Aber wie soll das gelingen, wenn die Branche nicht mal den Mut aufbringt, mehr Geschichten ohne Mord und Totschlag, also kriminalistischen Kern zu erzählen?

Unser Grundansatz ist erstens, möglichst viele Partner ins Boot dieser Debatte zu holen. Deshalb sind mit der FFA und dem Österreichischen Filminstitut Filmförderer und mit ARD Degeto, ZDF, UFA und Sky ebenso Sender und Produktionshäuser dabei. Andererseits ist uns wichtig, die Handelnden der Arbeitsprozesse dabeizuhaben, also Kreative und Gewerke, aber auch Redakteur*innen. Der Dialog ist ein Anfang, aber wir wollen, dass er von Dauer ist.

Erwachsen aus diesem Dialog bereits konkrete Forderungen?

Wir sind keine Gruppe von Aktivisten und Aktivistinnen, sondern praxisbezogene Diskussionsplattform, und streben daher auch kein Manifest oder ähnliches an, sondern eine Auseinandersetzung mit unserer praktischen Arbeit, quantitativ und qualitativ, vor allem inhaltlich.

Aber wäre es bei aller Selbstverpflichtung nicht zielführender, den rechtlichen Rahmen mit zu verbessern, etwa durch Änderungen am Rundfunkstaatsvertrag?

Unser Workshop setzt auf anderer Ebene an. Wir wollen ihn in anderen Städten mit anderen Filmhochschulen und anderen Gewerken fortsetzen. Kamera ist bislang noch gar nicht dabei oder das Casting. Daran müssen wir arbeiten; mit einem ersten Workshop für 18 Leute ist es da noch lange nicht getan. Bis dahin ist es allerdings unser Ziel, inhaltlich zu diskutieren, aber auch zu schauen, wo es bereits positive Veränderungen und gute Beispiele gibt.

Was wäre das denn, gibt es positive Veränderungen?

(überlegt lange) Schon, aber es ist schwierig, da einzelne rauszuziehen.

Uns fiele da die „Lindenstraße“ ein, der Diversität bei aller dramaturgischen Schwäche von Beginn an ein sichtbares Herzensanliegen ist.

Die „Lindenstraße“ hat über viele, viele Jahre verlässlich eine Vorreiterrolle eingenommen, nur: 2020 ist mit der Serie bekanntlich Schluss. Wen wir beim Pilotprojekt dabeihaben, ist zum Beispiel Dr. Lisa Blumenberg. Als Ideengeberin und Produzentin der ZDF-Serie „Bad Banks“ hat sie voriges Jahr bewiesen, dass man herausragendes Fernsehen mit drei Frauen in tragenden und untypischen Rollen produzieren kann.

Die allesamt permanent den Bechdel-Test bestehen, weil sie selbst untereinander nicht bloß über Männer reden.

Sondern über Wirtschaft und Politik, ganz genau. Wobei die Geschichte fast ebenso starke Männerfiguren hat; es dreht sich nur endlich mal nicht alles nur um sie. Und Diversität wird darin auch nicht nur am Geschlecht festgemacht, sondern an der Herkunft – mit einer deutsch-asiatischen Bankerin, ihrem arabisch anmutenden Kollegen und einem körperlich behinderten Steuerfahnder. Da ist wirklich mal alles sehr durchdacht dabei.

Könnten die Trippelschritte hin zur Diversität in absehbarer Zeit dazu führen, dass ein Transmensch, um dessen Gender Null Aufhebens gemacht wird, im „Tatort“ ermittelt?

Da bin ich jetzt ein bisschen skeptisch. Ich fürchte, das ist zwei Schritte zu weit gedacht.

Wird ihr Workshop dahingehend etwas bewirken?

Klar! Sonst würden wir ihn ja nicht machen. Wir sagen ja nicht akademisch von oben, wie es gemacht wird, sondern laden zur Diskussion mit allen ein und machen Angebote zur Unterstützung. Was mich da besonders zuversichtlich macht: wir kämpfen nicht mehr gegen Windmühlen! Besonders auf der Ebene des Kinderfernsehens, wo die Geschlechterverteilung bislang noch viel schrecklicher war als im Gesamtangebot, tut sich was. Der KiKa-Redakteur Benjamin Manns wird uns drei neue, fortschrittliche Produktionen vorstellen. Es geht also alles noch relativ langsam, aber in die richtige Richtung.