Herr Simon, Sie waren 20 Jahre lang beim Teleshopping-Sender HSE24 tätig. Warum haben Sie sich zu Jahresbeginn dazu entschieden, zum kleineren 1-2-3.tv zu gehen?

Mich hat das Geschäftsmodell von 1-2-3.tv gereizt. Der Sender besitzt mit seinem Fokus auf Rückwärtsauktionen ein Alleinstellungsmerkmal in Europa – nirgendwo im TV gibt es etwas Vergleichbares. Die Kombination aus der emotionalen Live-Präsentationund dem Gamification-Ansatz empfinde ich als sehr spannend, vor allem auch, weil wir jetzt verstärkt den Weg vom linearen TV in die digitale Welt gehen wollen. 

Anders als Ihre Konkurrenten setzen Sie bei 1-2-3.tv auf ein Auktionssystem. Wie berechenbar sind dadurch die Umsätze Ihres Senders?

In der Anfangsphase war es sicher noch nicht so einfach, jede Sendestunde auf den Punkt zu kalkulieren. In den letzten 15 Jahren hat 1-2-3.tv ein Know-How aufgebaut, das es uns inzwischen sehr wohl ermöglicht, die Shows steuerbar zu machen. Wir können auf Erfahrungswertezugreifen und besitzen drei wichtige Parameter, auf Basis derer wir noch vor Beginn der Auktion kurzfristig entscheiden und entsprechend reagieren können – den Preis, die Zeit und die Menge. Dadurch sind wir in der Lage, in der Live-Sendung auf den Audience-Flow zu reagieren.

Welche Produkte funktionieren bei den Kunden besonders gut und welche eher nicht?

Das Teleshopping folgt meist einer Evolution. Sie fangen mit den Männern und Bohrmaschinen an und landen irgendwann bei den Beauty- und Modeformaten. So ähnlich ist es bei 1-2-3.tv auch gewesen. Wir haben männeraffin begonnen, sind mit der Zeit aber dazu übergegangen, verstärkt auf sogenannte Soft-Goods- oder Lifestyle-Sendungen zu setzen, die sich um die Bereiche Mode, Schmuck und Kosmetik drehen. Im Vergleich zu anderen Teleshoppern ist der Männeranteil unter den Zuschauern von 1-2-3.tv mit 40 Prozent allerdings immer noch ausgesprochen hoch, da wir Marktführer im Bereich Uhren sind.

Inwiefern wird ein Sender wie Ihrer überhaupt gezielt eingeschaltet?

Die große Herausforderung besteht in der Tat darin, in das Relevant Set der Zuschauer zu kommen. Wir haben bereits in der Vergangenheit auf Kooperationen mit ProSiebenSat.1 und der Mediengruppe RTL gesetzt, indem wir auf deren Sendern zu bestimmten Zeitfenstern unser Programm ausgestrahlt haben, um somit Reichweite und Interesse zu generieren. Das ist einer der größten Hebel. Davon möchte ich in Zukunft ebenfalls gerne verstärkt Gebrauch machen.

Was war Ihre erste Amtshandlung, nachdem Sie zu 1-2-3.tv gekommen sind?

Meine erste große Amtshandlung war es, ein neues Studio-Set in Betrieb zu nehmen. Eine von uns beauftragte Marktforschung hat uns ganz klar gezeigt, dass die Kunden bestimmte Barrieren haben, um bei 1-2-3.tv den Erstkauf zu tätigen. Oft haben sie das Geschäftsmodell gar nicht verstanden. Dieses Verständnis wird ganz stark über das Set, die TV-Masken mit den diversen Einblendungen und vor allem auch über die Moderatoren geprägt. An allen drei Punkten haben wir gearbeitet, allen voran mit dem Studio-Relaunch, den wir kürzlich, genau gesagt am 22. August, vorgenommen haben.

Wie schwierig ist es, den Zuschauern zu vermitteln, wie der Sender funktioniert?

Das ist wirklich nicht so einfach, denn viele fragen sich, warum sie am Anfang bieten sollen, wennder Preis noch viel höher ist als am Ende. Sehr vielen ist schlicht nicht bewusst, dass am Ende alle den niedrigsten Preis bezahlen. Genau deshalb ist es so wichtig, dass wir bei unseren Erklärungen On Air nicht nur an die Stammzuschauer denken, sondern auch an jene, die neu dabei sind.

"Ein durchschnittlicher Kunde kauft 34 Mal im Jahr bei uns ein. Überlegen Sie mal, bei wem das noch möglich wäre."
Jörg Simon

Wie begegnen Sie Skeptikern, die Ihnen die Zahlen nicht abnehmen wollen?

Auch in meinen 20 Jahren bei HSE24 wurde keine Frage so häufig gestellt wie die nach der Echtheit der Zahlen. Ich kann Ihnen versichern: Die Zahlen müssen stimmen. Stimmen Sie nicht, bekommt der Producer ein Problem, weil er nicht das Potenzial der Sendeminuten ausschöpft. Das kostbarste Gut ist die TV-Reichweite und jede Sendeminute, die so effizient wie möglich genutzt werden muss. Schon den Gründern von 1-2-3.tv war es wichtig, größtmögliche Transparenz zu schaffen. Das ist auch der Grund, weshalb wir unseren Bestellprozess vom TÜV Saarland haben abnehmen lassen.

Durch E-Commerce hat sich das Einkaufen in den vergangenen Jahren massiv verändert. Warum braucht es überhaupt noch Teleshopping-Sender, wenn doch fast alle Produkte nur einen Klick entfernt sind?

Wir befinden uns im Allerheiligsten unserer Kunden, ihrem Wohnzimmer. Das ist anders, als wenn Sie anonym im Internet einkaufen. Diese Emotionalität, die die Kunden zu unseren Moderatorinnen und Moderatoren und den von ihnen empfohlenen Produkten haben, ist mit nichts zu vergleichen, was Sie im Internet finden können. Ein durchschnittlicher Kunde kauft 34 Mal im Jahr bei uns ein. Überlegen Sie mal, bei wem das noch möglich wäre. Natürlich bedeutet das nicht, dass wir uns nicht mit der Digitalisierung unseres Geschäftsmodells auseinandersetzen – aber wir tun dies immer in der Kombination aus emotionalisierten Bewegtbild und dem Auktionscharakter.

Wie wichtig soll das Online-Geschäft für 1-2-3.tv werden?

Im Moment macht der Onlinebereich 27 Prozent am Gesamtunternehmen aus, perspektivisch sollen es 50 Prozent werden. Gerade sind wir unter anderem dabei, neue Auktionsmodelle zu entwickeln, die ausschließlich auf den digitalen Kanälen gespielt werden. Unser Ziel ist es, variabler zu agieren, um nicht von einer Auktion abhängig zu sein, die gerade im laufenden Programm stattfindet. 

Welche Ziele haben Sie sich vorgenommen?

Für 2019 erwarten wir einen Umsatz von 150 Millionen Euro und für die kommenden Jahre rechne ich mit einem Wachstum von 20 Prozent. Dazu möchte ich unser bestehendes Modell noch breiter aufstellen, im Sortiment und in der Reichweite, aber wie erwähnt auch in den digitalen Kanälen, um in der Online-Welt einen Interest schaffen, der irgendwann über das lineare TV nicht mehr möglich sein wird. 

Spielt auch der internationale Markt eine Rolle?

Wir haben mit 1-2-3.tv die Internationalisierung im Blick. Das Digitalisierungs-Modell muss allerdings zunächst in Deutschland funktionieren, bevor wir es in anderen Ländern ausrollen.

Herr Simon, vielen Dank für das Gespräch.