Frau Krause-Jentsch, wie viel Zeit geht bei Ihnen drauf, um Podcasts zu hören?

In meinem letzten Spotify-Jahresrückblick lag ich bei 24.000 Minuten. Ich höre die Podcasts inzwischen allerdings in doppelter Geschwindigkeit, bekomme dadurch also noch wesentlich mehr Inhalt unter. (lacht) Und dazu kommt, dass ich viele Podcast-Folgen schon vor der Veröffentlichung höre. Die Zahl ist also vermutlich nur die halbe Wahrheit.

Sie zeigt aber ganz gut den Podcast-Boom, der in den letzten Jahren auch in Deutschland zugenommen hat. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?

Einerseits liegt es an den Inhalten, die immer professioneller und damit besser werden. Auf der anderen Seite schwappt die Entwicklung aus den USA zu uns – denken Sie nur an "Serial", den ersten Podcast-Blockbuster, der weltweit über 300 Millionen Mal heruntergeladen wurde. Das hat nochmal eine ganz neue Aufmerksamkeit auf dieses Thema gelegt, von der auch der deutsche Markt profitiert. Das können Sie auch daran erkennen, dass es alleine mittlerweile 50.000 deutschsprachige Podcasts mit einer großen Bandbreite gibt. Podcast kann letztlich so vieles sein, ein Nebenbeimedium, aber auch ein Medium für gezieltes Zuhören, wie das bei fiktionalen oder dokumentarischen Formaten der Fall ist.

Wenn es schon so viele Angebote gibt, stellt sich zwangsläufig die Frage, wie viel Platz noch für Neues vorhanden ist. 

In jedem Genre gibt es noch viel Potenzial, sich mit gutem Storytelling abzuheben. Das lässt sich fast jeden Tag an unseren Trending Charts ablesen, in denen sich viele neue Formate hervortun. Das Medium Podcast ist keineswegs auserzählt, wir kratzen da gerade erst an der Oberfläche. 

Lässt sich damit denn schon gutes Geld verdienen?

Wir dürfen über Vertragsdetails leider nicht sprechen. Generell sind wir sehr zufrieden mit der Entwicklung. Podcasts funktionieren auf unserer Plattform sehr gut: Die Zahl der Podcast-Hörerinnen und -Hörer auf Spotify steigt kontinuierlich an, im vierten Quartal 2020 haben bereits 25 Prozent unserer Hörer*innen Podcasts gestreamt. 

Was planen Sie konkret in Deutschland im Podcast-Bereich?

In den nächsten Wochen werden wir bei Spotify zwölf Original-Podcasts starten. Dazu zählen neue Staffeln von "Jokes mit Till Reiners" und "Talk-O-Mat", aber auch völlig neue Formate. Es fällt mir schwer, daraus einen einzelnen hervorzuheben, aber besonders stolz bin ich darauf, dass wir erstmals mit einem deutschen Verlag zusammenarbeiten. Mit der Redaktion der "Süddeutschen Zeitung" planen wir sechs Folgen von "Terror am OEZ – Fünf Jahre nach dem Anschlag in München", ein dokumentarisches Format über eine neue Art von rechtsextremistischem Terror in Deutschland, das von Nabila Abdel Aziz präsentiert wird. Und schon ab dem 1. März blicken Antonia Franz, Tami Holderried, Julia Ongverth und Magdalena Pulz täglich in "An diesem Tag" auf die Schlagzeilen von vor zehn Jahren. Das sind kurze Episoden, die auch in der personalisierten Playlist “Daily Drive” erscheinen werden. Darüber hinaus ist noch ein weiteres Format mit der "SZ" geplant.

Gerade bei Wissensformaten braucht es die visuelle Ebene kaum noch.

Der Start von "An diesem Tag" ist insofern bemerkenswert, weil der öffentlich-rechtliche WDR gerade bei seinen historischen Formaten "Zeitzeichen" und "Stichtag" sparen muss. Was sagt das über die Verhältnisse auf dem deutschen Markt aus?

Für uns ist in erster Linie wichtig, in tägliche Formate zu investieren, weil wir darin eine große Stärke unseres Angebots sehen. Dazu passt auch "FOMO – Was habe ich heute verpasst?", unser erstes werktägliches Newsformat, das wir am 15. März starten werden. Darin geht es um Themen von Gossip bis hin zu Politik.

Klingt so, als würden Sie dem klassischen Radio damit mehr denn je Konkurrenz machen.

Für uns ist es ein neuer Weg, aber wir glauben daran, dass wir mit unserer Ausgangsposition als Audio-Entertainment-Plattform beste Chancen haben, die Hörerinnen und Hörer mit Podcasts und Musik aller Art für uns zu begeistern.

Was ist darüber hinaus geplant?

Mit Laura Larsson, die unsere Nutzerinnen und Nutzer bereits aus "Herrengedeck" kennen, machen wir einen Podcast über ihre Hochzeit. In "Erstmals für immer" nimmt sie uns mit in die verrückte Welt der Hochzeitsvorbereitungen. Das ist ein liebevolles und sehr persönliches Format, aber keineswegs ein Spin-Off ihres anderen Formats. Außerdem starten wir im Mai ein neues, von Tommi Schmitt entwickeltes und co-produziertes Format namens "Podcasts – Der Podcast". 

Ein ungewöhnlicher Titel... 

Der Name hat bei uns bestimmt drei Tage lang immer wieder für Lacher gesorgt. (lacht) In dem Original werden die meistgehörten deutschsprachigen Podcasts von Marti Fischer, Katjana Gerz, Nagmeh Alaei, Charlotte Hübsch, Sara Kelly-Husain, Christian Schiffer, Tommi Schmitt, Maximilian Schmitt und Jan van Weyde liebevoll persifliert. Damit möchten wir letztlich Tribut zollen, wie wichtig Podcasts inzwischen für die Popkultur sind, denn es ist schon erstaunlich, wie sehr man sich in Podcasts, aber auch in einzelne Stimmen verlieben kann.

Das klingt nach "Switch reloaded" für Podcasts und zeigt gleichzeitig, wie viele Stars der Szene es inzwischen gibt. Welche bekannten Namen haben Sie darüber hinaus verpflichtet?

Comedian Aurel Mertz wird ab dem 26. Februar mit "Das Aurel Update" die Woche Revue passieren lassen. Zusätzlich zu den regulären Folgen werden wir erstmals wöchentlich einen fünfminütigen Auszug der aktuellen Folge in der Daily-Drive-Playlist veröffentlichen. Und am 17. März folgt "Allgemein gebildet" mit Ralph Ruthe. Seine Cartoons begleiten mich persönlich schon seit vielen Jahren. Daher freue ich mich sehr, dass wir ihn für ein Format gewinnen konnten, in dem es im weitesten Sinne um politische Bildung geht. Mit der Politik-Expertin Sally Lisa Starken, die eine gute Freundin von Ralph Ruthe ist, unterhält er sich über Begriffe aus der alltäglichen Politik. Die Besonderheit für uns ist daran, dass wir uns im Bereich der edukativen Formate ausprobieren. Mit "Wissen diesdas" und "Wild Germany", einem Format mit Manuel Möglich, das auf einer früheren ZDFneo-Sendung basiert, planen wir bereits weitere Formate in diesem Bereich. Dabei stellen wir uns die Frage, wie man auf eine angenehme Art und Weise lernen kann.

Gar nicht so einfach, etwas zu erklären, ohne eine visuelle Ebene zu haben, oder?

Gerade bei Wissensformaten braucht es die visuelle Ebene kaum noch. Dadurch, dass es keine Kamera gibt, entsteht eine Intimität, die bei der Wissensvermittlung über Audio sogar von Vorteil sein kann. 

Frau Krause-Jentsch, vielen Dank für das Gespräch.