Herr Goldmann, sie waren jahrelang Eishockey-Profi und begleiten den Sport seit 2008 als Kommentator und Experte. Wie hat sich der Stellenwert des Eishockeys in Deutschland innerhalb dieser Zeit entwickelt?

Vor vielen Jahren war die DEL ausschließlich im Bezahlfernsehen zu sehen. Das war ganz klar ein Nischenmarkt und der Sport bekam von anderen Medien vielleicht nicht die Aufmerksamkeit, die er eigentlich verdient gehabt hätte – obwohl Premiere damals sehr gute Arbeit geleistet hat. Für die öffentliche Wahrnehmung war das aber sicher nicht optimal. Mit dem Wechsel der Rechte zu Servus TV entstand dann ein Produkt, das im europäischen Produkt seines Gleichen suchte. Obwohl der Sender relativ unbekannt war, haben sich die Einschaltquoten gut entwickelt. Die jetzige Lösung mit einer Mischung aus dem Free-TV-Fenster bei Sport1 und der Möglichkeit, gegen Bezahlung alle Spiele bei Magenta Sport zu sehen, ist in meinen Augen ideal, weil Magenta mit dem Streamingangebot modern und flexibel ist, alle Spiele abgedeckt werden, aber auf der anderen Seite auch zusätzlich einmal wöchentlich bei Sport1 in einem Spiel zusätzlich Masse erreicht wird. Diese Kombination ist gut und ist nötig, um die Liga dauerhaft ins Gespräch zu bringen. 

Wie wichtig ist dazwischen eine Weltmeisterschaft, wie sie jetzt ansteht? 

Die Nationalmannschaft ist das Eishockey-Zugpferd in Deutschland. Punkt, Aus. Dann kommt erst mal lange nichts und dann kommt die Liga. Ich meine das nicht despektierlich, aber das ist einfach der Wahrnehmung der Nationalmannschaft geschuldet. Wenn sie erfolgreich spielt, kann sie ganz viele Leute, die sich sonst eher sporadisch für Eishockey interessieren, wieder näher an die Sportart heranbringen.

Sie sind wieder für Sport1 bei der WM dabei. Wie definieren Sie Ihre persönliche Rolle?

Die Rolle hat sich nicht grundlegend geändert, allenfalls die Voraussetzungen verändern sich. Mir ist es wichtig, die Liebe zum Sport, die mich begleitet, seit ich vier Jahre alt bin, zu transportieren. In erster Linie versuche ich so heranzugehen, wie ich als Spieler vom Trainer-Staff vorbereitet worden bin. Während des Spiels wollen wir enthusiastisch und gerne auch mal patriotisch kommentieren, aber trotzdem objektiv bleiben. Und insbesondere bei Weltmeisterschaften darf man nie vergessen, dass man für viele Zuschauer kommentiert, die den Sport sonst nicht in seiner Tiefe verfolgen. Unterm Strich versuchen wir, 80 Prozent der Zuschauer zu bedienen.

Was ist mit den restlichen 20 Prozent?

Zehn Prozent wissen immer alles besser und den übrigens zehn Prozent passt dein Gesicht nicht. Die wirst du ohnehin niemals erreichen. (lacht)

Wir haben gehört, dass Sie dieses Jahr mit Basti Schwele die Weltmeisterschaft nicht vor Ort, sondern aus Ismaning kommentieren. Was ändert sich dadurch für Sie?

Als Experte schaue ich nicht nur zwingend da hin, wo der Puck ist, sondern eben auch dahin, wo Passwege entstehen könnten, sich das Spiel hinentwickeln könnte oder auch manchmal einfach nur auf die Spielerbank, um zu erkennen, ist wer angeschlagen, wie ist die Stimmung? Das fällt nun weg, da wir nur das Bild, welches auch der Zuschauer sieht für unsere Kommentierung zur Verfügung haben. Das heißt, insgesamt macht es das für Basti und mich schon herausfordernder, aber wir sind voll motiviert, mit der gleichen Begeisterung heranzugehen und hoffen, dass dem Zuschauer so wenig wie möglich abgehen wird beim Kommentar.

Bedauern Sie es eigentlich, heute nicht aktiv zu spielen?

Ich kann nicht beurteilen, wie ich mich in der heutigen Zeit als Spieler entwickelt hätte. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass ich und viele Spieler von damals heute keine Chance mehr hätten, weil sich die Sportart technisch, schlittschuhläuferisch und von der Geschwindigkeit her in den letzten 20 Jahren unglaublich stark verändert hat.

Wann wurde Ihnen klar, dass der Job beim Fernsehen etwas sein kann, das Ihnen nach der Karriere Freude bereitet?

Den Job beim Fernsehen mache ich ja eigentlich nur nebenbei. Ich habe Medizinmanagement studiert und betreibe zwei Physiotherapiepraxen in München. Zum Fernsehen bin ich zufällig gekommen, weil mich Marc Hindelang 2008 gefragt habe, ob ich neben ihm als Co-Kommentator bei der WM fungieren will. Dass das ein derart großer Teil meines Lebens werden würde, habe ich nicht geplant und konnte ich auch überhaupt nicht einschätzen. Genauso wenig hatte ich eine Ahnung davon, wie meine Aufgabe aussehen würde. Das war vor allem Learning by doing, indem ich mir überlegt habe, was mir bei anderen Kommentatoren und Experten gefällt und was nicht, denn oft habe ich mich als Spieler darüber aufgeregt, was die Leute am Mikrofon erzählt haben. Davon ausgehend entstand dann meine eigene Art und Weise zu kommentieren, mit der ich die Zuschauer auch unterhalten möchte. Es gibt ja Strecken im Spiel, in denen alles vor sich hinplätschert. Da möchte ich doch nicht nur die Namen aufzählen. Diesen Anspruch habe ich über die Jahre hinweg definiert, aber immer wieder angepasst.

Worin besteht die größte Veränderung zu den Anfangsjahren?

Am Anfang war ich sehr nah dran, weil ich mit den meisten Spielern in der Nationalmannschaft selbst noch gespielt habe oder zumindest in der Liga gegen sie. Das hat sich logischerweise mit den Jahren geändert. Darin liegt die Herausforderung, selbst nicht stehen zu bleiben. Innerhalb von zehn Jahren gibt es in jeder Sportart große Weiterentwicklungen. Man muss sich Gedanken darüber machen, weshalb das so ist, um den Zuschauern diese Veränderungen zu vermitteln. So ist auch "N.ICE – Goldis Eishockey-Welt" entstanden, eine zehnteilige je 30-minütige Dokumentation, die im Rahmen der WM bei Sport1 zu sehen sein wird.

Worum geht es?

Wir haben große und interessante Persönlichkeiten im deutschen Eishockey besucht und lassen sie zu Wort kommen, um ihren persönlichen Weg zu erklären – mit all den Veränderungen, die der Sport in dieser Zeit mit sich gebracht hat.

"In den Medien ist es wie im Sport: Wenn du da stehen bleibst, kann es schnell vorbei sein."
Rick Goldmann

Welche Begegnung hat Sie am meisten begeistert?

Am spannendsten war für mich der Dreh in der nordamerikanischen NHL. Auch wenn ich selbst drei Jahre in Nordamerika gespielt habe, habe ich bis dahin noch nie ein NHL-Spiel als Zuschauer verfolgt. Zu sehen, wie sehr sich das Spektakel drumherum gewandelt hat und auf welch hohem Niveau das Spiel abläuft, hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ganz davon zu schweigen, mit den Spielern und dem Trainer in der Kabine ganz nah dran sein zu dürfen. Das war ein geiler Moment.

Ein anderes Projekt, an dem Sie arbeiten, sind die "Sportfuzzis", zu denen neben Ihnen auch Ihre Kollegen Basti Schwele und Sascha Bandermann gehören. Können Sie nicht genug voneinander bekommen?

Wir verstehen uns privat sehr gut, auch wenn wir komplett unterschiedliche Typen sind. Die Leidenschaft zum Sport und vor allem zum Eishockey verbindet uns. Insbesondere Letzteren betrachten wir eigentlich gleich – und so entstand die Idee, auch abseits des Fernsehens zusammenzuarbeiten. In den Medien ist es wie im Sport: Wenn du da stehen bleibst, kann es schnell vorbei sein. Daher sind wir "Sportfuzzis" – so unser gemeinsamer Name auf Instagram und Twitter – auf den Hype der Podcasts aufgesprungen und haben "Die Eishockey Show" auf die Beine gestellt. Wir wollen nicht nerdig sein, sondern den Sport vorstellen und auf eine lockere Art und Weise Woche für Woche begleiten.

Bleibt dafür während der WM überhaupt genügend Zeit?

Die Zeit nehmen wir uns definitiv. Wir werden den Podcast während der WM sogar ausbauen und zwei Mal pro Woche machen – vielleicht etwas kürzer, dafür aber möglichst nah dran an den Spielen. In den ersten Ausgaben hatten wir von Marco Sturm bis Leon Draisaitl Leute dabei, die wirklich etwas zu sagen haben. Da wollen bei der Weltmeisterschaft nicht nachlassen.

Völlig überraschende Frage zum Schluss: Wie weit kommen die Deutschen und wer wird Weltmeister?

Bei der diesjährigen WM sind zahlreiche Top-Stars dabei. Von den Top 5 der Torjägern in der NHL sind vier mit dabei – schon alleine deshalb verspreche ich mir eine tolle Weltmeisterschaft, von der wir bei Sport1 ja neben den deutschen Spielen bis zu 35 Partien live übertragen werden. Meine Favoriten für den Titel sind die Russen, die mit absoluten Superstars am Start sein werden. Die deutsche Mannschaft ist in diesem Jahr vielleicht so offensiv-kreativ und mit so viel Geschwindigkeit wie noch nie ausgestattet. Ich hoffe, dass sie in ihrer Gruppe unter die ersten Vier und dadurch auch ins Viertelfinale kommen wird.

Herr Goldmann, vielen Dank für das Gespräch.