Woher aber sollen denn die nächsten Abonnenten kommen?

Wenn ich nach vorne schaue, wo die nächsten fünf Millionen Prime-Kunden stecken könnten, schaue ich nicht nur auf die 14-28-Jährigen. Die sind nämlich schon da. Ich muss mich wahrscheinlich auf die 60er Geburtenjahrgänge konzentrieren, die Babyboomer.

Amazon Prime Video entdeckt die Zielgruppe 50+?

Die wurde bislang oft übersehen in der Betrachtung von SVoD als Phänomen der jungen Mediennutzung. Aber die technischen Geräte werden immer einfacher, unsere Apps auf immer mehr Geräten verfügbar und ein heute 50-Jähriger hat auch schon seit 20 Jahren ein Handy und ist neuen Angeboten gegenüber aufgeschlossen. Meinem Onkel, 76, habe ich neulich Prime installiert. Er sagte, er gucke eigentlich kein Fernsehen mehr - und ist jetzt Heavy User, hat sich z.B. "The Affair" und "Transparent" angeschaut.

Mit wem stehen Sie eigentlich im Wettbewerb: Mit Netflix oder geht es eher darum, lineare Fernsehzuschauer für SVoD zu gewinnen?

Wir schauen nicht auf Wettbewerber. Wir kümmern uns darum, unseren Kunden gutes Programm in hoher Qualität anzubieten. Neue Kunden gewinnen wir über neue, eigene Produktionen, die sie nur oder zuerst bei Amazon Prime Video sehen können. Aber daneben sind uns auch schon bekannte Serien wichtig, die wir den Prime Video-Kunden jederzeit zugänglich machen wie „The Big Bang Theory“. Dazu kommt ein weiterer großer Faktor: Wir wollen natürlich auch, dass möglichst viele Kunden, die schon Prime nutzen, auch regelmäßig bei Prime Video vorbeischauen.

Einige Ihrer eingekauften Serien können Sie nur wochenweise online stellen. Bei einer Produktion wie „Deutschland86“ bleibt es aber bei der Veröffentlichung auf einen Rutsch?

Ich glaube, wir können so selbstbewusst sein und sagen, dass wir so viele tolle Sachen anbieten, dass wir es nicht nötig haben, einen Kunden mit dem gleichen Programm künstlich über Wochen bei der Stange zu halten, weil wir Angst haben, er könnte sonst kündigen.

Sie teilen also nicht die Sorge, dass man seine Produktionen so zu schnell verheizt und keinen Buzz über Wochen aufrecht erhalten kann?

Sie haben Recht, man könnte so natürlich die Spannung aufrechterhalten. Ich kenne auch selbst Freunde, die sich Serien von uns lieber einteilen, egal ob nun aus zeitlichen Gründen oder weil sie einfach länger bei ihren Charakteren bleiben wollen. Es ist richtig, dass beim individuellen Konsum nicht alle auf dem gemeinsamen Stand sind und wie beim „Tatort“ am nächsten Tag im Büro über die gleichen Szenen diskutieren können. Aber dem steht die Amazon-Philosophie gegenüber, dem Kunden alle Freiheiten zu gewähren - und es ihm zu überlassen, im eigenen Tempo zu gucken.

Deutschland 86© Filmcontact

Pressegespräch in Kapstadt: Das Team von "Deutschland 86" gab Einblicke in die Produktion.

"You Are Wanted“ lief vor einigen Wochen auch im ORF - mit sehr überschaubaren Quoten. Warum dieses Experiment und wie lautet Ihr Fazit?

Sie haben es richtig eingeschätzt, es war ein Experiment und es wird eher die Ausnahme bleiben. Der ORF hat sich sehr bei uns eingesetzt, die Serie in der Zeit vor den nationalen Wahlen als Event-Programmierung einzusetzen. Die Idee, das an Wahlen interessierte Publikum nach dem vorher ausgestrahlten Polit-Quiz „Nationalraten“ mit einer High-Class-Serie bei der Stange zu halten, die sich mit Cyber-Crime auch um ein heißes Thema dreht, ist nicht aufgegangen. Der ORF hat analysiert, dass die Zuschauer lieber im Thema bleiben wollten und zu den Polit-Angeboten der Konkurrenz abgewandert sind. Wir wollten mit dem Versuch sehen, welchen Einfluss so eine Programmierung auf unsere Abrufzahlen hat. Tatsächlich sind sie in der Zeit der Ausstrahlung auf dem ORF für „You Are Wanted“ deutlich nach oben gegangen.

Mit einem Original wie „Grand Tour“ oder dem Audio-Streaming der Bundesliga wagt sich Amazon auch in non-fiktionale Genres vor. Werfen Sie auch einen Blick auf weitere non-fiktionale Inhalte für Amazon Prime Video?

Wir sind auch offen, nach etwas Anderem zu schauen, wenn sich das Richtige anbietet. Wir sind mittlerweile groß genug, dass wir das könnten. Das müsste man sich dann im Einzelfall anschauen. Die Kollegen in Japan haben auch schon eine Reality-Show für Prime Video umgesetzt. Aber im Moment sehe ich noch eher die fiktionalen Projekte im Mittelpunkt.

Können Sie uns abschließend eine Roadmap ihrer Eigenproduktionen geben? Wann kommt was?

„You Are Wanted“ und „Deutschland86“ drehen wir gerade. Da stehen noch keine Termine fest, aber sie können von der zweiten Hälfte 2018 ausgehen. „Pastewka“ kommt Anfang 2018, „Der Lack ist ab“ startet schon am 19. Dezember diesen Jahres. Und „Bullyparade - der Film“ kommt dann auch Anfang 2018.

Herr Schneider, herzlichen Dank für das Gespräch.