Frau Hayali, sie gelten ja schon seit Jahren als journalistischer Shootingstar unter den Öffentlich-Rechtlichen. Wieso eigentlich? Was machen Sie anders als Ihre Kollegen? 

Hayali: Immer noch? (lacht) Lassen Sie uns das Interview jetzt beenden, es kann nicht mehr besser werden.

Aber warum ist das so und wie fühlt sich das an?

Teutenberg: Ja Mensch, Dunja. Sag doch mal!

Hayali: Hätten Sie mir vor zehn Jahren gesagt, dass wir heute hier zusammen sitzen und über eine Sendung sprechen, die meinen Namen trägt, hätte ich Sie für verrückt erklärt. Den Sendungsnamen zu nennen, fällt mir auch immer noch schwer. Das fühlt sich sehr surreal an. Aber egal. Wichtig ist, ich bin Journalistin, Moderatorin, ich mache Filme. Für mich die perfekte Kombination. Diese Abwechslung reizt und fordert mich. Ich lerne jeden Tag dazu. Und ich habe die offizielle Erlaubnis vom ZDF Menschen außerhalb von Familien- und Freundeskreis mit meinen Fragen zu nerven. Für all das bin ich dankbar und demütig. Auch weil ich weiß, dass sich anstrengen und Stolpersteine überwinden allein niemanden ans Ziel bringen. Nichts geht ohne Menschen, die einen fördern und fordern. Diese Menschen hatte und habe ich.

Jetzt wurde Ihnen auch noch das Bundesverdienstkreuz verliehen. Erinnern Sie sich noch an den Moment, als Sie das erfahren haben?

Hayali: Als ich davon gehört habe, habe ich erst einmal nachfragen lassen, ob das ein Fake ist. Danach wollte ich erst einmal wissen, wofür ich das bekommen soll. Für mich ist ein ehrenamtliches Engagement und auch mein Job das normalste auf der Welt. Die Wertschätzung dafür ist natürlich toll, aber ich wünsche mir vielmehr, dass wir auch und mehr auf die Menschen schauen, die still und leise mit anpacken, die etwas tun und denen "vom Sofa aus zu meckern" zu einfach ist.

"Als ich davon gehört habe, habe ich erst einmal nachfragen lassen ob das ein Fake ist."
Dunja Hayali über die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes

Wird zu wenig über solche Menschen berichtet?

Hayali: Erst vor ein paar Tagen hat mir wieder jemand geschrieben und gesagt, dass häufig über die berichtet wird, die laut sind und motzen. Und über das Gescheiterte und Negatives. Damit hat er einen Punkt getroffen. Wir Journalisten verstehen uns als die, die aufzeigen was ist. Aber darunter verstehen wir leider oft nur das Misslungene. Den Streit. Die Problemzonen. Die andere Seite der Medaille zu zeigen, gehört aber natürlich genauso dazu. Sonst entsteht schnell der Eindruck: mit Deutschland geht es bergab. Das ist Quatsch und hat auch nichts damit zu tun, etwas unter den Teppich zu kehren. Warum auch?

Wenn Sie sowas sagen, werden Sie in den sozialen Netzwerken oft als vom Staat gelenkt bezeichnet.

Hayali: Wir machen es uns mit den Begriffen inzwischen auch zu leicht. Entweder man ist ein Nazi oder gleich linksgrün versifft. Was ist denn mit den Menschen, und zu denen zähle ich mich auch, die in der Mitte stehen? Ich bin nicht immer entweder oder, ich bin manchmal sowohl als auch. Ich kann die Hausbesetzer verstehen, aber ich kann auch die Polizisten verstehen, die die Hausbesetzer rausholen müssen. Ich muss mich nicht immer auf schwarz oder weiß festlegen, das will ich auch in der Sendung zeigen. Es gibt Grautöne.

Das Bundesverdienstkreuz war sicher auch Wasser auf die Mühlen vieler Kritiker, oder? Was haben Sie da erlebt?

Hayali: Natürlich kamen auch Vorwürfe. Die Ausländerin bekommt ein Bundesverdienstkreuz, jetzt geht die Welt unter! Oft kam auch der Vorwurf, dass jede Krankenschwester und jeder Feuerwehrmann es mehr verdient gehabt hätte. Bitte. Gern. Da das Bundesverdienstkreuz nach dem Vorschlagsrecht vergeben wird, habe ich diesen Menschen immer nur geantwortet, dass sie die Personen gerne vorschlagen sollen. Ich fände das großartig. Aber dazu müsste man sich eben auch ein bisschen bewegen - und wenn es nur zum Briefkasten ist. Nur ist schimpfen vom Sofa meist viel einfacher. Und sich in Neid und Missgunst suhlen auch.

Sie sind im Internet oft Hass ausgesetzt, sie antworten den Personen dann oft. Hat sich da auch etwas verändert?

Hayali: Eine Art Abnutzungserscheinung. Ich war vor ein paar Wochen auf einer Veranstaltung, auf der Beschimpfungen aus dem Netz vorgelesen wurden. Dabei habe ich mich oft erwischt, wie ich gedacht habe, dass das ja alles gar nicht so schlimm ist. Als ich mich umgesehen habe, konnte ich sehen, wie schockiert die anderen Gäste über die vorgelesenen Sätze waren. Da habe ich bemerkt, wie dick mein Fell inzwischen ist. Das ist auch nicht immer gut, man muss immer durchlässig sein für gewisse Dinge, selbst für Verletzungen. Mein Schmerzlevel ist aber schon sehr hoch.

"Man kann die Zeitungen wieder recht klassisch zuordnen."
Dunja Hayali

Ist auch die Debattenkultur unter den Journalisten rauer geworden? Ich habe das Gefühl, dass insbesondere auf Twitter immer schärfer diskutiert wird. Öffentlich-Rechtlich gegen Privat, rechts gegen links etc.

Hayali: Für die Presselandschaft finde ich es grundsätzlich gut, dass man dort aus dem "Wir wabern alle ein bisschen in der Mitte herum" herausgekommen ist. Man kann die Zeitungen wieder recht klassisch zuordnen. Daran erkennt man auch, wie vielfältig, weit und breit wir in Deutschland aufgestellt sind. Von ganz links bis ganz rechts ist alles dabei. Schon deshalb finde ich diese Mainstreamvorwürfe und "wir stecken alle unter einer Decke" etwas lächerlich.

Ab August werden Sie zusätzlich zu "Moma" und "Dunja Hayali" auch das "Aktuelle Sportstudio" moderieren. Wie gehen Sie das an? Wird die Sendung nun politischer oder suchen Sie neben den vielen harten Themen auch mal ein wenig "leichten Stoff"?

Hayali: Ich bin ich und so werde ich auch im "Aktuellen Sportstudio" sein. Ich habe Sport studiert und war lange Sportreporterin, Fußball ist noch immer meine große Leidenschaft.

Beruflich sind Sie zuletzt aber nicht im Sport-Bereich aufgetaucht.

Hayali: Stimmt, in den letzten elf Jahren war ich nur Fan. Jetzt werde ich das mithilfe der drei anderen Moderatoren und dem Team wieder professionalisieren.

Sie haben in einem Interview mit dem "Journalist" schon gesagt, dass Sie gerne mit Mesut Özil sprechen würden. Ich nehme an, das wäre dann trotz des Sports schon sehr politisch.

Hayali: Na klar will ich mit Özil reden, wer will das nicht? Und wenn man mit ihm spricht, kommt man um das Thema Türkei nicht herum. Aber die Sendung wird nicht automatisch noch politischer, nur weil ich dabei bin. In erster Linie geht es ums sportliche. Aber natürlich finde ich es auch gut, dass sich das Sportstudio, je nach Gast, in eine sportpolitische Richtung entwickelt hat. Es kommt immer darauf an, wer einem gegenüber sitzt. Die Veränderung kommt aber auch vom Gegenüber. Früher haben Fußballspieler frei von der Leber gesprochen. Das war rauer und oft auch ehrlicher. Jetzt sind die meisten geschult und haben ganze Teams hinter sich, die versuchen den Spieler möglichst glatt und ohne Kanten dastehen zu lassen und möglichst wenig eigene Meinung durchscheinen zu lassen. Ich finde das für einen erwachsenen Sportler oft grenzwertig.

"Ich werde das 'Sportstudio' nicht auf den Kopf stellen."
Dunja Hayali

Wie sind Sie eigentlich zum "Sportstudio" gekommen?

Hayali: Mein  ehemaliger "Moma"-Chef Thomas Fuhrmann ist inzwischen ZDF-Sportchef. Und da er wusste, dass ich nicht den Rest meines Lebens um 03.45 aufstehen möchte, hat er mir ein Angebot gemacht. Ok, logischer als Begründung ist sicher auch die Tatsache, dass er eine weibliche Moderatorin gesucht hat. Zack, da bin ich. Kindheitstraum erfüllt. Shitstorm programmiert. Danke Thomas..

Das klingt aber sehr nach "Moma"-Abschied.

Hayali: Das "Moma" und ich sind eins. Die Sendung ist mein zuhause. Sie macht mir auch nach 11 Jahren immer noch unglaublich viel Spaß. Wenn die Uhrzeit nicht wäre, könnte ich den Rest meines Lebens das "Moma" moderieren. Wir sind live, wir sind nah dran, ich habe jeden Tag Gespräche, vielfältige Themen, ein tolles Team und den besten Co-Moderator, den ich mir wünschen kann. Auch weil er gegen mich im Doppelkopf in der Regel verliert. Aber die Uhrzeit ist natürlich sehr Kräfte zehrend. Deswegen, aber auch weil sonst die anderen Aufgaben nicht schaffen würde, mach ich künftig nicht mehr zwei, sondern nur noch eine "Moma"-Sendewoche im Monat.

Inwiefern haben Sie auch Respekt vor der Marke "Sportstudio"? Es ist eine der wichtigsten und bekanntesten Sportsendungen des deutschen Fernsehens.

Hayali: Letztens saß ich in einem Café und neben mir klingelte plötzlich ein Handy. Der Klingelton war die Melodie des "Sportstudios". Da habe ich zum ersten Mal Herzklopfen bekommen. Ich habe den allergrößten Respekt vor der Sendung und der Aufgabe. Schauen Sie sich an, wer das schon moderiert hat. Ich werde das "Sportstudio" nicht auf den Kopf stellen, auch wenn das einige meiner Freunde denken und ihre Wünsche schon an mich herangetragen haben: Weniger Fußball, mehr andere Sportarten und am besten auch noch eine frühere Sendezeit.

Wie viel Mitspracherecht haben Sie bei den Themen?

Hayali: Das kann ich ehrlicherweise noch gar nicht sagen. Ich tippe darauf, dass jeder Vorschläge machen kann, aber am Ende entscheidet immer noch der Chef. So kenne ich Thomas Fuhrmann aus dem "Moma".

Frau Hayali, Sie sind bekennender Gladbach-Fan. Ihr Tipp für die neue Saison?

Hayali: Champions League.

Das heißt… Platz vier?

Hayali: Meine Güte, was sind Sie denn für eine Fußball-Lusche? (lacht) Plätze 1 bis 4! Ich kann auch sehr gut mit dem ersten Platz leben, aber da sind ja immer noch die Bayern.

Wird Ihr Fan-Sein nicht auch zum Problem?

Hayali: Ich war schon einmal Sportreporterin und das war für die Borussia kein Spaß. Ich gehe offen und ehrlich damit um und natürlich freue ich mich, wenn wir gewinnen. Aber es ist doch so, dass man mit seiner Lieblingsmannschaft härter ins Gericht geht, um schon alleine dem Anschein der Parteilichkeit entgegenzuwirken.

Dem Sportjournalismus wird ja oft gerne eine gewisse Nähe zu den Protagonisten und eine daraus resultierende Zahnlosigkeit vorgeworfen.

Hayali: Man kann eine bestimmte Nähe zulassen und trotzdem kritisch fragen. Ich könnte zum Beispiel heute mit Stindl ein Bier trinken gehen. Und wenn er morgen drauf ein schlechtes Spiel hinlegt, würde ich ihn übermorgen auch mit meinen Fragen an die Wand nageln. Das Problem ist eher, dass der Zuschauer dem Journalisten nicht zutraut, diese Distanz einzuhalten.

Aber wenn die Zuschauer Ihnen das nicht zutrauen, ist das doch ein Problem. Ein sehr großes sogar.

Hayali: Ganz einzuhalten ist das auch nicht immer und genau deswegen halte ich mich aus fast allem raus, was politisch abseits des "Moma" oder von "Dunja Hayali" in Berlin passiert. Es gehört sich einfach, da eine gewisse Distanz zu wahren. Aber natürlich renne ich auch nicht weg, wenn mich auf einer Veranstaltung jemand nach einem Selfie fragt oder anstoßen will. Wir sind ja alle keine Feinde. So werde ich das auch im Sport halten.

Frau Hayali, Frau Teutenberg - vielen Dank für das Gespräch!