Frau Westermann, Sie haben zehn Jahre in San Francisco gelebt und sind nun für die WDR-Dokumentation zu Ihrem 70. Geburtstag noch einmal dorthin geflogen. Dabei war das gar nicht Ihr Wunsch, oder?

Es ist nicht so, dass ich nicht mehr nach San Francisco wollte. Ich hatte vielmehr die Sorge, meine Zeit in den USA könnte in dem Film zuviel Raum einnehmen. Rückblickend habe ich wohl unterschätzt, wie wichtig diese Jahre für mich waren. Entsprechend froh bin ich, dass Klaus-Michael Heinz sie als Klammer nutzte, um den ganz großen Bogen über mein Leben zu spannen. Als ich jetzt im Feature noch einmal die Bilder gesehen und meine Stimme gehört habe, merkte ich erst, wie meine Stimme zitterte. Die Rückkehr war doch emotionaler als ich dachte.


Weshalb sind Sie überhaupt in die USA gezogen? Sie haben schließlich weiterhin in Deutschland gearbeitet – erst für die "Aktuelle Stunde", dann für "Zimmer frei".

Damals ging eine lange Beziehung zu Ende. Ich wollte einen emotionalen Abstand bekommen und auch einen geografischen. Am besten also weit weg. Ich bin freie Journalistin, war gut vernetzt, habe mich entschlossen, in San Francisco als Hörfunkkorrespondentin für verschiedene deutsche Radiosender zu arbeiten. Es war eine großartige Zeit, dennoch habe ich mich nach zehn Jahren sehr darauf gefreut, nach Deutschland zurückzukehren – erst in den USA ist mir so richtig bewusst geworden, wie europäisch ich in Wirklichkeit bin. 

In der Dokumentation erzählen Sie von Ihrem Abiball, bei dem Ihnen auf der Bühne kein Wort über die Lippen ging. Kaum zu glauben, dass danach eine große Fernsehkarriere folgte. Wie haben Sie diese Angst von damals überwunden?

Ich arbeite jetzt seit 50 Jahren für’s Fernsehen, das wäre ja noch schöner, wenn da nicht irgendwann mal die Angst wegginge. Ich habe allmählich verstanden, dass ich keine Rolle zu spielen brauche. Einfach nur Christine Westermann sein, authentisch nennt man das heute, das reicht. Aber bis man sich das traut, dauert es eben eine Weile. Wenn ich heute auf Lesereise mit meinem Buch unterwegs bin und – wie neulich im Theater in Bielefeld - vor sechshundert Menschen sitze, ist es pures Vergnügen.

Christine Westermann© WDR/Melanie Grande

Wann wurde es besser?

Das hat sich allmählich entwickelt. Auch im Fernsehen gab es Menschen, die mich nicht vor der Kamera sehen wollten. Ich erinnere mich an die Anfänge in der ZDF – "Drehscheibe", da war ich 20 und sah vielleicht sogar noch etwas jünger aus. Der Intendant rief beim Redaktionsleiter an und sagte: "Nehmt dieses Kind vom Sender. Die sieht aus wie ein Kalb, wenn's donnert." Und damit hatte er recht. Ich wurde danach langsam aufgebaut. Daran erkennen Sie, wie wichtig es ist, Förderer zu haben, die einerseits Potenzial erkennen, andererseits aber auch die nötige Geduld aufbringen.

"Wir waren wie ein altes Ehepaar und haben uns auch hin und wieder vor der Kamera gefetzt."
Christine Westermann über ihre Fernsehzeit mit Frank Plasberg

Gilt das auch für Frank Plasberg, mit dem Sie lange die "Aktuelle Stunde" moderierten? Über ihn sagen Sie: "Leider ist er nicht nur mein Co-Moderator geblieben."

Frank war ein sehr guter Chef, aber auch ein unglaublich strenger. Da hat er keinen Unterschied zwischen Freund und Feind gemacht.

Vor der Kamera haben Sie trotzdem funktioniert?

Wir waren wie ein altes Ehepaar und haben uns auch hin und wieder vor der Kamera gefetzt. Die ersten Jahre von "Zimmer frei" haben ihm nicht gefallen, weil ich in seinen Augen eine seriöse Journalistin und keine Frau für die Fernsehunterhaltung war. Als er später den Erfolg gesehen hat und wir den Grimme-Preis für die Show bekamen, war es für ihn aber halbwegs in Ordnung.

Eine späte Genugtuung für Sie?

Ja, sicher. Aber nicht in dem Sinne, dass ich es ihm mal so richtig gezeigt habe. Ich habe mich darüber gefreut, ihn überzeugt zu haben. Vermutlich immer noch nicht ganz, aber zumindest zu 80 Prozent.