Herr Wimmer, Sie waren in den vergangenen Monaten durch Corona in den Medien gefragt wie nie. Wie viel mehr hatten Sie dadurch zu tun?

Die Anfragen sind tatsächlich exponentiell angestiegen. Medial kann ich mich, auch wenn das etwas komisch klingt, zu den Corona-Gewinnern zählen – die Anzahl der Anfragen war so groß, dass ich 80 Prozent davon absagen musste. Allerdings wollte ich nicht das Corona-Gesicht werden. Man sollte dann schon den Virologen die Bühne überlassen, auch wenn ich bei manchen Aussagen durchaus mal zähneknirschend daneben saß. 

Ist inzwischen wieder so etwas wie Normalität eingekehrt?

Die Corona-Anfragen sind deutlich weniger geworden. Dennoch spüre ich, dass sich die Menschen jetzt weit mehr mit ihrer Gesundheit befassen als das vor Corona der Fall gewesen ist. Da geht es vor allem um Fragen, wie man sich fit hält, um möglichst nicht zu der Gruppe zu zählen, bei der ein solches Virus großen Schaden anrichten kann. Ein viel größeres Thema ist allerdings Überlastung. Die psychische Belastung ist insbesondere in den Bereichen Pflege oder Krankenhaus immens. In meinen Augen wird psychisches Wohlergehen das Blockbuster-Thema der nächsten zehn Jahre werden. Das hat man jetzt in der Corona Krise schon mal wie durch ein Brennglas sehen können.

 

Viele Mediziner und Wissenschaftler, die in den zurückliegenden Wochen in die Öffentlichkeit getreten sind, sahen sich viel Kritik oder gar Hass ausgesetzt. Hat Sie das auch erreicht? 

Natürlich bekomme auch ich das spüren. Aber nachdem ich Jens Spahn Ende Januar ziemlich deutlich gesagt habe, dass er auf dem Holzpfad ist, waren es eben nicht die User, die mich danach gebasht haben, sondern die Medien. Ob "FAZ", "taz" oder "Süddeutsche" – alle haben vom “Panik-Mediziner“ gesprochen der über das Ziel hinausschießt. Und man merkt leider, dass sehr viel voneinander abgeschrieben wird. Manch einer hat nicht die Sendung gesehen, sondern lediglich andere Artikel dazu gelesen. Das fand ich unverhältnismäßig, weil ich mehr Qualität erwartet hätte. Und am Ende ist es ja leider genau so gekommen, wie ich gesagt hatte, dafür musste man aber auch wirklich kein Wahrsager sein. Da waren dann widerrum die User aufbauend, auch in der medizinischen Community. Mir macht's Spaß, so lange es mehr positive als negative Stimmen sind.

Nicht selten gelten diejenigen als die Mehrheit, die am lautesten sind. 

Genau, die schreien einfach am lautesten. So setzt man sich heute in der Welt leider durch. Es gibt Menschen, die sind mit dieser Strategie Präsident geworden. Das ist wie in einer Talkshow. Andere Talkgäste schrecken dann automatisch zurück, weil sie sich nicht auf ein solches Schrei-Duell einlassen wollen. Dadurch bekommt aber leider derjenige, der am lautesten rumplökt, die meiste Zeit und Aufmerksamkeit.

"Ich vermisse zwar das Publikum, finde es ohne Zuschauer aber sogar ehrlicher."
Johannes Wimmer

Erstaunlicherweise haben viele Talkshows jüngst gewonnen, weil das Publikum nicht da war und keine Argumente darauf ausgelegt waren, Applaus dafür zu bekommen.

Ich nenne das gerne sich die “Klatscher abholen”. Das ist, soweit ich weiß, sogar ein geflügelter Begriff. Für mich war das am Anfang komplett ungewohnt. Oft will man gerade ansetzen, dann kommen jedoch die Klatscher - und der Faden wird nicht nochmal neu aufgenommen. Ich vermisse zwar das Publikum, finde es ohne Zuschauer aber sogar ehrlicher. Auch, weil man untereinander besser ins Gespräch kommt. Deshalb bin ich gar nicht unglücklich darüber, dass wir in meiner neuen Talkshow im NDR auf Studiopublikum verzichten mussten. 

War das eine bewusste Entscheidung oder hat Ihnen Corona die Entscheidung abgenommen?

Das ist eine Mischung aus beidem. Am Ende haben wir das beste aus der Situation gemacht. Wenn Publikum da ist, fühlt man sich als Gastgeber den Zuschauern verpflichtet. So aber liegt die ungeteilte Aufmerksamkeit bei den Gästen. Mein Eindruck ist außerdem, dass ich die Leute zuhause besser einbinden kann. Ich habe mich selbst dabei erwischt, dass ich häufiger in die Kamera schaue und die Zuschauer vor dem Fernseher anspreche. Dadurch wird die Sendung vielleicht ein bisschen persönlicher.

Vier Ausgaben von "Dr. Wimmer: Wissen ist die beste Medizin – der Talk" sind zunächst geplant. Worum geht es in der Sendung? 

Es ist ein Medizin-Talk, der das Ziel hat, die Barriere zwischen Studio und Bildschirm im Wohnzimmer abzubauen. Da sitzen Ärztinnen und Ärzte, die auch mal darüber plaudern, was sie persönlich machen. Es sind betroffene Menschen da, die teilweise schwerste Erkrankungen hatten oder haben und selbst auch teilweise aus dem medizinischen Beruf kommen – beispielsweise eine Pflegefachkraft, die in Ruhe davon erzählt, wie sie mit ihrer Krankheit umgegangen ist und das eben nicht immer alles nur schlecht ist. Dazu kommt ein Notarzt, mit dem ich schon zusammen studiert habe. Außerdem gibt es Promis, darunter Klaus Baumgart von Klaus & Klaus, der zusammen mit seiner Frau darüber spricht, wie sie es eben nicht schaffen, zuhause abzunehmen und was die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind. Dazu liefere ich dann die wissenschaftlichen Fakten, das ist wirklich sehr unterhaltsam aber auch lehrreich. Idealerweise haben die Leute zuhause das Gefühl, mit in dieser Runde zu sitzen und dazuzugehören. Und im besten Fall ist das alles auch noch gut verständlich.

"Die Sat.1-Zeit hat mich ein bisschen ans Teleshopping erinnert, wo ich ganz früher mal Kameraerfahrung gesammelt habe."
Johannes Wimmer

Gibt es denn ein Geheimrezept, wie sich komplizierte Inhalte herunterbrechen lassen?

Die Vorbereitung ist das A und O – und die Kunst besteht im Weglassen. Das ist für Mediziner ganz, ganz schwer. Als Mediziner sind Sie immer darauf ausgelegt auf Komplettheit. Genau damit zu brechen, ist aber das, was Spaß macht. 

Wird Corona eine Rolle in der neuen Sendung spielen?

Corona ist immer in Bezügen da, aber wir machen keine Corona-Sendung. Die Leute haben das Thema inzwischen auch ein bisschen satt und die Welt dreht sich auch mit Corona weiter. Es ist doch gerade jetzt wichtig, nicht nur über Corona zu sprechen, sondern auch mal wieder ins Gedächtnis zu rufen, wie ich eigentlich jemandem helfe, der mit Atemstillstand auf dem Boden liegt. 

Worin unterscheidet sich Ihre neue NDR-Talkshow von der, die Sie im Frühjahr in Sat.1 gemacht haben?

In meiner Sat.1-Sendung hatte ich viele Module, die ich selbst bespielt habe. Da gab es zwar Talks, aber keine richtige Gesprächsrunde. Diesmal ist es so, dass alle Gäste die ganze Zeit über da sind und auch viel miteinander sprechen. 

Gibt es etwas, das Sie aus der Sat.1-Zeit mitgenommen haben?

Die Sat.1-Zeit hat mich ein bisschen ans Teleshopping erinnert, wo ich ganz früher mal Kameraerfahrung gesammelt habe. (lacht) Das war eine ganz andere Schlagzahl – wir haben ja drei Sendungen am Tag aufgezeichnet. Rückblickend ein wirklich gutes Training, um zu erkennen, worauf es im Studio ankommt, wie man auf Gäste eingeht und wo man ihnen gegebenenfalls auch etwas mehr Raum gibt. Ich finde es allerdings schade, dass die Sendung nicht besonders fürsorglich behandelt wurde und somit nicht so gut funktioniert hat.


Und jetzt voller Fokus auf den NDR?

Ja, der NDR ist meine Heimat. Nicht nur, weil ich Hamburger bin. Das erste Projekt, das ich fürs Fernsehen gemacht habe, war für den NDR, nachdem ich auf einem Kongress herumgepöbelt habe, dass sich ja nun wirklich keiner mehr diese ollen Medizin-Formate ansieht. Daraufhin klingelte einen Tag später das Telefon: "Hier ist der NDR, kommen Sie doch mal vorbei und erklären Sie, wie Sie es machen würden." (lacht) Inzwischen hat sich da vieles verändert, insbesondere crossmedial. Akuell wird am Aufbau eines Gesundheits-Channels gearbeitet, den ich maßgeblich mitbespielen werde.

Wann haben Sie eigentlich gemerkt, dass Sie ein Talent vor der Kamera haben?

Eigentlich wollte ich nie ins Fernsehen. Als Arzt habe ich gemerkt, dass ich nie genug Zeit habe, meinen Patienten zu erklären, worum es geht. Dadurch kam mir die Idee, in Videos zu erklären, was beispielsweise Arthrose ist. Später haben dann Leute gefragt, ob ich Videos machen könnte, in denen es um Fragen geht, die sie sich nicht trauen, ihrem Arzt zu stellen. Und dann kam das Fernsehen irgendwann tatsächlich auf mich zu, berichtete über mich und holte mich als Experten ins Studio. Für mich zählt der aufklärende Effekt: Ich erreiche viele Menschen. Und im Fernsehen auch diejenigen, die nicht so sehr im Internet zuhause sind. 

Herr Wimmer, vielen Dank für das Gespräch.

"Dr. Wimmer Talk - Wissen ist die beste Medizin" läuft dienstags um 21:00 Uhr im NDR Fernsehen.