Herr Domian, in der Nacht zu Samstag moderieren Sie Ihre letzte Sendung. Überwiegt gerade die Trauer über den Abschied oder die Freude auf die Zeit danach?

Es ist eine Mixtur aus Wehmut und dem Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Ich bin mit mir absolut im Reinen, schließlich habe ich fast ein Vierteljahrhundert mit der Sendung verbracht. Sie ist so sehr mit meinem Leben verwoben, dass der Abschied nicht spurlos an mir vorübergeht.

Woran merken Sie, dass die Entscheidung richtig war?

Ich könnte die Sendung noch zehn Jahre machen. Wir haben eine hohe Akzeptanz beim Publikum, sie ist nach wie vor eine große Herausforderung, sie gibt mir persönlich so viel und sie macht mir großen Spaß. Aber ich möchte einfach nicht mehr nachts arbeiten. Das geht mir zu sehr an die Substanz. Früher dachte ich, ich würde das locker wegstecken und mich daran gewöhnen. Aber nein, man gewöhnt sich nicht daran. Ich gehe jeden Tag erst um halb 6 ins Bett - das ist einfach gegen die Natur und geht nach all den Jahren schon sehr an die Kräfte.

Vor sechs Jahren haben Sie bei uns im Interview gesagt, dass Sie mit der Sendung aufhören, wenn eines von drei Kriterien nicht mehr hundertprozentig gegeben ist: Akzeptanz der Zuschauer, Interesse an der Sendung und Gesundheit.

Daran hat sich auch nichts geändert. Die Gesundheit ist natürlich von der ständigen Nachtarbeit abhängig. Momentan fühle ich mich hervorragend, aber ich möchte einfach nicht in drei oder vier Jahren aus dem Studio getragen werden. Daher war die Sorge um die Gesundheit auch das ausschlaggebende Moment, mit der Sendung Schluss zu machen.

Wie hat man sich Ihren Tagesrhythmus überhaupt vorzustellen?

Mein Tag läuft seit über 20 Jahren gleich ab. Wir haben fast immer eine Stunde Nachbesprechung mit den Psychologen. Deren Feedback zu bekommen, war mir gerade nach besonders intensiven Anrufen stets wichtig. Dadurch war ich allerdings selten vor halb 4 zu Hause. Trotz aller Routine bin ich jeden Tag Adrenalin-überflutet, sodass ich zwei Stunden brauche, um meine Systeme herunterzufahren.

Und daran hat sich bis heute nichts geändert?

Nein, überhaupt nicht. Auch wenn ich alles ausprobiert habe...

Was denn?

Natürlich habe ich versucht, früh ins Bett zu gehen, habe alle möglichen Mittelchen genommen - von Baldrian bis hin zu heftigeren Sachen. Das wollte ich mir allerdings gar nicht angewöhnen. Hängen geblieben bin ich schließlich bei Melatonin. Das ist eine Einschlafhilfe, die man auch auf Langstreckenflügen verwendet. So blieb es dann immer bei halb 6. Das ist gerade im Winter nicht schön, weil ich fast ausschließlich im Dunkeln lebe.

Jürgen Domian© WDR

Zeitungslektüre bei künstlichem Tageslicht (aus der Doku "Domian - Interview mit dem Tod")

Wäre es keine Möglichkeit gewesen, die Sendung einfach früher zu starten?

Ich hätte die Sendung schon immer gerne etwas früher gemacht. Für 1Live wäre das leicht machbar gewesen, aber im Fernsehen sind die verschiedenen Sendeplätze an unterschiedliche Redaktionen vergeben, sodass ein Umbau einige Probleme mit sich gebracht hätte. Der 1-Uhr-Termin ist auch deshalb zustandekommen, weil anfangs kaum ein Mensch daran glaubte, dass das Konzept funktioniert. Allerdings hat es gleich so gut funktioniert, dass ich dort bis heute geblieben bin. Meinem Lebensrhythmus hätte es aber gut getan, eine Stunde früher zu beginnen. Wahrscheinlich hätten wir dadurch auch noch mehr Zuschauer erreicht.

Wie wichtig war für den Erfolg der Sendung eigentlich die Tatsache, dass da immer eine Kamera mitlief?

Das war so ungeheuer wichtig, dass wir beide uns heute nicht unterhalten würden. Ein solches Format funktioniert nicht so lange, wenn es nur im Radio läuft. Dafür gibt es einfach zu wenige Nutzer. Das Fernsehen war der große Multiplikator und hat uns bundesweit auf die Bühne gehoben. Das Radio ist aber ohne Zweifel super, gerade für Autofahrer oder Nachtschichtler.

War denn auch zu WDR 1-Zeiten, zu denen Sie begonnen haben, klar, dass die Sendung in die Nacht gehört?

Als wir im Nachmittagsprogramm starteten, verfolgten wir ein anderes Konzept. Die Überlegungen begannen erst, als später 1Live aus der Taufe gehoben wurde. Ich bin damals zu der Sendung gekommen wie die Jungfrau zum Kinde, auch wenn unsere Anrufsendung bei WDR 1 die erfolgreichste Sendung in einem ansonsten wenig erfolgreichen Programm war. Mein damaliger Intendant Fritz Pleitgen bat mich damals, ein Format für den neuen Sender zu entwickeln - "irgendwas mit Telefon", sagte er. Kurz darauf fuhr ich in die USA, wo ich diese Talkradio-Hosts sah, die zum Teil schon bimedial arbeiteten. So etwas kannte man hier nicht. Genau dieses Konzept schlug ich Pleitgen später vor. Und weil er sehr Amerika-affin war, ließ er sich sofort darauf ein.

Besteht heute denn noch Kontakt zu Fritz Pleitgen?

Ab und zu sprechen wir noch miteinander. Ich bin ja ehrenamtlich im Mildred-Scheel-Haus der Uniklinik Köln tätig, während Fritz Pleitgen heute Präsident der Stiftung Deutsche Krebshilfe ist. Da gibt es immer wieder Begegnungen.