Herr Kottkamp, Nick feiert in diesem Jahr Geburtstag. Vor 25 Jahren ist der Sender erstmals on Air gegangen und seit der zwischenzeitlichen Unterbrechung sendet man nun schon seit 15 Jahren. Wie haben Sie damals, also vor 25 Jahren, den Start des neuen Players wahrgenommen?

Steffen Kottkamp: Das war sehr aufregend. Der Sender war sehr bunt und es gab eine Reihe von Studioproduktionen sowie Game- und Spielshows. Ich war damals noch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und in den Anfängen meiner Kinderfernsehen-Zeit. Es wurde viel über die Gründung des Kinderkanals gesprochen, der nach dem Start ja auch die Frequenz von Nickelodeon übernommen hat. Nickelodeon hat schon 1995 das bewiesen, was es heute noch tut: Der Sender ist extrem nah dran an den Kindern. Das haben wir schon damals stark beobachtet und das hatte natürlich auch Auswirkungen auf die Planungen des Kinderkanals.

Das Programm hat sich seither komplett gewandelt. Studioproduktionen gibt es nicht mehr, geprägt wird der Sender vor allem durch die Lizenzware der US-Mutter.

Das stimmt, aber es gibt diesen zentralen Claim "Kids first" noch immer. Wir versuchen in allen Programmen die Kinder in den Mittelpunkt zu stellen. Das hört sich wie eine Selbstverständlichkeit an. Aber es gibt eben auch viele Sender, die versuchen die Eltern mitzudenken. Nickelodeon war immer schon eine Art "Sturmfrei"-Sender. Das ist das Programm, das man als Kind unbedingt gucken wollte. Das galt damals wie heute. Und nicht umsonst gab es vor dem Re-Start 2005 eine Pause. Wir haben gemerkt, dass wir unsere Ziele auch sehr gut erreichen, wenn wir uns aus der internationalen Pipeline bedienen und vereinzelt auf Eigenproduktionen setzen.

Wird der Geburtstag in irgendeiner Form sichtbar im Fernsehen?

Nein, das ist für die Kinder nicht so interessant. Unsere Zielgruppe sind 3- bis 13-Jährige, auch wenn wir weit darüber hinaus beliebt sind. Aber wenn so ein Sender älter ist als die Zielgruppe, dann ist das kein Anlass, um das groß auf dem Bildschirm zu feiern. (lacht)

Wie hat sich das Kinderfernsehen in den 25 Jahren ganz grundsätzlich verändert?

Das, was gleichgeblieben ist, ist die Bedeutung der Inhalte. Wenn man keine guten Geschichten und Figuren hat, funktioniert es nicht. Was sich aber massiv verändert hat, ist die Art, wie Kinder und Jugendliche die Inhalte schauen. Natürlich ist das lineare Fernsehen noch ungemein wichtig. Aber wenn man sich zum Beispiel die aktuelle GenZ Videostudie der AGF anschaut, sieht man, dass bei den 3 bis 13-Jährigen ziemlich genau die Hälfte der Bewegtbildnutzung das klassische TV und die andere Hälfte kostenlose und kostenpflichtige Streamingangebote ausmachen. Die Streamingplattformen und die Social-Media-Kanäle werden also immer wichtiger. Wachstum über den klassischen Werbemarkt zu erreichen, wird kaum möglich sein, weshalb wir uns seit Jahren transformieren und in alle Bereiche ausbreiten. Der lineare Sender ist nach wie vor wichtig, aber darüber können wir nicht das Wachstum erreichen, das wir in anderen Bereichen erzielen. Die Werbeeinnahmen im linearen Fernsehen werden nicht noch einmal steigen.

Nickelodeon geht einen bewusst anderen Weg als beispielsweise Disney und startet keinen eigenen Streamingdienst. Sie machen die Inhalte auf möglichst vielen Plattformen verfügbar. Das ist für Sie auch nach wie vor der richtige Weg und das wird so bleiben?

Das hat sich bewährt und der Bereich ist bei uns in den letzten Jahren massiv gewachsen. Es gibt Nickelodeon und unsere Inhalte bei Magenta TV und auf Amazon, auch bei YouTube und den Social-Media-Plattformen finden wir statt. Und seit einiger Zeit laufen Nick Jr. und Nicktoons bei Sky, das war vorher deutlich stärker von Disney geprägt. Außerdem neu ist unser Noggin-Angebot, das ist eine Zusammenstellung unserer Vorschul-Angebote, damit sind wir auf Apple TV und bald auf weiteren Plattformen vertreten. Auch auf Joyn gibt es Nickelodeon-Formate, ab September wird die vierte Staffel von "Spotlight" bei einem weiteren großen Streaminganbieter zu sehen sein und bei PlutoTV sind wir ebenfalls vertreten, etwa mit einem eigenen "SpongeBob"-Channel. Wir bewegen uns dorthin, wo die Kinder sind. Wir schauen uns immer individuell an, mit welchen Partnern wir uns zusammentun. Ein Beispiel: Das mit Abstand erfolgreichste Vorschulprogramm ist "PAWPatrol"...

… und das läuft ausgerechnet bei der Konkurrenz von Super RTL.

Ja, da sind wir eine strategische Partnerschaft eingegangen. Das war natürlich schon eine heftige Entscheidung. Als wir das damals lizenziert haben, wussten wir schon, dass "PAWPatrol" eine starke Marke ist. Aber das hat auch für uns einige Vorteile: Wir profitieren von der größeren Reichweite und können diese zum Beispiel im Bereich des Merchandising oder der Veranstaltungen nutzen. Es geht uns eben auch um all das, was außerhalb des Fernsehens stattfindet. Das sind auch die Nickelodeon-Auftritte in Freizeitparks, so wie das Nickland im Movie Park. Dazu gehören auch die Kids‘ Choice Awards und das Slimefest. Und natürlich unsere Auftritte in Social Media, wo wir bei den Videoviews und dem Engagement vor unseren linearen Konkurrenten liegen. Daher bin ich ja ein Brand Director und kein Senderchef. Ich sehe Nickelodeon als Ganzes: Natürlich tun uns die wundervollen Quoten von "PAWPatrol" bei Super RTL mitunter weh, wenn ich nur auf unseren Sender Nick schaue. Aber dafür gibt es Bereiche, in denen wir davon profitieren. Da schlagen dann zwei Herzen in meiner Brust.

"Wachstum über den klassischen Werbemarkt zu erreichen, wird kaum möglich sein, weshalb wir uns seit Jahren transformieren und in alle Bereiche ausbreiten."

Bei all dem Fokus auf das Nicht-TV-Geschäft wirkt es manchmal so, als habe sich Nick im Linearen mit Platz vier begnügt. Ist das so? Super RTL, Kika und der Disney Channel sind weit enteilt.

Zufrieden geben wir uns damit natürlich nicht. Wir schaffen es ja auch immer mal wieder vor dem Disney Channel zu liegen, zum Beispiel, als wir zuletzt unser "Bikini Bottom Festival" an einem Wochenende gefeiert und rund um die Uhr "SpongeBob Schwammkopf" gezeigt haben. Da freuen wir uns natürlich schon. Wir fokussieren uns linear generell stärker auf die älteren Kinder im Alter zwischen 6 und 13 und da besonders auf die Jungs, das zahlt sich aus, denn da sind wir richtig stark – im Juli zum Beispiel mit einem Marktanteil von 12,5 Prozent bei den älteren Jungs, eine Steigerung von fast 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das ist auch für die Mediaagenturen wichtig, die wissen, was sie bei uns bekommen.

Bei den 3- bis 13-Jährigen, der klassischen Kinder-Zielgruppe, können Sie gegenüber den Agenturen eher nicht mit Erfolgen wuchern. Da sind die Quoten seit Jahren rückläufig, auch der Disney Channel ist längst enteilt und doppelt so stark wie Nick.

Im Juni und Juli konnten wir auch bei der gesamten Kinderzielgruppe stärker abschneiden als zuletzt, das zeigt uns, dass wir weiterhin das Potenzial haben, aufzuholen. Aber natürlich wurde beim Disney Channel fantastische Arbeit geleistet. Wir wissen, dass wir auf dem vierten Platz liegen, sehen das Fernsehen aber wie gesagt als eine von mehreren Säulen - die wir aber auch nicht aufgeben werden. Grundsätzlich sind wir eine riesige Content-Maschine und dadurch, dass wir viel selbst produzieren, können wir die Inhalte auch über alle Plattformen hinweg auswerten. Nehmen Sie das Beispiel "Turtles". Die waren sehr zugespitzt und haben linear nicht so gut funktioniert, deshalb haben wir sie vom Sender genommen. Auf PlutoTV laufen die "Turtles" wie geschnitten Brot.

Auf Seite zwei spricht Steffen Kottkamp über die neue Staffel "Spotlight", Dreharbeiten währen Corona und die Youtube-Strategie von Nickelodeon.