Wieso haben Sie sich eigentlich für ein Remake des Filmklassikers entschieden? Die Fallhöhe ist dadurch ja nicht gesunken.

Das war ein Risiko, natürlich. Der Film hatte viele Anlagen, auf die man aufsetzen kann: Das Original war der erste Tonfilm und auch der erste Kriminalstreifen, in dem es sehr detailliert um Forensik ging. Es war außerdem der erste Film, in dem ein Kindermörder mit einem korrekten Psychogramm dargestellt wurde. Das ist alles immer noch da, dennoch ist es nicht einfach, den Film zu schauen. Es ist eben ein Streifen aus dem Jahr 1931. Die Zuschauer sind das Tempo nicht gewöhnt und der Look ist auch sehr speziell. "M" war der erste deutsche Ton-Film. Damals eine Revolution, aber heute strengt das Zuhören an. Die Idee war, diese wunderbare Vorlage mit ihrer unglaublichen Aktualität erlebbarer zu machen für Menschen aus der heutigen Zeit.

Der Film hat Geschichte geschrieben. Was unterscheidet die Serie von anderen hochklassigen High-End-Serien?

Wir haben eine packende Geschichte und ein hohes Production-Value. Das haben andere Serien auch. Einzigartig sind die Schalko-artige Erzählweise, der unglaublich begabte Cast und vor allem die klare politische Ebene.

M - Eine Stadt sucht einen Mörder© ORF/Ingo Pertramer
Musiker und Schauspieler Bela B. spielt bei "M" mit.

Die Serie war eine Koproduktion. An welchen Stellen mussten Sie mit den Kollegen besonders intensiv diskutieren?

Von der redaktionellen Arbeit her war alles sehr harmonisch, wir sind alle in die gleiche Richtung gegangen. Von daher gab es wenige Konflikte über das große Ganze. Man diskutiert wie bei jedem Projekt über Details einzelner Figuren und Handlungsstränge, grundsätzlich waren wir aber eng beieinander. Ein wenig länger haben wir über die Kaktus-Szene diskutiert. David Schalko hat einen sehr hohen Anspruch an das, was er tut. Er hatte von Anfang an eine sehr klare Vision, war aber immer sehr offen, wenn es um Details ging. David sagt, dass er keine Kompromisse macht, um Geld zu verdienen. Für ihn stehen die Vision und das Inhaltliche an vorderster Front.

Und für die Mediengruppe RTL? Die muss ja auch Geld verdienen.

Das stimmt. Aber wir wollten etwas Herausragendes produzieren und dafür war David Schalko die ideale Besetzung.

Was haben Sie während der Produktion über Österreich gelernt?

In Österreich laufen viele Dinge anders und nicht immer schlechter. Insgesamt ist der Markt dort übersichtlicher, alle kennen sich und man ist sich noch etwas näher als hier in Deutschland. Es gibt dort unglaublich talentierte Menschen vor und hinter der Kamera. Wenn man sich anschaut, wie stark österreichische Kreative und Schauspieler bei den aktuell herausragenden deutschsprachigen Fiction-Produktionen mitwirken, ist das schon bemerkenswert. "M" sieht fantastisch aus, ich bin sehr glücklich darüber, wie gut es geworden ist. "M" liegt absolut auf internationalem Top-Niveau.

Als Leiter der digitalen Spartenkanäle sind Sie auch verantwortlich für die Pay-TV-Sender der Mediengruppe RTL. Derzeit habe ich das Gefühl, dass diese eher stiefmütterlich behandelt werden. Der klare Fokus liegt auf TVNow inklusive Now US, wie hoch ist der Stellenwert von RTL Crime & Co.?

Das Pay-TV-Geschäft hat den Stellenwert, den es bislang auch schon hatte. Das Geschäft funktioniert hervorragend. Wir haben mit die stärksten Bezahlsender in Deutschland und sind auf allen größeren Plattformen verbreitet, bis auf Sky. RTL Crime, RTL Living, RTL Passion und Geo Television sind auch bei TVNow integriert, hier sind sie ein ganz wichtiger Bestandteil des Angebots. Beispielsweise hat Geo Television dort über 800 teils preisgekrönte Dokumentarformate zum Abruf im Angebot. Natürlich kann man als Medienhaus nicht mit drei oder vier großen Stories an die Öffentlichkeit gehen, der Fokus liegt derzeit klar auf TVNow. Daneben gibt es aber auch weiterhin RTL, Vox und auch die Pay-TV-Sender.

"Es geht wirklich auch sehr gut ohne Sky."

Wie sehr haben Sie das Aus der Pay-TV-Sender bei Sky gespürt?

Wir haben es gespürt in dem Sinne, dass die Sky-Kunden Sender, die sie sehr geliebt und viel angeschaut haben, seit Juli 2018 nicht mehr sehen können. Da waren schon einige ziemlich sauer auf Sky. Sky war ein großer Kunde und wir haben signifikante Umsätze mit Sky generiert. Aber es geht wirklich auch sehr gut ohne Sky. Die Budgets im Pay-TV-Bereich sind übrigens gleich geblieben. Statt Sky sind wir jetzt auf TVNow und die von Sky verprellten Fans wissen das sehr zu schätzen.

Im April 2018 sagten Sie, dass Ihnen ein großes Leuchtturm-Projekt pro Jahr realistisch erscheint für die Pay-TV-Sender. Bleibt es dabei?

Dabei bleibt es. Ob es immer eine Serie wie "M" sein muss, ist die große Frage. Mit Geo Television haben wir beispielsweise mit "Cold Case Hammarskjold" eine Kino-Dokumentation koproduziert, die beim wichtigen Sundance Festival im internationalen Doku-Wettbewerb im Bereich Beste Regie gewonnen hat. Für das diesjährige Sundance Filmfestival wurden über 2.500 Kino-Dokumentationen eingereicht und nur zwölf in den Wettbewerb für nicht-amerikanische Dokumentationen aufgenommen. Geo hat gewonnen. Das ist ein großer Erfolg für Geo und vor allem unser Team, das dahintersteht. Mit "Cold Case Hammarskjold" bedienen wir sehr erfolgreich ein ganz anderes Segment. Wenn es um "Golden Age of Television" geht, reden alle eigentlich nur noch von Serien. Rechts und links davon passiert aber auch noch eine ganze Menge und wir müssen aufpassen, dass das nicht untergeht. Auch auf diesen Feldern spielen wir mit, wir entwickeln immer weiter, natürlich auch serielle Produktionen für RTL Crime.

Herr Holtmann, vielen Dank für das Gespräch!