Sie haben ja auch Normalbürger gespielt wie den Bauunternehmer in der RTL-Serie „Alle lieben Jimmy“ oder diverse Polizisten, etwa in „Ein starkes Team“.

… bin am Ende aber stets der Kanake geblieben.

Wobei man Tayfun Bademsoy mit Ihrer Physiognomie auch schlecht als Horst Schulze besetzen kann…

Richtig, aber meine Herkunft, der Name, die Physiognomie stehen bis heute mehr im Mittelpunkt als bei Deutschen. Als meine Freundin, die erfolgreich Theater gespielt hatte, gemeinsam mit mir einen Film drehen sollte, fragte der Produzent: wieso, wir haben doch schon einen Türken? Gegen diesen Rassismus bin ich am Ende machtlos.

Hat die Emanzipation der vergangenen Jahrzehnte daran denn gar nichts geändert?

Doch, aber zwei Drittel der Gesellschaft bleiben ausländerängstlich. Und obwohl der Kulturbetrieb aufgeschlossener ist, verschwinden die Vorurteile auch darin viel zu langsam. Wir haben zwar mehr tragende Rollen, aber wo bitte sind die türkischen Chefärzte, Wissenschaftler, Juristen in deutschen Serien? Da läuft man gegen Wände!

Ist das auf Dauer nicht ermüdend?

Sehr sogar. Deshalb wollte ich mehrfach nach Frankreich auswandern oder in die USA, wo nichtweiße Menschen selbstverständlicher in Filme integriert werden. Bei uns ist selbst ein Elyas M’Barek nicht von seinen Wurzeln entkoppelt. Bei Frauen gilt das weniger, aber wenn Sibel Kekili eine Sarah im „Tatort“ spielt, fragen viele Zuschauer, warum.

Ist es denn wünschenswert, dass sich die kulturelle Diversität gewissermaßen auflöst?

Nein, Integration heißt nicht Unsichtbarkeit. Wir wollen unsere Mentalitäten mitbringen wie Salz und Pfeffer ins Essen. Diversität ist Reichtum!

Andernfalls wäre Integration Assimilation.

Und das bedeutet Verschwinden. Wir wollen in unserer Individualität und Vielfalt als integraler Bestandteil dieser Gesellschaft akzeptiert und damit auch in unserer orientalischen, muslimischen Identität respektiert werden.

Sind Sie als Kind einer liberalen Künstler- und Akademikerfamilie orientalisch oder muslimisch geprägt?

Weil ich mein Geburtsland früh verlassen habe, kann ich das gar nicht genau sagen, aber irgendwo ist meine Mentalität bestimmt orientalisch geprägt. Ich kann zum Beispiel gut handeln (lacht). Ansonsten bin ich als Mensch mit zwei, drei Heimaten durch und durch multikulti. Deshalb kann ich Ausländer aus deutscher Perspektive betrachten und umgekehrt. Das hilft mir auch als Schauspieler.

Machen Sie sich als solcher seit Jahren rar, um nicht mehr gegen Mauern zu laufen?

Ja. Erstens, weil ich nach 40 Jahren noch immer nicht die Charakterrollen kriege, die ich will. Zweitens, weil ich genug vor der Kamera gestanden habe und lieber Dokumentarfilme drehen wollte. Dummerweise wollen sich deutsche Redakteure von Ausländern nicht ihr Land erklären lassen. Kennen Sie „Alemanya“? Dem Drehbuch der Şamdereli-Geschwister über türkische Einwanderung wurde alles abgeschliffen, was kritisch mit Deutschland umging. Während die Nazi-Zeit vorbildlich aufgearbeitet wird, bleibt dieser Teil der Nachkriegsgeschichte, bei dem man Türken wie Vieh ins Gebiss geblickt hat, ein blinder Fleck.

Das wäre doch mal ein Projekt!

Wenn mir jemand Geld gäbe, gern. Aber das wird nicht passieren. Als ich ein Buch über den Mauerfall geschrieben habe, fanden das bis auf die Filmförderung alle gut, wo es hieß: wieso soll ein Türke den Mauerfall verfilmen?! Da könnte ich antworten: weil ich seit Jahrzehnten daneben lebe! Aber das bringt nichts…

Klingt alles sehr ernüchtert. Blicken Sie nach 250 Filmen und Serienepisoden trotzdem positiv zurück auf Ihr Berufsleben?

Na ja, schon durch meine Beharrlichkeit habe ich bestimmt was bewegt in der Branche. Aber es bleibt immer der Makel, mich nicht in ganzer Breite verwirklicht zu haben. Dafür war ich zu oft schmückendes Beiwerk statt tragender Charakter.

Ihre Kinder sind vermutlich keine Schauspieler geworden?

Als ich den Sultan in „Baron Münchhausen“ gespielt habe, war mein Sohn der Prinz, das hat er sogar richtig gut gemacht. Auch meine Tochter ist talentiert. Aber weil beide die Szene, der viele ausländische Schauspieler frustriert den Rücken kehren, durch mich gut kennen, lassen sie es lieber bleiben.

Wie wahrscheinlich ist es da, dass wir bald einen türkischstämmigen Chefarzt, Wissenschaftler oder Anwalt in einer großen Fernsehserie sehen?

Ich bin und bleibe Optimist. Einiges hat sich getan und Regisseure wie Fatih Akin oder einige ausländische Drehbuchautoren machen mir immer wieder Mut.

Herr Bademsoy, vielen Dank für das Gespräch.