Wenn Sie heute Fernsehen schauen: Was unterhält Sie wirklich gut?

Ich mag zum Beispiel die Sachen von Joko & Klaas, weil die beiden noch eine ehrliche Freude am Fernsehmachen vermitteln. Das gilt auch für Böhmermann oder die "heute-show". Und Formate wie "The Voice" oder "Die Höhle der Löwen" finde ich ebenfalls spannend, weil sie nicht darauf abzielen, Leute vorzuführen und lächerlich zu machen. Dass gleichzeitig so etwas wie "Babylon Berlin" entsteht, zeigt doch, wie viel Kreativität in der Branche steckt, man muss sie nur machen lassen. Es sind zwar noch zaghafte Versuche, aber es gibt Hoffnung. Vielleicht merken die Öffentlich-Rechtlichen, dass sie aufwachen und sich modernisieren müssen, und vielleicht merken die Privaten, dass sie das Publikum nicht mehr nur zynisch und boshaft verarschen können, sondern dass letztendlich immer vor allem der Inhalt zählt, wenn man sich mit der Zeit nicht in die eigene Bedeutungslosigkeit schießen will. So wie es die meisten Radiosender über all die Jahre getan haben, bei denen inzwischen Computer die immer gleichen Dudelhits aussuchen und es dazwischen nichts mehrzu sagen gibt .

Dabei zeigen die Podcasts ja, dass es auch für das gesprochene Wort noch einen Markt gibt.

Es ist doch so: der Mensch neigt leider dazu, sich schnell zu überfressen, wenn es etwas Leckeres gibt, und dann will er immer mehr davon, bis ihm schlecht wird. Sobald etwas entdeckt wird, das ein wenig anders, frisch und deshalb erfolgreich ist, geraten die Sender in einen blindwütigen Kopierwahn, jeder will dann genau so etwas haben. Dadurch entstehen Wellenbewegungen – das war auch beim Radio der Fall. Nachdem wir in den 70er und 80er Jahren in der Unterhaltungs-Dürre lebten, waren die Leute froh, als es plötzlich durch die Privaten Musik und Unterhaltung gab und nicht mehr alles so bierernst zuging. Das führte allerdings dazu, dass irgendwann immer winiger mit Inhalt gesprochen wurde und die Unterhaltung immer blöder und belangloser wurde. Intelligenz und Kreativität wurden eliminiert – und jetzt kommt die Gegenbewegung mit Podcasts, in denen nur gelabert wird.

Sie selbst haben in den 90er Jahren Ihre ganz eigenen Erfahrungen mit dem gesprochenen Wort gemacht, als man den "Mattscheibe"-Vorläufer im Radio vorzeitig beendete, weil er dem Sender zu lang geraten ist.

Tatsächlich hat die "Mattscheibe" ihren Ursprung im Radio, wo die Beiträge ab 1991 zu hören waren – immer mit einer Länge zwischen drei und fünf Minuten. Irgendwann zog das Formatradio ein und ffn bekam ein paar Vollidioten ins Haus gesetzt, die nicht mehr auf den Inhalt achteten, sondern nur noch mit der Stopuhr danebensaßen, damit ein Beitrag bloß nicht länger als 90 Sekunden dauert. Und dann wurde mein Beitrag, an dem ich den ganzen Tag gearbeitet hatte, einfach nach anderthalb Minuten abgeschnitten, mitten in der Geschichte. Das war für mich dann der Zeitpunkt, mich vom Radio zu verabschieden.

Danach kamen Premiere, ProSieben und Tele 5. Wenn Sie Ihre Arbeitgeber miteinander vergleichen: Wo war es am entspanntesten und kreativsten?

Premiere und Tele 5 sind die entspanntesten Arbeitgeber, weil man bei kleinen Sendern experimentieren darf. Bei ProSieben war es auch eine nette Zeit, aber die hatten so viel Programm, dass man dort an den eigentlichen Inhalten gar kein großes Interesse hatte. Dort wurde manchmal gedreht, aber dann blieben die Folgen ein dreiviertel Jahrliegen , weil man sich nicht sicher war, wann der beste Sendezeitpunkt wäre. Oder man wurde zwei Jahre geparkt, in denen man nur auf die Ansage wartet, wann es wie weitergeht. Das frustriert irgendwann, denn man möchte ja arbeiten. Tele 5 ist als Sender zwar kleiner, aber offen für neue Ideen, wie zum Beispiel "SchleFaZ" oder die "Nichtgedanken". Und weil es dort weniger Redakteure zum Ausbremsen gibt, heißt es dort viel schneller: Okay, probieren wir das mal! Dadurch habe ich heute mehr zu tun denn je, auch wenn es vielleicht weniger Menschen mitbekommen.

Tele 5 wurde allerdings gerade als Teil der Tele München Gruppe vom Finanzinvestor KKR übernommen, den man ja auch bei ProSiebenSat.1 noch gut kennt. Keimt da in Ihnen nicht die Sorge auf, dass es mit der kreativen Freiheit bald vorbei sein könnte?

Die Befürchtung, dass es Einschnitte und Veränderungen gibt, ist in Medienunternehmen immer vorhanden, wenn plötzlich ein Finanzinvestor das Sagen hat. Im Moment besteht allerdings die Hoffnung, dass vielleicht sogar etwas mehr Geld investiert wird, weil etwas Neues aufgebaut werden soll . Tele 5 ist ja auch kein Sender wie die ProSieben-Gruppe, wo man nur versucht hat, das bestehende Geschäftsmodell auszuwringen und zu globalisieren.

"Wir sollten vernünftig darüber nachdenken, wie das System verändert werden kann."
Oliver Kalkofe

Bleiben wir im Hier und Jetzt. Wo läuft eigentlich mehr Quatsch: Bei den Privaten oder Öffentlich-Rechtlichen?

Das sind zwei verschiedene Planeten. Auf der einen Seite der Planet des ewigen Stillstands, auf der anderen der Planet des dümmlichen Irrsinns. Mehr schlimme Dinge passieren auf der Seite der Privaten, was mittlerweile an Formaten wie "Naked Attraction", "Love Island" oder "Temptation Island" liegt, in denen Menschen zur Ware degradiert und nur noch die allerbilligsten Schlüsselreize angetriggert werden. Die Öffentlich-Rechtlichen haben sich zwar immer dafür auf die Schulter geklopft, eine solche Scheiße nicht zu machen – aber sie haben auch niemals etwas bewusst dagegen gesetzt, sondern einfach immer so weiter gemacht wie früher. Das ist die eigentliche Schande, weil wir dafür bezahlen. ARD und ZDF hätten die Aufgabe, kreativ zu sein und uns Zuschauer mit besseren Ideen aus dem Sumpf zu ziehen.

Können Sie daher nachvollziehen, dass es nicht wenige Menschen gibt, die die Abschaffung von ARD und ZDF fordern?

Ich kann die Wut auf die Öffentlich-Rechtlichen verstehen, weil ich ja selbst wütend bin. Ich sehe irgendwann nicht mehr ein, den Rundfunkbeitrag für eine solche Menge an mittelmäßigem Programm zu zahlen, weil es das nicht wert ist und ich letztlich dort genauso wenig ernst genommen werde wie bei den Privaten. Wir sollten deshalb vernünftig darüber nachdenken, wie das System verändert werden kann, insbesondere was den riesigen Apparat an Bürokratie angeht. Die Stimmung kann nämlich auch sehr schnell sehr heftig kippen. Man muss sich doch nur mal in der Welt umschauen, von AfD bis Trump. Das sind alles Protestbewegungen, die vor allem die Wut der Menschen aufgenommen und für sich instrumentalisiert haben. Die Menschen merken nur gar nicht, dass sie dann meist den viel gefährlicheren Idioten hinterherlaufen. Das möchte ich im Fernsehen nicht erleben.

Letzte Frage: Wie ist der Wasserstand der "Wixxer"-Fortsetzung. Da war ja zwischenzeitlich auch mal von einer Serie die Rede...

In den letzten Jahrzehnten habe ich eines gelernt: man braucht Geduld, denn für alles gibt es einen richtigen Zeitpunkt – und ich fürchte, beim "Wixxer" war er bislang einfach noch nicht da. Es gibt immer noch die Idee, ein fertig ausgearbeitetes Konzept und die Begeisterung der Beteiligten, aber aus irgendwelchen Gründen gab es dann doch immer wieder eine unerwartete Bremse. So ein Superschurke schlummert eben manchmal jahrelang in seiner Höhle im Untergrund und übernimmt dann ganz plötzlich die Weltherrschaft, wenn niemand damit rechnet. Ich hoffe, dass es hier genauso geschieht.

Herr Kalkofe, vielen Dank für das Gespräch.