Mr. Bo, könnten Sie ein bisschen vom kreativen Prozess hinter "El Presidente" erzählen? Wer hat Ihnen bei der Entstehung geholfen?

In unserem Writers Room hat sich ein wundervolles Team versammelt, allen voran die von mir sehr geschätzte Marianna Levy. Dafür bin ich sehr dankbar, da ich mit "El Presidente" meine erste Serie umgesetzt habe. Ich habe zwar schon tolle Filme wie "Birdman" mikreieren dürfen, jedoch hast du in solchen Fällen zwei Jahre Zeit, um zwei Stunden Spielfilm fertigstellen zu können. Hier hatten wir ebenfalls zwei Jahre Zeit, mussten aber vier Stunden Film inszenieren. Der Writers Room hat mir hier auch deshalb so geholfen, weil es als Showrunner deine Aufgabe ist, einen gewissen Flow zwischen den Episoden herzustellen. Mit den kreativen Köpfen, die ich hinter mir hatte und mit dem Rückhalt von Amazon, Gaumont, Fabula und Kapow konnten wir die Serie genau so umsetzen, wie ich es im Kopf hatte. 

Ihre Serie dreht sich um das Fifa-Gate und jegliche Korruption im südamerikanischen Fußball. Besteht da nicht die Gefahr, dass Sie zur Zielscheibe gefährlicher Menschen werden?

Ich hoffe, du hast damit niemanden auf schlimme Ideen gebracht! (lacht) Natürlich habe ich daran gedacht, als ich die Entscheidung gefällt habe, "El Presidente" machen zu wollen. Glücklicherweise sprechen wir hier aber von einem derartigen Skandal, dass die Fifa und alle Beteiligten 2015 so explizit in die Medien geraten sind, dass dadurch eine gewisse Sicherheit auf mich übergeht. Sollte mir nämlich etwas passieren, stehen gewisse Menschen sofort unter Verdacht. Außerdem wurde durch die zuständigen Behörden bereits so viel aufgedeckt, dass niemand Angst haben muss, dass er durch unsere Serie mit weiteren Dingen belastet werden kann. Das ist mehr oder weniger Schnee von gestern. "El Presidente" ist auch nicht nur ein Drama über einen Korruptions-Skandal, sondern eine Party, die das Geschäft hinter dem Fußball beleuchtet. Darauf bin ich besonders stolz.

Nach den fußballlosen Corona-Wochen würden sich Fußball-Fans wieder über Content mit rollenden Bällen freuen. Wie viel Fußball steckt in "El Presidente"?

Wer grandiosen Fußball sehen möchte, muss tatsächlich auf die nächsten Champions-League-Spiele warten, oder auf die EM im nächsten Jahr. Der Reiz war zwar da, auch aktive Fußballszenen ins Drehbuch zu schreiben - jedoch wollte ich noch viel mehr hinter den Vorhang des öffentlichen Geschäfts blicken und Bilder gewähren, die es in dieser Form noch nicht zu sehen gab. Die eingesparte Fußball-Zeit haben wir mit einem frischen Blick auf die moderne Mafia ersetzt, bei dem selbst Humor zum Einsatz kommt. Ich bin froh, dass ich den Mut hatte, das zu tun. 

Was denken Sie, würde Sepp Blatter zu dieser Serie sagen?

Ich würde Geld dafür bezahlen, mit ihm und einer Flasche Whiskey zusammen in seinem Haus zu sitzen und darüber zu sprechen. In meinen Augen muss er sich durch diese Serie auch gar nicht all zu sehr angegriffen fühlen, da wir in der ersten Staffel vor allem Südamerika beleuchten. Aber natürlich ist der Blick rüber in die Schweiz ein ebenso interessanter, wenn man bedenkt, dass das normalerweise der Ort der Neutralität ist. Das Bankensystem dort lädt aber förmlich dazu ein, korrupt zu sein. Um aber die Frage zu beantworten: Ich könnte mir vorstellen, dass er sagt, dass das alles nicht echt sei (lacht). 

Wie schwer ist es, ein Thriller-Drama zu inszenieren, bei dem es augenscheinlich weniger Action gibt?

"El Presidente" ist natürlich kein "Narcos". Anstatt also verrückte Schießereien in Szene zu setzen, haben wir uns hier den absurden Partys gewidmet, die der Schleier für einen 150 Millionen Dollar-Betrug waren. Es war eine interessante Herausforderung, ein Drama auf diese Art zu Filmen und spannend wirken zu lassen, sodass sich das Konzept nicht nach wenigen Episoden ermüdet. 

Der große Fifa-Skandal ist nun fünf Jahre her. Sind Sie der Meinung, dass sich die Branche seitdem zum besseren verändert hat?

Korruption, die noch viel weiter zurückreicht als diese fünf Jahre, in so kurzer Zeit aufzulösen, ist einfach nicht möglich. Das Geschäft ist nun sauberer, aber immer noch so groß, dass man sich nicht sicher sein kann, dass da alles mit rechten Dingen abläuft.

Die Frage kommt schon dem ein oder anderem normalen Fußball-Fan in den Sinn, Ihnen aber vielleicht noch viel mehr: Kann man Fußball, moralisch gesehen, noch genießen?

Ich bin ein riesiger Fußball-Fan und erinnere mich gerne an manchen Moment zurück. Das ändert nichts daran, dass man es, gerade in Zeiten der Pandemie, absurd finden sollte, wie viel Geld dort fließt, aber kaum welches in die Medizin oder soziale Einrichtungen. Wenn es um die Grundbedürfnisse geht, ist Fußball leider nicht mehr so wichtig. Dennoch freue ich mich drauf, Messi bald wieder dabei zuschauen zu können, wie er Tore schießt.

Fühlen Sie sich derzeit ebenso systemirrelevant, wie Fußballer?

Nicht ganz. Die Filmbranche steht in dieser Hinsicht über dem Fußball. Kreative Menschen haben in dieser schweren Zeit immerhin Unterhaltungscontent liefern können, der die Leute etwas vom Leid ablenkt. Das ist auch etwas wert. 

2015 hat das Fifa-Gate einige große Schlagzeilen produziert. Welche Schlagzeile würden Sie sich für "El Presidente" wünschen?

Es wäre schön zu lesen, dass wir mit dieser Serie den ersten, frischen, differenzierten Blick auf diesen Skandal geworfen haben. 

Armando Bo, vielen Dank für das Gespräch.