Herr Rossmann, wann war Ihnen bewusst, dass Corona auch in Deutschland ein großes Thema wird?

Die Tragweite ist uns Anfang März bewusst geworden, als sich abzuzeichnen begann, dass sich Rückkehrer aus Italien und Südtirol in häusliche Quarantäne begeben sollten. Am 2. März haben wir erste Maßnahmen diskutiert und getroffen, mit dem Ziel, das Ansteckungsrisiko in der Belegschaft soweit wie möglich zu minimieren und gleichzeitig den Sende- und Produktionsbetrieb weiter zu sichern. Klares Ziel war dabei immer, die Kontakte jedes Einzelnen zu reduzieren, denn jeder nicht gemachte Kontakt verringert das Infektionsrisiko.  

Wie haben Sie sich organisiert, um auch weiterhin einen möglichst reibungslosen Sendeablauf gewähren zu können?

Am wichtigsten ist es, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen. Seit vier Wochen sind wir damit befasst, uns räumlich zu separieren und, wo es möglich ist, haben wir die Kollegen ins Homeoffice geschickt. Mit Erfolg: Inzwischen hat sich eine gewisse Alltagsroutine in dieser insgesamt vollkommen surrealen Situation eingestellt. Anfangs fanden täglich noch wenige zwar verkleinerte, aber doch persönliche Redaktionskonferenzen und Besprechungen statt – das haben wir nun aber auch schon länger gestoppt. Darüber hinaus haben wir sehr strikte Quarantäne-Regeln eingeführt, was u.a. Rückkehrer aus Risikogebieten betrifft. Schwierig ist es überall dort, wo wir die Menschen in der Technik benötigen, beispielsweise im Studio, im Schnitt und in der Regie. Hier haben wir versucht, über veränderte Schicht-Modelle und die Art und Weise, wie wir die Teams zusammensetzen, für eine gewisse Sicherheit zu sorgen. 


Wie können Sie darüber hinaus für Schutz sorgen?

Wir entwickeln in allen Bereichen neue Routinen. Unsere Mikrofone werden aus Hygienegründen mit Frischhaltefolie umwickelt, wir haben neue Interview-Positionen im Atrium außerhalb des Senders geschaffen und Vorkehrungen bei Styling und Maske getroffen, die unter erschwerten Bedingungen arbeiten, weil sie zwangsläufig engen Kontakt zu Moderatoren und Gästen haben. Darüber hinaus haben wir Masken besorgt, was nicht so einfach war – und teilweise nähen wir sie sogar selbst. Und seit diesem Wochenende trennen wir die Arbeitsplätze in Schnitt und Regie zusätzlich durch Plexiglasscheiben. 

Wie lange lässt sich auf diese Weise arbeiten? 

Zunächst müssen wir sehr dankbar sein, dass wir in unserem Sender noch keinen positiv auf Covid-19 getesteten Mitarbeiter haben. Ob das auf Dauer so bleiben wird, kann niemand vorhersagen. Wenn es so weit käme, müssten und würden wir auch darauf adäquat reagieren – wie genau, hängt immer vom Einzelfall ab. Wenn es so bliebe, wie es jetzt ist, ließe sich das alles bestimmt noch eine Weile fortführen – und ich persönlich richte mich darauf ein, dass wir das auch noch viele Wochen lang so machen müssen.

"Zum allerersten Mal müssen wir nicht nur über eine Krise oder Katastrophe berichten, sondern wir sind auch selbst davon voll erfasst."
Torsten Rossmann

Worin sehen Sie die größte Herausforderung für Ihr Haus in der aktuellen Situation?

Das ist für jeden Einzelnen, von der Führungskraft bis zum Assistenten, eine persönliche Belastung, wie wir sie in dieser Form noch nicht erlebt haben. Damit meine ich weniger die Schlagzahl, auch wenn wir Live-Nachrichtenfläche auf WELT verdoppelt und allein in den letzten beiden Wochen ca. 80 zusätzliche Sendeminuten für die Nachrichten von ProSiebenSat.1 produziert haben. Viel entscheidender sind die Umstände, unter denen die Arbeit gemacht wird. Zum allerersten Mal müssen wir nicht nur über eine Krise oder Katastrophe berichten, sondern wir sind auch selbst davon voll erfasst. Nicht nur im Job, sondern auch in der Privatsphäre. Das ist die größte Belastung und ich bin dankbar, dass das gesamte Team dennoch mitzieht.

Tatsächlich sind die Quoten von Nachrichten überall sprunghaft angestiegen.

Die Nachfrage nach relevanten, seriösen Informationen ist enorm. Am 22. März hatten wir eine Netto-Reichweite von elf Millionen Zuschauern – unter normalen Umständen sind es knapp fünf Millionen. Besonders erfreulich ist, dass der Fernsehkonsum in der jungen Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen um 30 Prozent gestiegen ist. Hier sieht man, dass wir mit unserer Arbeit eine wichtige Funktion für die Gesellschaft erfüllen. Das motiviert und gibt uns allen die Kraft, weiter durchzuhalten.

Wenn man die Live-Berichterstattung derart hochfährt, dann ist das auf Dauer auch ein Kostenfaktor – zumal die Ausgaben für Fernsehwerbung derzeit sicher nicht die höchsten sind. Lässt sich das in irgendeiner Form beziffern? 

Wie jedes andere werbefinanzierte Medium verzeichnen auch wir sinkende Werbeumsätze. Die Stornierungen halten sich bei uns, soweit ich es sehen kann, zwar noch einigermaßen im Rahmen, aber wir müssen die Buchungssituation selbstverständlich im Auge behalten. Dazu kommen zusätzliche Kosten für die Nachrichten. Um das abschließend beziffern zu können, ist es noch zu früh, weil wir leider erst am Anfang der Epidemie stehen. Auf der anderen Seite setzen wir momentan weniger Dokumentationen und Reportagen ein. Aber klar, auch auf unsere Zahlen müssen wir in diesen Zeiten achten. 

Corona bei Welt

Ist denn schon absehbar, ob es irgendetwas gibt, das Sie aus dieser Krise mitnehmen werden? Und sei es auch nur die Tatsache, dass manche Schalte in Zukunft womöglich mit einfacheren Mitteln hergestellt wird. 

Die derzeitigen Herausforderungen durchziehen das gesamte gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben. Wir alle machen die Erfahrung, dass vieles von dem, an das wir uns gewöhnt haben, nicht zwingend vonnöten ist. Die Kommunikation untereinander und mit Geschäftspartnern nur noch digital zu führen, hätten wir unter normalen Umständen sicher nicht gemacht. Das persönliche, direkte Gespräch, ob mit Kollegen oder in Interview-Situationen, transportiert am Ende trotzdem noch ein bisschen mehr als eine digitale Ton- und Bildübertragung. Gleichwohl glaube ich, dass wir nicht so weitermachen werden wie vor der Krise. Viele Geschäftsreisen beispielsweise wird man in Zukunft bestimmt überdenken. 

Lassen Sie uns in der Zukunft bleiben. Eigentlich hatten Sie für dieses den Umzug in den Springer-Neubau geplant. Wird es dabei bleiben?

Unsere Senderfläche im Neubau wird in diesem Jahr fertig und wir sind nach wie vor dabei, den Umzug vorzubereiten. Das war inklusive Studios für den Herbst geplant. Bis zu Corona lagen wir auch gut im Zeitplan. Jetzt müssen wir abwarten, was die Auswirkungen der Krise konkret für unsere Pläne bedeuten. Schließlich hat "Social Distancing" auch einen direkten Einfluss darauf, wie im Neubau die Studios gebaut werden können

Wenn man den ganzen Tag mit Nachrichten zu tun hat: Wie schalten Sie persönlich ab? 

(lacht) Das ist schwierig. Das Thema begleitet uns alle – den ganzen Tag, in jeder Rolle, in jeder Funktion. Wenn man aus dem Job in die private Sphäre wechselt oder beide Welten durchs Homeoffice ohnehin miteinander verschmelzen, dann lässt sich Corona nicht einfach vor der Haustür abstellen. Da können Sie schlicht keinen Abstand nehmen.

Herr Rossmann, vielen Dank für das Gespräch.