Apropos “Formel Eins”. Es gibt eine echte Retro-Welle, viele alte Marken kehren inzwischen zurück. Siehe die Gameshows bei RTL, Super RTL will den “Super Toy Club” zurückholen. Was sagt das über das Fernsehen aus? Lange war es ja verpönt, alten Marken einen neuen Anstrich zu geben. Heute ist das ganz anders.

Es gibt einfach Show-Konzepte, die per se genuin sind. Und die sind nicht so erfolgreich, weil es damals nichts anderes gab, sondern weil sie ein Prototyp des Formatfernsehens sind. Dazu zählen etwa „Familienduell“ und „Glücksrad“. Die Konzepte sind stimmig schlüssig. Retro hat den Vorteil, dass viele Zuschauer die Marken schon kennen und sich bereitwilliger auf sie einlassen. Trotzdem ist Vorsicht geboten.

Warum?

Die Frage ist, wie weit man erfolgreiche Konzepte erneuern muss. Da geht es dann zum Beispiel auch um die Besetzung der Moderationen. Ich glaube, man muss mit dem Aspekt Retro arbeiten, aber gleichzeitig auch ein neues Vehikel finden.

Stichwort Moderation. Das ist meist Sender-Sache. Kann eine Personalie ein Format kaputtmachen?

Ich kann nur für uns sprechen, wir befinden uns immer in einem konstruktiven Dialog mit den Sendern. Die Frage nach der richtigen Moderation ist verdammt schwer zu beantworten. Als mich damals viele beim ZDF etwas ungläubig gefragt haben, wieso ich Johannes B. Kerner zurückhole, habe ich immer geantwortet: Nennt mir Moderatoren, die eine 90- oder 180-minütige Live-Show mit 20 Kameras tragen können. Davon gibt es nicht viele. Bekannte und beliebte Moderatoren lassen die Zuschauer lieber in ihr Wohnzimmer.

Und wo bleibt der Nachwuchs?

Die Aufgabenstellung an die Unterhaltung ist, diese Köpfe in der so genannten Nische größer werden zu lassen, damit sie dann die Primetime-Bühne betreten können. Joko und Klaas kommen zum Beispiel auch aus der Nische. Jörg Pilawa, Sonja Zietlow und Stefan Raab – alle haben mal klein angefangen. Meine alte Theorie: Wenn man Köpfe aufbauen und neue Genres öffnen will, muss man das Geld aus der Primetime nehmen und in die Programm-Ränder stecken.

Aber ist das wirklich realistisch?

Ich kann verstehen, wenn werbefinanzierte Privatsender anders denken müssen. Deshalb wünsche ich mir von den öffentlich-rechtlichen Sendern, dass sie Geld in Formate in der Nische investieren.

Gibt es diese Flächen noch? Und wenn ja, wo sind sie? Sind es die Digitalkanäle von ARD und ZDF?

So viele Digitalkanäle gibt es ja nicht mehr. Funk ist dahingehend eine interessante und eigenständige Plattform. Die Freiheiten, die die Plattform uns da auf einem kreativen Level lässt, ist genau das, was es braucht, um später die Primetime mit neuen Köpfen zu besetzen. Insofern glaube ich, dass das, was früher Viva war, jetzt das Netz ist. Von Youtube bis hin zu Funk. Programmstrategisch ist es aber auch wichtig, mal den Mut zu haben, einem Format die Chance zu geben, sich über eine längere Zeit zu entwickeln. Kurze Strohfeuer, die dann nur in der Branche für Aufsehen sorgen, reichen nicht, um konstant etwas aufzubauen.

Sie sprachen von der Zusammenarbeit mit Funk. Da geht es um das Projekt „#OMG“?

Wenn Sie das sagen (lacht) Ja, das stimmt. Unsere Protagonisten haben ja bereits über ihre Social Media-Kanäle schon ein bisschen was durchblicken lassen... #OMG“ haben wir zusammen mit unseren kanadischen Partnern entwickelt. Marc Brunet, einer der erfolgreichsten Comedy-Autoren in Kanada, hat dort die Sketch-Comedy „Like-moi!" etabliert. Bald kommt die dritte Staffel. Uns gefällt der Inhalt, wir wollen es transferieren und für den deutschen Markt anpassen. Besetzt haben wir „#OMG“ mit Social Media-Natives, die wir allerdings nach schauspielerischen Fähigkeiten gecastet haben. Bekanntheit allein nützt nichts. Wir stellen uns in dem Format auch politischen Fragen, aber auf einer sehr trockenen Humorebene für die Generation Y. 2017 geht die Sendung online.

Wer ist denn dabei?

Phil Laude, Matthias Roll „TC", Pesh Ghasryani, JokaH Tululu, Sarah Liz, Lena Liebkind, Constanze Behrends und Jacqueline Feldmann.

Gibt es etwas, was Sie nach so vielen Jahren in der Branche nicht mehr hören können?

Zum Beispiel: „Das hat es doch schon mal gegeben“ oder „Casting ist tot“. Wahlweise auch „Quiz ist tot“. Im Prinzip all das, was totgesagt wird, per Genre-Definition aber gar nicht tot sein kann. Jedes Format steht für sich selbst und entwickelt ein Eigenleben. Kurz bevor „Wer wird Millionär?“ startete, hat Gerhard Zeiler noch ausgerufen, dass Quizshows tot seien. Das ewige „Die anderen haben das aber so gemacht“ kann ich auch nicht mehr hören.

Bavaria Entertainment sieht also noch Potential im Quiz-Genre?

Ich finde es wichtig, dass jeder Sender ein eigenes Quiz hat. Oder auch zwei. Das ist nach wie vor ein Genre, das aktuell ist und qua Inhalt auch immer sein kann. Ich glaube auch, dass einige private Sender noch gut ein Quiz vertragen könnten.

Soziale Experimente sind weitervoll im Trend. Da haben Sie nach unseren Informationen mit “Diktator” ein spannendes Format produziert.

„Diktator“ ist ein soziales Experiment, das erstmals in Schweden lief, inzwischen auch in Belgien und Holland. Zuerst hat mich der Titel getriggert, in Deutschland eine Show „Diktator“ zu nennen, ist gewagt. Die Grundidee hinter dem Format ist, junge Leute, die Demokratie als Selbstverständlichkeit ansehen, einer gespielten Diktatur und ihren Regeln auszusetzen. Wie gehen junge Menschen mit fehlender Freiheit um? Haben sie überhaupt ein Bewusstsein dafür? Was wir während der Produktion erlebt haben, war schon sehr beeindruckend.

Und was ist das Ziel?

Die Leute gehen in die gespielte Diktatur mit der Aussicht auf einen Gewinn. Sie wissen aber nicht, nach welchen Regeln sie diesen Gewinn bekommen. So viel kann ich schon sagen: Bei uns ist es ganz anders ausgegangen, als in allen anderen Ländern.

Das klingt ein wenig nach einer neuen Version von “Die Welle”.

„Diktator“ ist ein Factual Entertainment-Format. Ich möchte es mit dem Film „Die Welle“ nicht in Verbindung bringen. Der Film war nicht der Ausgangspunkt für das TV-Format.

Und für welchen Sender ist das entstanden?

Die Antwort muss ich Ihnen schuldig bleiben. Es obliegt natürlich dem Sender, das Format anzukündigen.

Herr Fuchs, herzlichen Dank für das Gespräch.