Und „Deutschland 86“ wird ja auch später bei RTL zu sehen sein, nach der Premiere bei Amazon Prime Video. „Babylon Berlin“ hat ja gerade gezeigt, dass SVoD/Pay und Free-TV gänzlich unterschiedliche Zielgruppen sind und eine Serie zweimal funktionieren kann.

Ich sehe es auch so, dass die Zuschauer für Streaming und fürs lineare Fernsehen so unterschiedlich sind, dass sich die beiden Plattformen im Grunde nicht als Konkurrenz sehen müssen. Meine Schwiegereltern haben bis heute nicht verstanden, wie Netflix funktioniert und werden es wohl auch nicht mehr. Was auch einfach daran liegt, dass sie es nicht müssen, da sie ihr Programm haben. Eigentlich sollte man also meinen, dass es umso schöner ist, umso mehr Content es gibt. Anhand von „Babylon Berlin“ kann also, wie Sie sagen, sehr gut gesehen werden, dass beide Welten mit- bzw. nebeneinander funktionieren können.



Ich hätte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass so viele Menschen bei der Free-TV-Premiere von „Babylon Berlin“ einschalten werden.

Ich habe bei der Free-TV-Premiere eingeschalten. Und ich muss sagen, dass ich es zutiefst genoss, mal wieder zur Prime-Time vor dem Fernseher gewesen zu sein.

Ist es wirklich so toll, alle Folgen einer Serie auf einmal zu veröffentlichen? Weil wir uns doch kaum noch über die Geschichte einzelner Folgen unterhalten können. Ich vermisse das. Aber bei „The Romanoffs“ experimentiert ja auch Amazon mit wöchentlicher Veröffentlichung…

Amazon ist nicht nur in dieser Hinsicht vorbildlich, sondern auch darin, wie sie Serien auswählen und wie sie mit ihnen umgehen. Beim Amazon Prime Video Event in London kürzlich, wurden alle Produktionen gleich behandelt. Es gab keine Unterscheidung zwischen „Das sind unsere amerikanischen Serien“ und „Das sind unsere europäischen Produktionen“. Es ist toll, Teil einer Familie zu sein, die Kreativität auf diese Weise wertschätzt. Mein Manager in Amerika sagt immer: Es gibt nicht so etwas wie eine deutsche Serie oder eine amerikanische Serie. Es gibt nur gute und schlechte Serien.

Amy Palladino erzählte nach ihrem Emmy-Gewinn neulich, dass sie Amazon so liebt, weil sie Schecks schreiben wie verrückt (DWDL.de berichtete). Können Sie das bestätigen?

Lustigerweise habe ich mit ihr und ihrem Mann zu Abend gegessen, als die beiden hier in Berlin waren um „The Marvelous Mrs. Maisel“ zu promoten. Wir kamen so ins Reden und natürlich unterhält man sich dann auch mal über Details, so unter Produzenten.

Und?

So viel sei verraten: Natürlich ist es toll, dass wir eine große Gemeinschaft sind, aber offensichtlich haben wir nur einen Bruchteil von dem bekommen, was eine amerikanische Produktion wie „The Marvelous Mrs. Maisel“ bekommt. Es geht anscheinend um die Sprache. Ich kann aber nicht ganz verstehen, warum. Am Ende wird doch sowieso alles synchronisiert. Deswegen sollte Amazon besser keine Produzenten zusammenbringen (lacht). Ich war eine Woche später noch schockiert, wie viel Geld andere so zur Verfügung haben.

Es ist umso verrückter, wenn man bedenkt, dass „Mrs. Maisel“ keine actiongeladene Serie ist, wie Ihre.

So unfassbar das ist, darf man aber auch nicht vergessen, welche Umstände sie vor Ort haben. Sie drehen durchgehend in New York und müssen jedes Mal, wenn sie draußen drehen, alle Autos austauschen, damit es der Zeit der Serie angepasst ist. Ich kann also sehen, warum es möglicherweise teurer ist als bei uns. Dennoch: Ich bin sehr stolz darauf, was wir mit so viel weniger Geld gestemmt haben. „Deutschland 86“ sieht fantastisch aus, der Look ist Ihnen ja auch aufgefallen. Aber dass unsere Budgets so viel kleiner sind als die der Amerikaner - das lässt einen nicht los.

„Deutschland 89“ wird also in Amerika gedreht.

(lacht) Man weiß ja nie!

Amazon weist ja bekanntermaßen keine Quoten aus. Ist es wirklich so toll, gar kein Feedback zu bekommen, wie oft die Serie geschaut wurde?

Wir bekommen ja trotzdem eine Menge Feedback zurück. Bei Amazon werden viele Reviews geschrieben. Ich verstehe aber auch, was Sie meinen: Mein Ehemann ist seit 20 Jahren im Fernsehgeschäft und freut sich jeden Morgen wie ein Kind an Weihnachten auf die Bescherung. Gibt es Kohlen in den Socken oder Geschenke? Es ist immer wieder aufregend. Für ihn ist es sicher ungewohnt. Ich persönlich hatte aber nie die besten Erfahrungen mit Quoten, weshalb das bei mir schon wieder ganz anders aussieht (lacht). Bei „Deutschland 83“ war es ja im Übrigen so, dass die Serie schon einige Menschen gesehen haben. Nur eben nicht über den linearen Weg.

„Deutschland 89“: Um was könnte es gehen?

Spoiler-Alarm: Die Mauer fällt. (lacht) Natürlich wissen wir bereits, um was es in „Deutschland 89“ gehen wird. Wir verraten es nur noch nicht. Aber ich kann Ihnen bereits verraten, dass es nichts ist, was Sie vorher schonmal gesehen haben. Wir werden wieder eine komplett neue Perspektive bieten.

Sie haben bereits allerhand Karrieren hinter sich: Journalistin, Fotografin, Buchautorin. Dann kam das Fernsehen und Sie sind bis jetzt hängen geblieben bei der Aufgabe. Süchtig geworden nach TV-Stoffen?

(lacht) Ich war eine Zeit lang Fotografin und habe dann als Autorin mein Geld verdient - als Drehbuchautorin vereine ich gewissermaßen alles, was ich in meinem Leben je getan habe. Es wirkt so, als ob mich jede Entscheidung in meinem Leben instinktiv zu diesem Punkt gebracht hat. Beim Roman schreiben fühlte ich mich immer etwas einsam. Beim Fernsehen arbeitet man in einem Team. Das gefällt mir. Da werde ich auch abseits von „Deutschland 89“ weiterhin dran bleiben, so viel kann ich schon versprechen.

Frau Winger, herzlichen Dank für das Gespräch.