Herr Risom, Sie arbeiten seit Monaten am Start der neuen Audio-Plattform FYEO, die sich mit "for your ears only" übersetzen lässt. Die Corona-Krise dürfte die Planungen nicht gerade erleichtert haben, oder?
Natürlich würde ich mir wünschen, wir hätten die Planungen ohne die Krise vorantreiben können. Künftige Kunden sind in diesen Wochen vielleicht nicht so ganz auf eine neue Produkte eingestellt. Dazu kommt, dass viele regelmäßige Nutzungsszenarien wegfallen, beispielsweise das tägliche Pendeln zur Arbeit. Gleichzeitig wächst zurzeit der Bedarf an Entertainment-Inhalten. Das stimmt mich optimistisch. Aber klar: Auch für das Team ist die derzeitige Situation eine Herausforderung. Gerade vor einem Launch braucht es die Leidenschaft – da hilft es, zusammenzusitzen und sich gegenseitig motivieren zu können. So hatten wir definitiv eine Extrahürde zu meistern. Dennoch bin ich stolz auf unser FYEO-Team, dass wir auch unter diesen Bedingungen in unserem sportlichen Zeitplan geblieben sind – und FYEO am Donnerstag endlich an den Start gehen kann.
Wie genau sieht der weitere Zeitplan aus?
Wir starten an diesem Donnerstag unsere Audio-Plattform mit zwei Bereichen: Der Free-Bereich von FYEO wird komplett anmeldungsfrei sein und damit einen direkten Zugriff auf klassischen Podcasts ermöglichen. Dazu kommt ein Premium-Bereich, in dem unsere FYEO-Originals stattfinden. Diese lassen sich für 4,99 Euro pro Monat hören. Allerdings gibt es bei jedem Original die Möglichkeit, die erste Folge kostenlos zu hören, um nicht die sprichwörtliche Katze im Sack kaufen zu müssen.
Welche Rolle spielen Werbeeinnahmen für FYEO?
Auf unserer Plattform wird es keine zusätzliche Werbung geben. Viele Podcaster vermarkten ihre Inhalte ja bereits selbst, sodass wir deren Grundphilosophie nicht verändern möchten. Da geht es also vor allem um zusätzliche Reichweite, die wir bieten können. Wir setzen auf ein Abo-Modell, um unsere Premium-Inhalte zu monetarisieren. Ob sich dieser Ansatz durchsetzt, wird sich zeigen. Wenn man ein neues Modell ausprobiert, wäre es doch vermessen, hundertprozentig zu wissen, wie es von den Kunden angenommen wird.
Auf dem Podcast-Markt besteht schon heute viel Konkurrenz. Sind Sie nicht ein bisschen spät dran?
Ich vergleiche das gerne mit dem Video-Bereich. Im Content-Bereich sehe ich noch viel Spielraum. Mit unseren hochwertig produzierten Originals wollen wir anspruchsvoll erzählen. Wir sprechen da über fesselnde Dokumentationen und einzigartige Audio-Blockbuster, also Kino-Formate für die Ohren. Das ist in Deutschland, anders als in den USA, bislang nur sehr sporadisch zu finden. Aktuell setzen viele Podcasts auf Dialoge. Da ist in meinen Augen aber noch mehr möglich – und in diese Ecken und Nischen wollen wir uns hineinbewegen, um den Begriff von dem zu dehnen, was man für gewöhnlich unter einem Podcast versteht.
Also gewissermaßen eine Renaissance des guten, alten Hörspiels?
Es geht de facto um elaborierte Hörspiele. Allerdings ist es keineswegs alter Wein in neuen Schläuchen. Das fängt bei der Art und Weise des Erzählens an, bei den Autoren, die man wählt, und reicht bis hin zum Cast. Wir besetzen deutsche Top-Schauspieler wie Heike Makatsch und Peter Lohmeyer, die gemeinsam im Studio spielen. Das alles sind Stellschrauben, mit denen sich Hörspiele auf ein neues Level heben lassen.
Welche Schlagzahl peilen Sie an?
Zum Beginn sind 18 Produktionen dabei. Danach werden wir regelmäßig neue Inhalte veröffentlichen, um sehr schnell ein wachsendes Portfolio vorzeigen zu können. Die genaue Schlagzahl ist allerdings ein Stück weit abhängig von den Partnern, mit denen wir zusammenarbeiten.
Wie sehen diese Partnerschaften aus?
Wir übernehmen bei unseren Originals keine Formate, die bereits am Markt sind.. So werden wir beispielsweise zusammen mit der "Süddeutschen Zeitung" eine dokumentarische Reihe über den NSU veröffentlichen. Annette Ramelsberger, die in jedem einzelnen Prozess dabei war, ist eine der am besten informierten Journalistinnen auf dem Gebiet. Das Format ist hochspannend, hier profitieren wir von der umfangreichen investigativen journalistischen Expertise der SZ. Eine weitere Partnerschaft sind wir mit der dpa eingegangen, mit der wir unter anderem das Fußball-Format "Mein Liebe, mein Verein" umsetzen.
Welche Synergien ergeben sich für FYEO innerhalb der ProSiebenSat.1-Gruppe bei der Umsetzung von Projekten?
Ich sehe diverse Anknüpfungspunkte, die den Markt für uns attraktiv machen. Denken Sie nur an Studio71, das uns dabei helfen wird, mit Influencern zusammenzuarbeiten. Daneben gibt es die Podcast Factory, unser Podcast-Label, unter dem unter anderem "Alle Wege führen nach Ruhm" von und mit Joko Winterscheidt und Paul Ripke oder auch "Baywatch Berlin“" laufen. Außerdem müssen unsere Originals keineswegs nur auf Audio beschränkt bleiben. Besonders spannende und geeignete Themen könnten perspektivisch auch auf Bewegtbild übersetzt werden und sich zu Filmen oder Serien weiterentwickeln. Da ist noch viel Musik drin.
Für wie groß erachten Sie den Markt? Vieles spielt sich letztlich ja doch in der Nische ab.
Der Podcast-Markt ist keineswegs klein. Schon heute gibt es viele Millionen Menschen, die regelmäßig Podcasts hören. Und der Blick in die USA, aber auch nach Skandinavien zeigt uns, dass der Markt noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung ist. Wir gehen davon aus, dass es sich in drei Jahren um ein noch viel dominanteres Medium handeln wird. Daher bin ich auch davon überzeugt, nicht zu spät zu sein. Noch besteht die Möglichkeit, den Markt zu prägen.
Und beim Namen hoffen Sie darauf, dass er sich ähnlich durchsetzen wird wie DAZN im Streamingbereich?
(lacht) Es ist ja nie so leicht, einen Namen zu finden. Aber FYEO klingt schon jetzt wunderbar in unseren Ohren. Der Name gefällt uns von Tag zu Tag besser, wir haben ihn uns gerade mit dem Zusatz "for your ears only" ganz bewusst gegeben. Es mag in der Phonetik kleine Hürden geben, aber die wird der Name sicher überspringen.
Herr Risom, vielen Dank für das Gespräch.