen liegen, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Kürzlich habe ich beispielsweise ein Interview mit dem Evolutionsbiologen Richard Dawkins geführt. Das hat dann die "Süddeutsche" gedruckt, bei "Terra X" wurden die Essentials gesendet und einige Begriffe und Gedanken daraus werden auch bei "Mich täuscht keiner!" auftauchen. Es lesen nicht so viele Menschen den Wissenschaftsteil der "Süddeutschen". Daher versuche ich, ein bisschen von dort in die Show mit reinzunehmen.

Das ist Ihr persönlicher Antrieb?

Ich habe mehrere Gründe, ein Format wie "Mich täuscht keiner!" zu machen: Vor allem Spaß, aber auch die Breitenwirkung und die neuen Spielräume, die dadurch entstehen.

Das müssen Sie genauer erklären.

Mit einer Show kann man neue Zielgruppen gewinnen. Ich kann „meine“ Themen in homöopathischer Dosis an Menschen herantragen, die niemals eine Wissenschaftsdoku bei Arte gucken würden. Das finde ich super. Ich beschäftige mich normalerweise beruflich mit Klimawandel, Artensterben oder Ressourcenverbrauch. Meine Themen sind also vollkommen spaßfrei. Die Arbeit im Show-Studio bedeutet für mich dann eine Erholung für die Seele. Und wenn das ZDF so verrückt ist, einen Dokumentarfilmer die Show-Treppe runterzuschicken, dann habe ich an dieser eigentlich völlig absurden Idee viel Spaß. Geld spielt übrigens auch eine Rolle: Ich bin Dokumentarfilmer und habe immer eine Menge Projekte am Start, die sich aus sich selbst heraus nicht refinanzieren lassen. Wie alle Dokumentarfilmer der Welt muss ich schauen, wie ich Geld einsammeln kann, um dieses wiederum in meine Projekte zu stecken. Derzeit arbeite ich beispielsweise an einem großen Kinofilm über Naturzerstörung. Das finanziert mir kein Sender und kein privater Sponsor. Daher mache ich Dinge, die es mir erlauben, als Dokumentarfilmer einen nächsten Schritt zu gehen.

Besitzen Sie denn eine Art Show-Gen?

Scheint so. Beispiel: Ich tingele mit populärwissenschaftlichen Umweltvorträgen durchs Land. Wenn ich da auf die Bühne komme, erzähle ich erst mal drei Witze, damit die Leute klatschen können. Das gehört dazu. Also ja: Ein Show-Gen.

Woher kommt dieses Gen bei Ihnen?

Evolution. (lacht) Tatsächlich gab es in der Evolution immer diejenigen, die sich über körperliche Merkmale durchgesetzt haben, also stärker waren als die anderen. Aber damit eine soziale Gruppe funktioniert, muss es auch diejenigen geben, die am Lagerfeuer für ein Gemeinschaftsgefühl sorgen, die Geschichten und vielleicht auch Witze erzählen. Es ist keineswegs so, dass in der Frühzeit, als wir alle noch gebückt gingen, nur der dicke Arm zählte. Ich habe nicht so viele Muskeln, also konzentriere ich mich aufs Erzählen.

"Ich bin ein Öko-Typ. Da kann ich nicht für Energie-Konzerne Werbung machen, denen die Umwelt egal ist."
Dirk Steffens

Wie wichtig ist bei Wissensformaten eigentlich die Person, die vor der Kamera steht?

Wenn man als Journalist für ein bestimmtes Thema steht, dann muss man das auch leben. Ich bin ein Öko-Typ. Da kann ich nicht für Energie-Konzerne Werbung machen, denen die Umwelt egal ist. Das ist eine Anforderung an Authentizität und Glaubwürdigkeit, die ein bisschen tiefer geht. Deshalb glaube ich, dass die Person, die vor der Kamera steht, nicht ganz unbedeutend ist. Man muss das allerdings differenzieren: Es gibt durchaus Themen, bei denen es reicht, wenn man Ansager ist, weil die Filme für sich selbst funktionieren. Auf der anderen Seite haben wir gerade bei "Terra X" häufig komplexe Themen, bei denen man die Zuschauer abholen muss. Und das funktioniert ja auch.

Dabei habe ich heutzutage das Gefühl, dass viele Fernsehmacher ihren Zuschauern möglichst wenig zumuten wollen.

Das ist ein Fehler. Je anspruchsvoller unsere Sendung ist, desto jünger ist oft das Publikum. Wissen ist ein junges Genre. Bei "Mich täuscht keiner!" müssen wir natürlich trotzdem den Gesetzmäßigkeiten einer Primetime-Show gehorchen und Kompromisse eingehen, aber deshalb dürfen natürlich trotzdem Fachbegriffe fallen. Das begreifen die Zuschauer schon. Die sind nämlich nicht blöd.

Welche Kompromisse sind Sie bereit einzugehen?

Es muss so einfach sein, dass jeder es verstehen kann. Aber es darf nie blöd oder falsch sein. Das ist eine relativ einfache Regel, die im Übrigen überall im Journalismus gilt. Bei manchen Themen muss man allerdings aufpassen, dass eine Vereinfachung nicht zur Verfälschung führt. Damit das möglichst nicht passiert, haben wir im ZDF eine Naturwissenschafts-Redaktion, die auch die Inhalte unserer Show gecheckt hat.

Vor einem Jahr gab es schon einmal eine Ausgabe von "Mich täuscht keiner!". Wie hat sich die Show, die an diesem Donnerstag zurückkehrt, im Vergleich dazu verändert?

In der ersten Folge haben wir uns sehr auf Sinnestäuschungen konzentriert, jetzt weiten wir das Thema deutlich aus. Unsere Spiele sind beweglicher geworden und wir waren für viele Rätsel und Einspieler diesmal weltweit unterwegs. Dadurch holen wir die ZDF-Expeditionen in die Show hinein.

Gab's auch für Sie ganz persönlich einen Lerneffekt?

In der Unterhaltung arbeiten viele Menschen, die voller Gewissheiten sind, während im Wissenschaftsjournalismus viele Menschen arbeiten, die voller Zweifel sind. Ich könnte mich scheckig darüber lachen, was die Show-Leute alles ganz genau wissen. Welche Fragen den Zuschauern gefallen, welche Farbe das Studio haben muss und welche mein Anzug. Ich weiß sowas nicht.