Mr. Sudeikis, Mr. Lawrence, für "Ted Lasso" haben Sie auf eine Comedy-Figur zurückgegriffen, die 2013 in ein paar Werbespots für die Premier-League-Übertragungen von NBC Sports vorkam. Wie schwierig ist es, aus einer lustigen Werbefigur eine ganze Serie zu zimmern? 

Jason Sudeikis: Offen gestanden, hatte ich anfangs mehr Schwierigkeiten befürchtet. Denn natürlich braucht eine Figur viel mehr Tiefe und Bandbreite, wenn man ihr durch zehn Episoden einer Serie folgen soll. Wir haben aber schnell gemerkt, dass es gar nicht so viele Hürden gab, einen Charakter zu entwickeln, der so verrückt und hoffnungsvoll ist wie Ted Lasso. Wir wussten nach einer Woche, wie er im Kern als Serienfigur aussehen sollte und dass er das Potenzial hat, eine ganze Staffel zu tragen.

Bill Lawrence: Im Piloten gibt's eine Dialogzeile, die Jason geschrieben hat: Eine Herausforderung anzunehmen, ist wie ein Pferd zu reiten – wenn es sich zu bequem anfühlt, macht man es wahrscheinlich falsch. Für uns lag die größte Herausforderung darin, eine Figur wie Ted Lasso an eine Streaming-Plattform zu verkaufen. Die sehen die alten Spots und denken: Aha, das ist Sketch-Comedy mit einem Idioten, der Witze reißt. Wir mussten sie überzeugen, dass daraus ein dreidimensionaler, vielschichtiger Charakter werden kann. Er hat zwar noch einige derselben Eigenschaften wie damals, aber er ist längst nicht so dumm, wie er auf den ersten Blick aussieht. Er ist unwissend, aber ohne diese Arroganz, die man normalerweise mit dem Stereotyp des 'Ugly American' verbindet.

Sudeikis: Von einer Serie, die auf ziemlich albernen Werbespots basiert, erwarten die Leute vielleicht nicht unbedingt, dass wir die Höhen und Tiefen menschlicher Entwicklung analysieren. Aber Gags allein hätten nicht ausgereicht, um die Sendezeit sinnhaft zu füllen, die Apples großzügiger Geldbeutel uns ermöglicht hat.

Es lässt sich nicht bestreiten, dass Ted Lasso äußerst ahnungslos agiert. Dennoch scheint er früher oder später immer irgendwie den richtigen Weg zu finden.

Lawrence: Was wir im wahren Leben leider viel zu oft sehen, vor allem hier in Amerika, ist die Kombination von Ahnungslosigkeit und Arroganz. Uns war es wichtig, dass Ted zwar ahnungslos, aber zugleich neugierig ist. Er weiß, was er nicht weiß, fragt auch mal nach und entwickelt sich weiter.

Sudeikis: Ignoranz und Arroganz ergeben eine ganz schlechte Paarung. Zwar erzeugen wir aus Teds Einfalt und Ahnungslosigkeit jede Menge Comedy, zeigen aber eben auch seine Neugier. Jemand, der neugierig ist, trägt immer einen gewissen Optimismus in sich, weil er sich Offenheit und Lernbereitschaft bewahrt, um nicht zu sagen Empathie. 

Wenn man solch eine Figur einmal geformt hat, dürfte sie für Autoren Gold wert sein.

Lawrence: Vorteil und Risiko liegen in diesem Fall nah beieinander. Die Gags, die ihn zum Idioten machen, schreiben sich natürlich viel leichter. Wenn Sie sich beruflich mit Fiction beschäftigen, sehen Sie ohne Ende dumme Figuren. Die sind manchmal lustig, manchmal hat man aber die Gags auch schon zu oft gehört. Mit der Figur Ted wollen wir die Leute nicht nur zum Lachen bringen, sondern auch überraschen, weil er an bestimmten Stellen pfiffiger ist, als das Publikum angenommen hätte.

"Sei die dümmste Person im Raum und umgib dich mit Menschen, die klüger sind, dann wirst du dich sicher weiterentwickeln"
Jason Sudeikis

Wollen Sie den Amerikaner, der ahnungslos in der Fremde dilettiert, auch als Kommentar zur geopolitischen Weltlage verstanden wissen?

Ted Lasso© Apple TV+
Sudeikis: Die Idee zur Serie ist im Sommer 2015 in meiner Küche entstanden. Seither haben drei gigantische Umwälzungen stattgefunden: die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten, die #MeToo-Bewegung und Black Lives Matter. Was ursprünglich mal eine High-Concept-Idee war – nämlich die Frage, wie jemand, der absolut keine Ahnung von seinem Job hat, für etwas so Bedeutsames wie eine britische Premier-League-Mannschaft verantwortlich sein kann – ist heutzutage selbst für Aufgaben mit noch viel größerer Verantwortung nicht mehr abwegig. Bei allem Respekt für die Premier League, aber ein ganzes Land, zumal eine der größten Weltmächte, ist dann doch noch wichtiger. Auch wenn es nicht so geplant war, würde ich mich nicht dagegen wehren, wenn "Ted Lasso" als Parabel hierauf gesehen würde.

Lawrence: Unwissenheit ist ja erstmal nichts Schlimmes. Kein Mensch kann alles wissen. Solange man sich dessen bewusst ist und die Bereitschaft hat, andere Menschen zu fragen, die sich auskennen, finde ich das völlig okay. In unserem gegenwärtigen öffentlichen Diskurs geht das aber allzu oft mit Arroganz, Ablenkungsmanövern, Beschimpfungen und regelrechter Wissenschaftsfeindlichkeit einher. Ted Lasso ist das metaphorische Gegenteil dessen, wie wir den amerikanischen Diskurs wahrnehmen. Jemand hat uns gefragt: Wie würde Ted wohl mit der Covid-19-Pandemie umgehen? Er würde auf Ärzte und Wissenschaftler hören und eine Maske tragen!

Haben Sie sich denn mit den Regeln des europäischen Fußballs vertraut gemacht, bevor Sie Ted Lasso gespielt haben?

Sudeikis: Hätte ich vielleicht mal machen sollen. (lacht) Aber nein, ich bin der Rolle in dieser Hinsicht nicht ganz unähnlich. Vor den Ted-Lasso-Spots von 2013 beschränkte sich meine Soccer-Erfahrung darauf, dass ich als Kind mal ein bisschen gespielt hatte, aber während High School und College voll auf Basketball umgeschwenkt bin. Teds Methode ist auch meine: Sei die dümmste Person im Raum und umgib dich mit Menschen, die klüger und talentierter sind, dann wirst du dich sicher weiterentwickeln. Das hat mich immerhin in die Lage versetzt, dass ich jetzt gegen Autoren- und Schauspielkollegen FIFA auf der PlayStation spielen kann. So bleiben wir auch während des Lockdowns sportlich-virtuell verbunden.

Die meisten Deutschen nehmen Fußball sehr ernst. Frühere Versuche, Fußball und Comedy zu vermischen, sind hier gescheitert. Warum sollten Hardcore-Fußballfans "Ted Lasso" eine Chance geben?

Lawrence: Eine ähnliche Frage wurde mir gestellt, als ich damals "Scrubs" entwickelte. Im US-Fernsehen waren wir einfach keine Medicals mit Comedy gewohnt. Es hieß: Das US-Publikum möchte Ärzte sehen, die Helden sind und weder Fehler noch Witze machen. Mein Gegenargument war: Die meisten Ärzte, die ich kenne, setzen Humor ein, um ihren fordernden Alltag zu bewältigen. Ich hoffe, dass "Ted Lasso" ebenso funktioniert, obwohl – oder gerade weil – es bisher keine Comedy-Serie in der Welt des Premier-League-Fußballs gab. Serien im Sportumfeld leiden ja oft darunter, dass die eigentlichen Spiel- und Trainingsszenen unecht wirken. Wir hatten das große Glück, dass der Premier-League-Verein Crystal Palace uns seine Anlagen zur Verfügung gestellt hat. Wir konnten in einem echten Stadion drehen und viele Ex-Profis in Nebenrollen besetzen. Was bei uns auf dem Platz und in der Kabine passiert, sollte also ziemlich authentisch wirken.

Sudeikis: Für Fußballfans haben wir tatsächlich einige 'Easter Eggs' und subtile Anspielungen in der Serie versteckt. Aber letztlich ist Fußball hier ein Vehikel, um größere Geschichten über menschliche Erfahrung und Entfaltung zu erzählen. Das wäre theoretisch auch mit Rugby oder Boxen gegangen.

Lawrence: Aus deutscher Sicht gibt es übrigens noch einen zusätzlichen Anreiz: Wir wollen in der zweiten Staffel einen deutschen Spieler als weitere Figur einführen.

Mr. Sudeikis, Mr. Lawrence, herzlichen Dank für das Gespräch.

"Ted Lasso", ab sofort bei Apple TV+