Herr Backes, am Sonntag moderieren Sie die letzte Ausgabe der SWR-Rateshow "Ich trage einen großen Namen" und ziehen sich damit nach mehr als 40 Jahren aus dem Fernsehen zurück. Warum haben Sie genug? 

Es ist absolut ratsam, auf der Höhe des Erfolgs aufzuhören. Dass ich genug habe, kann ich nicht sagen. Es ist keineswegs so, dass ich das Fernsehen nicht mehr mag. Ich bin ein altes Zirkuspferd und das Rotlicht hat schon seine Magie. Aber es ist wirklich so, dass man gut beraten ist, selbst zu entscheiden, wann man aufhört und nicht so lange zu warten, bis andere einen vom Bildschirm wegwünschen.

Was macht diese Magie des Fernsehens aus?

Sie können aus einem kleinen Studio heraus Hunderttausende oder gar Millionen von Menschen ansprechen. Das ist eine Herausforderung, auch eine Verantwortung – und natürlich eine Sache, die das Ego und den Narzissmus bedient. (lacht)

Für manche ist das Fernsehen sogar wie eine Droge, sagt man.

Ja, aber ich habe schon vor fünf Jahren mit meinem "Nachtcafé" aufgehört und kenne daher die Erfahrung, nicht mehr voll im Job zu sein. Der SWR wollte damals, dass ich "Ich trage einen großen Namen" noch weitermoderiere. Allerdings hat das nur noch zehn bis 20 Prozent meiner Arbeitskapizität in Anspruch genommen. Ich weiß also, was es heißt, dem Bildschirm - zumindest partiell - zu entsagen. Die "Nachtcafé"-Zeit empfinde ich auch noch im Rückblick als großartig. Trotzdem verspürte ich keine Sekunde eine Sehnsucht zurück oder gar Entzugserscheinungen. Dieses Lebenskapitel wurde positiv abgeschlossen.

Interessanterweise wurde erst vor wenigen Tagen ein "Nachtcafé" mit Ihnen wiederholt, in dem es um den Ruhestand ging. Da habe ich mich gefragt, was Sie selbst wohl darüber zu erzählen hätten. 

Ich habe einen sehr erfüllten Ruhestand, habe drei Kinder – das Jüngste ist 15. Und ich bin ein Familienmensch, der neuerdings mehr als früher den Haushalt schmeißt. (lacht) Das ist aber keineswegs das, was mich zeitlich am meisten beansprucht. Bis vor kurzem habe ich noch Theater gespielt und Nachwuchs-Moderatoren ausgebildet. Aber den größten Teil meiner Zeit nimmt mein Engagement für die neue Bürgerbewegung "Aufbruch Stuttgart" in Anspruch, die zum Ziel hat, Stuttgart zu einer noch attraktiveren Stadt zu machen.  

Es ist Ihnen also weiterhin wichtig, sich einzumischen? 

Sehr wichtig sogar. Und da ist das Alter von Vorteil: Ich bin total unabhängig, muss auf keinen Arbeitgeber Rücksicht nehmen und kann gerade raus meine Meinung vertreten. Diese Freiheit des Alters werfe ich gerne in die Waagschale.

Was wäre eigentlich aus Ihnen geworden, wenn es mit dem Fernsehen nicht geklappt hätte?

Das ist die große Frage. (lacht) Mein Studium der Chemie und Geografie war eigentlich auf Lehramt ausgerichtet und das habe ich auch sehr gut abgeschlossen. Dann kamen mir aber doch Zweifel, ob ich in die Schule gehen sollte. So habe ich schließlich mit einer Doktorarbeit begonnen. Vielleicht wäre eine Wissenschaftslaufbahn entstanden oder ich wäre womöglich doch in der Schule gelandet. In jedem Fall hätte es mich angetrieben, daraus etwas zu machen. Ich bin nicht der Typ, der die Hände in den Schoß legt. Ich bin schon eher ein Macher. 

In der Schule hätten Sie zumindest vor einer Klasse moderieren können.

Es ist sehr inspirierend, mit jungen Leuten zu tun zu haben. Das sollte man im Alter eher noch verstärken anstatt sich nur unter Altersgenossen zu bewegen.

Letztlich kam es anders, alleine das "Nachtcafé" haben Sie fast 30 Jahre lang präsentiert. Was war Ihnen in dieser Zeit wichtig? 

Insbesondere als Moderaor einer Talkshow sollte man seinen Gästen mindestens so respektvoll wie neugierig begegnen. Bei uns im "Nachtcafé" spielte es immer eine große Rolle, unseren Gästen ihre Würde zu lassen. Dadurch konnten wir sehr viel transportieren. Uns war es wichtig, zu einem Erkenntnisgewinn zu gelangen und die Menschen, um die es ging, wirklich kennenzulernen. Diese Chance bietet das Medium. Wir sollten sie nutzen.

Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Sendung bald auch im Ersten laufen wird. Erfüllt Sie das mit Stolz?

Ich freue mich sehr, dass Michael Steinbrecher der Anschluss gelungen ist. Es gab schon eine Angst im Sender, dass die Fortsetzung problematisch werden könnte. Glücklicherweise hat sich die Redaktion für die richtige Nachfolge entschieden. Dass das "Nachtcafé" jetzt auch in der ARD laufen soll, erfüllt mich mit großer Freude.

Auch "Ich trage einen großen Namen" soll weitergehen – mit Julia Westlake als Ihrer Nachfolgerin. Was wünschen Sie ihr?

Ich wünsche ihr, dass sie ebenso viel Freude an der Sendung haben wird wie ich. Ich habe die Sendung ja einst aus Pflichtgefühl mehr oder weniger übernehmen müssen, weil mein Vorgänger Hansjürgen Rosenbauer Intendant des neuen ORB wurde. Die Sendung gehörte schon damals zu meiner Abteilung und nach langer Suche sagte mein Direktor schließlich: "Backes, jetzt sind Sie dran." Dann habe ich nolens volens zugesagt und die Sendung richtig liebgewonnen. Das war die beste Möglichkeit, endlich meine Bildung zu verbessern. (lacht)

Vermutlich ist es die anspruchsvollste Ratesendung im deutschen Fernsehen. Was macht diesen bis heute anhaltenden Erfolg aus? 

Mich wundert es selbst, dass Nachfahren von Philosophen, Dichtern und Komponisten bei einem breiten Publikum so viel Anklang finden. Vermutlich liegt der Erfolg darin begründet, dass Nachfahren einen besonderen Kick haben – das ist ja auch psychologisch eine ganz besondere Klientel. Da gibt es die Nachfahren, die sich im Glanz des Vorfahren sonnen. Es gibt aber auch Nachfahren, deren Vorfahren für sie eine Belastung darstellen. Sie kommen nie aus ihrem Schatten heraus und leiden darunter. Und dann gibt es die, denen die Vorfahren piep egal sind, weil sie selber etwas darstellen. Diese Mischung fasziniert auch das Publikum. 

Was war Ihre spannendste Begegnung in der Show?

Vielleicht erinnern Sie sich daran, dass die Gebeine von Richard III. in Großbritannien beim Bau einer Tiefgarage gefunden wurden. Da konnte man mit der DNA-Analyse die Nachfahren-Analyse bis zum heutigen Tage nachvollziehen – und einer dieser Nachfahren saß bei uns in der Sendung. Das fand ich persönlich besonders spannend. 

Was werden Sie im nächsten Jahr vermissen?

Ich glaube, ich werde nichts vermissen. (lacht) Ich habe 44 Jahre moderiert und habe im Medium vieles ausprobieren können. Mit dem Abschluss seinen Frieden zu machen, halte ich für ganz wichtig. Wenn es ein Abschluss mit Verdruss wäre, würde mich das vermutlich bis an die Schwelle meines Grabes verfolgen. Das tut es gewiss nicht. Ich kann loslassen. 

Und es reizt Sie nicht einmal, vielleicht gelegentlich im Rateteam vorbeizuschauen? 

Ach nein, da sollte man einen Schlussstrich ziehen und die nachfolgende Generation ranlassen.

Sind Sie rückblickend froh, in der Zeit Fernsehen gemacht zu haben? 

Absolut. Das Geschäft ist schwieriger geworden. Wir konnten noch sehr frei experimentieren, manchmal sicher auch am Zuschauer vorbei. Als ich anfing, gab es noch keine Privatsender. Wir hatten das Monopol mit all seinen Vor- und Nachteilen. Als dann die Privaten spürbar wurden und irgendwann die Welle der Nachmittags-Talkshows kam, ging die Qualität allerdings ziemlich nach unten. Bei der Recherche für unsere Sendung trauten wir uns zeitweise nicht mehr zu sagen, dass wir für eine Talkshow arbeiten – aus Sorge, in die gleiche Ecke gestellt zu werden. Dennoch haben sich die öffentlich-rechtlichen Sender ganz gut behauptet. 

Heute wird viel über die Zukunft des öffentlich-rechtliche Fernsehen diskutiert. Besorgt Sie das?

Natürlich sorge ich mich. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist eine unverzichtbare Errungenschaft unserer Demokratie. Ohne die Öffentlich-Rechtlichen würde es finster aussehen in unserem Land, was den Journalismus und die Durchdringung von Themen betrifft. Da stehe ich mit in der ersten Reihe – und falls es einmal eine Demonstration dafür geben sollte, werde ich selbst noch mit 85 mitmarschieren. 

Herr Backes, vielen Dank für das Gespräch.