Wie bewerten Sie die Debatte um Fake News?

Den Versuch, Berichterstattung mit Unwahrheiten zu beeinflussen, gibt es, seit es den Journalismus gibt. Aber wenn wir den US-Wahlkampf anschauen, dann hat das möglicherweise professionell gesteuerte Ausmaß deutlich zugenommen. Das ist durchaus besorgniserregend.

Wie wappnen Sie sich dagegen?

Wir sind in den letzten Jahren sensibler im Umgang mit Fake News geworden und haben mittlerweile bei der Mediengruppe RTL ein eigenes Team, das sich damit befasst, Themen im Hinblick auf Falschmeldungen abzusichern. Oft hilft es aber schon, die Frage nach der Plausibilität zu stellen. Generell stellen wir fest, dass die Zahl der Menschen, die Nachrichten nur noch glauben, wenn sie in ihr eigenes Mindset passen, zugenommen hat. Eine der großen Herausforderungen der nächsten Jahre wird es deshalb sein, genau diese vorurteilsbeladenen Menschen zu erreichen.



Wie kann das gelingen?

Immer und immer wieder mit dem Versuch sachlicher Arbeit.

Aber schauen diese Menschen Ihren Sender überhaupt noch?

Ich kann nicht in den Kopf jedes einzelnen Zuschauers schauen. Natürlich gibt es eine Vielzahl an Menschen, die durch eigenartige Medien in eine eigene Welt abgleiten, die nichts mehr mit der Realität zu tun hat. Allerdings sehe ich mit großer Freude, dass extrem rechts orientierte Medien wie "Breitbart" in Deutschland relativ wenig Anklang finden. Nach der Trump-Wahl gab es ja die Ankündigung, dass "Breitbart" eine deutsche Redaktion aufbaut. Aber da passiert letztlich nichts, weil man möglicherweise erkannt hat, dass der deutsche Markt für diese Form von Berichterstattung zum Glück nicht groß genug ist.

"Über Streit zu berichten, ist immer attraktiver und am Ende auch erhellender als über einen Konsens."
Hans Demmel, n-tv-Geschäftsführer

Gleichzeitig kann man feststellen, dass die AfD mehr Menschen auf Facebook erreicht als die großen Volksparteien – vielleicht auch, weil sich diese thematisch gar nicht mehr so stark unterscheiden?

Ich habe kürzlich gelesen, dass beim "TV-Duell" ein rechter Sozialdemokrat auf eine linke Unionskanzlerin getroffen ist. Das ist ein Teil des Dilemmas dieses Bundestagswahlkampfs.

Was vermissen Sie?

Mir fehlt in diesem Wahlkampf eine Debatte über Zukunftsmodelle, denn an relevanten Themen besteht eigentlich kein Mangel, wenn man beispielsweise an die Digitalisierung oder die Renten denkt. Aus journalistischer Sicht wäre ein Wahlkampf, bei dem einer antritt, der von sich behauptet, schon mal am Zaun des Kanzleramts gerüttelt zu haben, sehr viel interessanter. Über Streit zu berichten, ist immer attraktiver und am Ende auch erhellender als über einen Konsens.

Aber mögen die Deutschen überhaupt Streit?

Was man in Deutschland tatsächlich nicht will, ist lautes Geschrei und ein Wahlkampf, der unter die Gürtellinie geht, so wie man das in Amerika gerade gesehen hat.

Sie selbst waren mal Korrespondent in Washington. Würde Sie dieser Job angesichts der politischen Lage nicht noch einmal reizen?

Als Reporter ist alles, was sich außerhalb des Normalen bewegt, spannend. Den Wahlkampf hätte ich sicher gerne begleitet, allerdings bin mir nicht sicher, ob ich in Trump-Amerika gerne leben würde.

Im amerikanischen Fernsehen ist reichlich Platz für polarisierende Sender und Gesichter. Hat sich das in den letzten Monaten nochmal verstärkt?

Das ist nicht mein Eindruck. Die Einführung von Emotionalisierung in einzelne News und über Personen, wie sie FOX News bereits vor einigen Jahren eingeführt hat, halte ich allerdings für hochproblematisch. Wir reden schließlich über Nachrichten, die von Fakten und Glaubwürdigkeit leben. Ich bin froh, dass wir davon in Deutschland sehr weit entfernt sind.

Kurz vor dem 25-jährigen Jubiläum hat n-tv gerade ein neues Design verpasst bekommen. Welcher Gedanke steht dahinter?

Ein anderer kluger Mensch hat mal gesagt, Sie müssen so einen Fernsehsender behandeln wie ein altes Grand Hotel. Es muss immer State of the Art sein, aber eigentlich darf der Zuschauer das nicht so recht spüren. Ich habe unser altes Logo geliebt, aber der Glanz und Glamour, den wir vor gut acht Jahren eingeführt haben, passt momentan einfach nicht mehr in die Zeit. In diesem Fall haben wir zum ersten Mal nicht TV first, sondern Digital first gedacht und uns gefragt, wie das Logo im Netz wirkt. Unser Auftritt ist nun frischer, klarer und sofort erkennbar.

Feiert n-tv auch in 25 Jahren noch Geburtstag?

Ja klar, da mache ich mir keine Sorgen. Auch in 25 Jahren wird es immer noch einen Bedarf nach klaren, ordentlich recherchierten Nachrichten geben. Ich glaube auch weiterhin an lineares Fernsehen, denn nichts ist so linear wie Nachrichtenfernsehen. Zudem haben wir einen starken Digital-Arm, bei dem die Finanzierung stimmt. Daneben verfolgt n-tv eine First-Mover-Strategie, die so weit geht, dass Sie unsere Nachrichten sogar auf dem Kühlschrank sehen können. Ob das wirklich die Zukunft ist, wird man sehen. Aber wir probieren alles aus, um Erfahrungen zu sammeln.

Wenn das Internet so wichtig ist, wieso lassen Sie n-tv.de eigentlich von einer externen Firma namens Nachrichtenmanufaktur herstellen?

Das ist historisch gewachsen. Die beiden Geschäftsführer der Nachrichtenmanufaktur waren ursprünglich mal im Haus und haben sich vor 13 oder 14 Jahren zu einem Management-buy-Out entschieden – also zu einem Zeitpunkt, an dem nicht für jeden erkennbar war, dass das ein großer Zukunftsmarkt sein wird. Zudem erfolgt die Steuerung durch uns und wir sind eng miteinander vernetzt. Wir denken praktisch identisch, was Nachrichten angeht. Das Entscheidende sind nicht die Mauern in Gebäuden, entscheidend sind die Mauern in den Köpfen – und die gibt es bei uns nicht.

Herr Demmel, vielen Dank für das Gespräch.