Im vorigen Jahr haben Sie bereits das neue Format "Unser neuer Chef" angekündigt. Was ist daraus geworden?

Was Tolles! (lacht) In der Sendung geht es um mittlere Unternehmen, die eine wichtige neue Stelle besetzen wollen. Der oberste Chef bringt zunächst drei Bewerber ins Spiel, die ein konkretes Interesse an der Stelle haben und innerhalb einer Woche alle Abteilungen durchlaufen. Dabei werden sie natürlich gefilmt. Was die Bewerber nicht wissen, ist, dass alle Mitarbeiter der Firma diese Aufnahmen sehen und am Ende nur sie entscheiden, wer den Job bekommt. Es ist das Prinzip des "collaborative hiring", das in Amerika Gang und Gäbe, in Deutschland aber noch unbekannt ist. Ein Sozial-Experiment, das diesen Namen wirklich verdient. Sehr ambitioniert, weil es im Casting unglaublich aufwendig ist, schließlich braucht man nicht nur ein Unternehmen und den Chef, sondern die gesamte Mannschaft. Und natürlich drei Bewerber. Jetzt befinden wir uns mitten in der Produktion. Das Format wird im Herbst am Dienstagabend bei uns zu sehen sein.

Der Dienstag bleibt also der Sendeplatz für Eigenproduktionen. Gerade erst haben Sie ja am Sonntagabend auf US-Serien umgestellt - eine Reaktion darauf, dass gerade zu wenig Nachschub bereitsteht?

Nein, wir wollen perspektivisch den Donnerstag mit Eigenproduktionen bespielen. Damit beginnen wir voraussichtlich im Herbst. Die Vorbereitungen dazu laufen.

In welche Richtung wollen Sie dort gehen?

Der Dienstag steht weiterhin für unsere Factual-Entertainment-Formate – das ist sozusagen unser "Eigenproduktions-Schaufenster". Am Donnerstag planen wir Factual-Formate, die im Kern reportagiger sind.

Findet sich dort auch ein Platz für "Lost Children", in dem es darum geht, schwer erziehbare oder kriminelle Jugendliche wieder auf die richtige Bahn zu bringen?

Dieses Format verfolgen wir nicht weiter, weil es schlicht in Deutschland nicht produzierbar war, eine zu große rechtliche Herausforderung. Dafür starten wir bereits im April "Raus aus dem Zwang" – ein Experiment mit einem altbekannten Thema, das wir jedoch neu angehen. In der ersten Folge lassen wir einen Messie auf einen Putzneurotiker treffen, und arbeiten dafür eng mit dem Psychologen Michael Thiel zusammen, der sagt, dass Konfrontation ein probates und seriöses Mittel ist, um extreme Zwänge zu bekämpfen. Ich habe bereits diverse Messie-Formate verantwortet, aber dieses ist sehr behutsam und sanft, weil man dicht dran ist an den therapeutischen Methoden. Wir täuschen nicht vor, dass am Ende alles gut ist, sondern zeigen nachvollziehbar, wie man sich im Kleinen ändern kann. Das werden wir in weiteren Folgen auch mit anderen Zwängen machen.

Freitags, samstags und sonntags zeigen Sie aktuell Serien - mit wenig Erfolg. Noch dazu handelt es sich nicht um frischen Stoff. Hat kabel eins eigentlich gar nicht keine Ambitionen mehr, neue Serienstoffe zu zeigen?

Das Geheimnis von kabel eins war immer die gesunde Mischung.

Aber aktuell ist es ja keine Mischung, weil Sie ja nur alte Sachen zeigen...

Die Frage ist, was Sie mit "alten Sachen" meinen.

Man konnte das alles schon mal sehen - "The Mentalist" in Sat.1 zum Beispiel...

Auch "Laura Diamond" lief schon mal in Sat.1, aber eben noch nicht bei kabel eins. Wir stehen für gut gemachte US-Krimiserien. Und am Sonntag wollen wir dem Serien-Publikum eine Alternative zu den Shows, die derzeit in Sat.1 zu sehen sind, bieten. Und dass US-Serie am Sonntagabend eine gute Alternative ist, ist ja bewiesen. Zugegeben, "The Mentalist" läuft ebenso wie "Laura Diamond" noch nicht so, wie wir uns das wünschen. Manchmal, nicht immer, zahlt sich Geduld aus: So wie am Samstagabend mit "Hawaii Five-0", das gerne auch mal über sechs Prozent Marktanteil holt. Im Juni werden wir "Rush Hour" ins Programm nehmen, die Adaption des Blockbusters als Serie in deutscher Erstausstrahlung.

Früher war kabel eins immer mal eine Anlaufstelle für Serien, die bei ProSieben und Sat.1 nicht liefen. Auch "Rush Hour" war ja schon mal für Sat.1 angekündigt. Vieles ist in der Vergangenheit aber auch direkt zu Sixx oder ProSieben Maxx. Wie sehen Sie die Rolle von kabel eins innerhalb der Sendergruppe?

Unsere Sendergruppe ist wunderbar klar positioniert. Jeder Sender steht für eine bestimmte Zielgruppe. Natürlich kann man sich nicht immer hundertprozentig aus dem Weg gehen, aber in der Regel gibt es ein sehr großes natürliches Verständnis dafür, wo Serien zu sehen sind.

"Eine Folge des großen Medienangebots ist es, dass viele sich gerne wieder auf das zurückbesinnen, was sie von früher kennen."
Marc Rasmus

Aber wie wollen Sie sich von Sat.1 unterscheiden, wenn Sie an drei Abenden pro Woche Serien zeigen, die ja auch dort schon liefen oder noch immer laufen?

Sat.1 und kabel eins sind zwei Sender, die breit aufgestellt sind. Da sind die Überschneidungen logischerweise größer als zu ProSieben oder Sixx. Aber es ist doch nur logisch, dass alle in einer Senderfamilie wie unserer das Verständnis haben, dass Sat.1 als großer Familiensender neue Serien zeigt und Serien-Fans bei uns eher bekannte Serien zu sehen bekommen. Das ist mittlerweile kein fehlendes Qualitätsmerkmal mehr. Ich weiß noch, als zu meiner Zeit bei Sat.1 Gold die Diskussion darüber geführt wurde, die ganz abgehangenen Schinken zu spielen. Es gab in der Branche reichlich Amüsement darüber, als wir "Bonanza" ins Programm genommen haben, weil das angeblich doch so gar keiner mehr sehen wollte. Das hat aber dazu geführt, dass Sat.1 Gold im Bereich der Fernsehsender der dritten Generation ein ernstzunehmender Wettbewerber geworden ist. Eine Folge des großen Medienangebots ist es meiner Meinung nach, dass viele sich gerne wieder auf das zurückbesinnen, was sie von früher kennen.

... und im Grunde genommen zeigt Sat.1 Gold heute das, was vor 15 Jahren noch bei kabel eins lief. Da sind wir beim Blick zurück auf 25 Jahre kabel eins. Womit verbinden Sie den Sender in der Vergangenheit?

Ich mochte bei kabel eins schon immer, dass der Sender eine schöne Größe hat, um Programme zu machen, die ohne große Aufregung ihren Weg finden können. Ein Format wie "Abenteuer Leben am Sonntag" beispielsweise läuft seit sehr vielen Jahren. Ein sehr vielseitiges Magazin, das im letzten Jahr mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde. Das, was kabel eins immer ausgemacht hat, ist der Fokus auf echte Geschichten mit echten Menschen. Diesen Weg will ich weitergehen.

Weshalb haben Sie den 25. Geburtstag von kabel eins eigentlich nicht auf dem Schirm gefeiert?

Der Geburtstag eines Senders ist ein Event fürs Team und wird vielleicht in der Branche thematisiert, interessiert die Zuschauer aber im Allgemeinen weniger.

Herr Rasmus, vielen Dank für das Gespräch.