Als Kevin McKidd auf einer Presse-Tour von ABC Studios durch Europa in Großbritannien halt machte, war die Welt noch in Ordnung. Das war Mitte Juni diesen Jahres, eine Woche vor dem Brexit-Referendum, das der gebürtige Schotte so gespannt erwartete wie der Rest Europas. Als ausgewanderter Hollywood-Profi, der seit neun Jahren in Los Angeles lebt, hat er Diplomatie gelernt und druckst um eine Antwort auf die naheliegende politische Frage zunächst ein wenig herum. Letztlich antwortet er verklausuliert aber deutlich: Gemeinsam sei man immer stärker als allein, sagt McKidd. Mehr will er zur nicht zur Politik sagen.

Er ist gekommen, um über „Grey’s Anatomy“ zu sprechen. In der ABC-Serie spielt er seit 2008 die Rolle des Owen Hunt. Es ist Press Junket von ABC Studios im luxuriösen Rosewood-Hotel im Londoner Stadtteil Holborn. Viel Zeit für Fragen bleibt da nicht.

Kevin, nach so vielen Staffeln „Grey’s Anatomy“: Wäre man bei Ihnen in guten Händen, wenn jemand plötzlich krank werden würde?

(lacht) Nein, nicht wirklich. Ich weiß absolut nichts, wirklich. Linda Klein ist unsere medizinische Beraterin und sie muss mir immer noch zeigen, wie ich das Stethoskop richtig halte. Ich bringe da immer noch den Drill-Sergeant in ihr hervor: „Du machst das jetzt seit 8 Jahren und weißt immer noch nicht, wie es geht.“ Ich würd mir selbst nicht mal beim Puls messen vertrauen. Also nein: Ich würde nicht raten, mir in medizinischen Belangen zu vertrauen. Aber wenn es in der Serie so wirkt als wüsste ich, was ich tue: Dann habe ich als Schauspieler ja alles richtig gemacht.

Wenn hier jetzt jemand das Bewusstsein verlieren würde, wüssten Sie nicht was zu tun ist?

(lacht) Ich wüsste die Basics. Stabile Seitenlage und checken, ob die Atemwege frei sind. Das kriege ich noch hin. Aber dann rufen Sie bitte einen echten Arzt.

Kosten manche Szenen Überwindung?

Wir können nicht alle Organe nachbauen, deswegen nutzen wir vor allem für Szenen, in denen wir in Organe reinschneiden müssen, echte wie z.B. eine Tier-Leber. Das macht mir nicht all zu viel Spaß. Immerhin macht das viele Blut in der Serie keine Probleme - das ist ja kein echtes.

In der vergangenen Saison - mit der Staffel die jetzt in Deutschland startet - gelang „Grey’s Anatomy“ sozusagen ein Comeback mit hevorragenden Quoten. Woher kam der Erfolg?

Ich denke, da spielen viele Kleinigkeiten mit rein. Ich denke vor allem, dass die Qualität unserer Drehbücher schon immer gut war. Einer der großen Faktoren ist aber der Binge-Watching-Faktor, der neuerdings mit reinspielt. Dadurch haben wir eine neue Zuschauerschaft bekommen.

Können Sie das näher erklären?

Vor allem Frauen schauen unsere Sendung. Mittlerweile laufen wir seit mehr als 10 Jahren und diese Frauen haben Kinder bekommen, darunter auch Töchter. Diese Töchter kommen in ein Alter, in der sie die Serie binge-watchen um dann die neuen Folgen schauen zu können. Das zweite Leben von „Grey’s Anatomy“. Das hat uns beflügelt.

Sie sind seit 2008 dabei. Lassen Sie uns über Owen Hunt sprechen. Wie weit hat sich Ihr Charakter von dem entfernt, der er war als sie eingestiegen sind?

Owen begann als innerlich kaputter Unfallchirurg, der PTSD hatte. Er machte einiges durch und wurde für vier Staffeln sogar der Chefarzt des gesamten Krankenhauses. Er ging zurück zur Army und hat privat viel durchgemacht. Er ist erwachsener geworden, ruhiger. Anfangs war er ein richtiger Hitzkopf. Ich denke auch, dass ihm die Zeit als Chefarzt gezeigt hat, dass er Teil von etwas Größerem ist und funktionieren muss. Er hat aber auch seine emotionalen Momente. Seine Charakterentwicklung ist also wie Achterbahn fahren. Und genau das ist doch der Punkt einer Drama-Serie. Die Gefühle seiner Protagonisten Achterbahn fahren zu lassen. Menschen im Fernsehen durchgehend glücklich zu sehen, ist das langweiligste, was man sehen kann.

Sie haben inzwischen auch bei mehreren Folgen Regie geführt. Beeinflusst dies auch Ihr Schauspiel?

Ich denke, es hat mich zu einem besseren Schauspieler gemacht. Ich bin nicht mehr so egoistisch wie früher. Schauspieler können dazu neigen, sich sehr stark auf ihre Rolle zu konzentrieren und all die anderen Menschen im Team auszublenden. Das ist auf der einen Seite notwendig, um eine gute Figur zu formen - auf der anderen erkenne ich nun aber auch das große Bild und sehe, was neben meiner Rolle alles in die Serie miteinfließt.

Schauen Sie sich selbst an? Gucken Sie „Grey’s Anatomy“?

Ich schaue die Folgen nicht regelmäßig, da ich sie so intensiv drehe und stets weiß, was passiert. Bei einigen Folgen habe ich aber auch Regie geführt und natürlich habe ich mir die angeschaut. Wer Regie führt, der muss up-to-date sein was alle Storystränge angeht, nicht nur den eigenen.

Gucken Sie generell gerne Serien?

Ich habe die neueste Staffel "House of Cards" gerade erst beendet. Die fand ich wirklich gut, besonders den Fokus auf Robin Wrights Rolle der Claire Underwood. Das wars dann aber auch. Ich schaue nicht viel fern, ich bin eher darauf fokussiert, es zu machen.

Schauspiel ist eine Kunstform. Was sind dann Interviews und Presse-Reisen für Sie? Ein notwendiges Übel?

Nein, ich genieße diese Reisen. Ich komme viel zu selten dazu. Wissen Sie, dieser Trip nach Europa gerade, den musste ich schon so oft verschieben. Es kam immer etwas dazwischen, egal ob ein Filmdreh oder ein anderes Projekt. Schön, dass ich diesmal mit der ABC Studios-Crew und so vielen Kollegen unterwegs sein kann. Ich liebe Europa, denn auch wenn ich jetzt seit neun Jahren in Los Angeles lebe, so ist es schön mal wieder in der Heimat zu sein.

Kevin, danke für das Gespräch.